Milli Vanilli: From Fame to Shame
24.05.2019 • 21:45 - 22:45 Uhr
Musik, Dokumentation
Lesermeinung
Milli Vanilli im März 1990 im Pop-Olymp: mit Grammy in der Tasche und Whitney Houston im Arm
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Er machte die beiden zu Gold: Nach Boney M. war Milli Vanilli Frank Farians größter Erfolg.
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Androgyn und geheimnisvoll: Milli Vanilli am Anfang ihrer Karriere 1987
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Fabrice Morvan vor dem P1 in München, dem Club, in dem alles begann
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Hint
Online verfügbar von 24/05 bis 31/05
Produktionsland
Deutschland
Produktionsdatum
2015
Musik, Dokumentation

Die Geschichte vom armen Rob

Von Eric Leimann

Eine berührende Doku über eine der größten Musik-Betrügereien der Pop-Geschichte: Der Aufstieg und Fall von Milli Vanilli. ARTE wiederholt eine der klügsten Musikdokumentationen der letzten Jahre als Auftakt eines Abends mit 90er-Jahre-Sounds.

Milli Vanilli ist ein internationales Pop-Märchen aus der deutschen Provinz. Mit drei US-Nummer-eins-Hits und einem Grammy ist die Erfindung des im Taunus ansässigen Produzenten Frank Farian (Boney M.) bis heute das Erfolgreichste, was deutscher Pop in Amerika zuwege brachte. Filmemacher Oliver Schwehm will in 60 Minuten "Milli Vanilli: From Fame To Shame" bei ARTE nicht nur eine unglaubliche Pop-Dreistigkeit erzählen. Sein intimer Film schildert das Projekt Milli Vanilli chronologisch aus der Innensicht der Beteiligten: Frank Farian, Managerin Ingrid "Milli" Segieth sowie die Bandmitglieder Fab Morvan und der 1998 verstorbene Rob Pilatus kommen zu Wort. Letzterer auch über die Tonaufnahme eines Interviews, das wenige Wochen vor Pilatus' Tod in einem Frankfurter Hotelzimmer geführt wurde.

Natürlich könnte man sich dem Thema Milli Vanilli ganz anders nähern: spöttisch, im Sinne einer Pop-Farce. Ansätze gäbe es genug. Zwei schöne, aber auch reichlich überdrehte Typen mit breiten Schulterpolstern und sinnlos langen Hair-Extensions. Zwei Tänzer, die nicht singen können, aber eben dies zu tun vorgeben. Provinz-Deutsche, die der Welt und speziell Amerika eine Musiksensation vorgaukeln, um danach als Betrüger entlarvt zu werden. Oliver Schwehm ("Cinema Perverso – Die wunderbare und kaputte Welt des Bahnhofskinos") wollte jedoch keinen giggelnden, ironisch distanzierten Film über eine Pop-Lüge der frühen 90-er, keine Parodie auf Oberflächen und Träume jener Zeit erschaffen. Stattdessen erzählt er die Geschichte von zwei armen Schluckern, die plötzlich nach oben gespült werden, die das Unfassbare ihres Schicksals überfordert und von denen einer schließlich daran zerbricht.

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Als der Pariser Tänzer Fabrice "Fab" Morvan in den 80-ern nach München kommt, hofft er auf einen Job. Als sich dieser erst mal in Luft auflöst, muss der junge, mittellose Franzose erst mal im Bahnhof schlafen. "Das war nicht so schön", erinnert sich der introvertierte, dunkelhäutige Mann im Interview. Der extrovertierte "Sprecher" Milli Vanillis war Rob Pilatus. Geboren 1965 in New York, aufgewachsen bei Adoptiveltern in München. In Interviews mit seiner älteren Schwester erfährt man: Rob war ein talentierter Fußballspieler und gutmütiger Lebemann. Er litt unter dem üblichen Rassismus jener Jahre, als man als schwarzer Deutscher noch öffentlich verspottet wurde. Über die gemeinsame Tanzleidenschaft entsteht eine Freundschaft zwischen Rob und Fab, die sich bald darauf eine WG und Pläne für eine Popkarriere teilen.

Tod im Hotelzimmer

Ihr Styling entwickelten sie selbst, nur die Musik steuerte der hessische Erfolgsproduzent Farian bei – der sich zu Zeiten Milli Vanillis allerdings schon geraume Zeit in einer Art Krise befand. Managerin "Milli" Segieth, damals die Freundin Farians, wohl aber auch von Rob begehrt, und die anderen "Macher" des Produktes Milli Vanilli – darunter der echte Sänger Brad Howell – erzählen, wie man euphorisch und mit besten Absichten startete, um sich irgendwann immer tiefer in Lügen, Abhängigkeiten und Missgunst zu verstricken. Als Milli Vanilli, vor allem der Kokain- und alkoholsüchtige Rob, immer größenwahnsinnigere Ideen umsetzen wollten, zog Farian die Reißleine und verkündete, Milli Vanilli hätten niemals selbst gesungen. Der Skandal war perfekt, unter anderem mussten die tapfer lächelnden Rob und Fab ihren Grammy im Rahmen einer öffentlichen Inszenierung für die US-Presse zurückgeben.

Danach kamen die beiden nie mehr auf die Beine. Rob Pilatus, Gefühlsmensch mit Herz auf der Zunge und bayerischem Akzent, äußert sich im letzten Interview vor seinem Tod durch Kreislaufversagen nach einer Zechtour durchs Frankfurter Bahnhofsviertel erstaunlich reflektiert über die eigene Geschichte. Eigentlich wollte der Geschundene nach längerem Aufenthalt in einer Entzugsklinik gerade zu einer entgiftenden Ayurveda-Kur nach Asien aufbrechen. Managerin "Milli" Segieth fand ihn tot in seinem Hotelzimmer.

"Milli Vanilli: From Fame To Shame", der erstmals 2016 im Rahmen des ARTE "Summer of Scandals" gezeigt wurde, schafft etwas, das nur den besten Dokus über Pop gelingt: Der Film stellt eine große Nähe zu den Protagonisten her und erzählt so viel mehr, als einfach nur ein Kapitel Musikgeschichte. Man blickt als Zuschauer tief in die Seele einer Gruppe gut gewillter Menschen, die etwas Großes wollten und dabei im Stile einer griechischen Tragödie scheiterten. Im Anschluss an die Doku um 22.45 Uhr zeigt ARTE unter dem Titel "The 90s in Music" eine knappe Stunde Höhepunkte von Live-Konzerten der legendären Reihe "MTV Unplugged".


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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