"Culture Clash" zwischen Westen und Islam – ausnahmsweise nicht als lockere Komödie, sondern als tragisches Drama: Der ARTE-Film "Für meinen Glauben" wagt vieles und wird belohnt.
Gut und gerne dürfen sich die Franzosen als Erfinder der modernen Culture-Clash-Comedy bezeichnen. Von "Ziemlich beste Freunde" bis "Monsieur Claude und seine Töchter" zieht jene Art von Komödie ihren Humor aus dem Aufeinandertreffen der Religionen, aus den Missverständnissen zwischen Kulturen – und die Zuschauer damit in Scharen in die Kinos. Auch im Fernsehen, auch in Deutschland erwies sich der lockere Blick auf die feinen Unterschiede, an denen wir letztlich nur unsere menschlichen Gemeinsamkeiten ablesen können, als Erfolg. Doch was, wenn Integrationsprobleme, Kopftuchfrage und Co. plötzlich nicht mehr weggelacht werden können? Wo viele den ironisch nicht gebrochenen Blick auf den "Clash" scheuen, wagt sich das französische ARTE-Drama "Für meinen Glauben" mitten rein in die heikle Melange aus Westen, Islam und Terror.
Der Film des französischen Regisseurs Jacob Berger geht damit ein wahres Wagnis ein. Schließlich ist es eine Art Konsens, Integrationsfragen lediglich in Dokus und Talkshows ernsthaft zu diskutieren, während Spielfilme für die flockigen Nebensächlichkeiten zuständig sind. Doch ARTE legt mit seiner Erstausstrahlung gleich richtig los: Drei Generationen französischer Frauen werden mit islamistischem Radikalismus konfrontiert, vom antisemitischen Terror der 70er-Jahre bis zum tödlichen Dschihad der Gegenwart.
Im Zentrum steht die Konvertitin Anaïs respektive Umm Asma (Lola Créton), die ein Doppelleben führt. Beeinflusst von extremistischen Anhängern des Kampfes gegen den Westen, ist die junge Frau zum Islam konvertiert, trägt freiwillig Burka und sagt Dinge wie: "Man muss die Welt erneuern und entgiften." Heißt: die Ungläubigen töten. Sie ehelicht einen Islamisten, der ihr gleich zu verstehen gibt: "Wir haben vor Allah geheiratet, du gehörst mir." Währenddessen machen ihr andere dschihadistische Muslima klar: "Bei uns ist eine Frau ohne Mann nichts, vergiss das nicht."
Vor ihrer Familie hält Anaïs ihren neuen Glauben geheim. Bis ihre Großmutter Isabelle (Marthe Keller) eines Tages mitbekommt, wie sich ihre Enkelin heimlich umzieht. Schnell befürchtet die Oma das Schlimmste – schließlich fand sie sich in den 70er-Jahren in einer ähnlichen Situation wieder. Damals liebte sie, auch im romantischen Glauben an die Revolution, heimlich den Palästinenser Djibril, einen der Mitverantwortlichen für den Terroranschlag auf den Swissair-Flug 330 nach Tel Aviv, bei der neben 46 weiteren Opfern auch ihr Ehemann ums Leben kam. In ihrer Enkelin erkennt sie sich selbst wieder. Gemeinsam mit Anaïs' Mutter Léa (Julie Gayet) versucht sie, die Radikalisierung der jungen Studentin zu stoppen. Der Tenor: "Ein junges Mädchen, das heutzutage Muslimin wird – du weißt, was das heißt."
Aus der Verknüpfung dreier Frauen-Schicksale strickt Berger ein mutiges Abbild der islamisch-westlichen Realität, die neben Hunderttausenden friedlich lebenden Moslems eben auch bedeutet: radikalisierte Terroristen, die dem Westen so viel Schaden wie möglich zufügen wollen. Dass gerade junge westliche Frauen auf Identitätssuche dafür anfällig sind, ist ein Problem, das "Für meinen Glauben" schonungslos anspricht. Überzeugend ist dabei vor allem das Spiel der drei Hauptdarstellerinnen, von denen Lola Créton 2018 beim französischen Fernsehfilmfestival in La Rochelle sogar zur größten weiblichen Schauspielhoffnung gewählt wurde.