So einen "Tatort" gab es noch nie: Im Horror-Fall "Fürchte dich" spukt es gewaltig.
In gewisser Weise ist jeder "Tatort" ein Horrorfilm. Schließlich sterben hier Menschen. Und auch wenn am Ende der Täter meist im Gefängnis sitzt, bleibt doch ein gewisses Grauen zurück und die Einsicht, dass sich manche Taten nicht erklären lassen. So ist es vielleicht nur konsequent, wenn der experimentierfreudige Hessische Rundfunk nach dem unheimlichen (und ziemlich schrägen) Murot-"Tatort: Das Dorf" nun mit "Fürchte dich" einen echten, ja den allerersten Horror-"Tatort" überhaupt gedreht hat.
Eines darf man schon vor Ausstrahlung getrost behaupten: So viele Schreckensschreie wie während dieses Films dringen wohl selten aus deutschen Wohnzimmern, zumindest nicht am Sonntagabend. Regisseur Andy Fetscher, der zusammen mit Christian Mackrodt auch das Drehbuch verantwortet, hat kurz vor Halloween einen Krimi wie eine Geisterbahnfahrt inszeniert. In diesem "Tatort" spukt es, und das gewaltig.
Mittendrin in all dem Grusel steht die arme Fanny (Zazie de Paris), die miterleben muss, wie der greise Otto Schlien (Axel Werner) plötzlich in ihr schönes, altes Haus eindringt, in der Hand einen Benzinkanister. Bevor der alte Mann sich und das Haus anzünden kann, wird er von zwei Geisterhänden zurück in den Garten gezogen. "Tu ihr nicht weh", brabbelt er noch ins Ohr des herbeigeeilten Kommissars Paul Brix (Wolfram Koch), und starrt, bevor er ins Krankenhaus gebracht wird, verdächtig in Richtung Dachboden. Dort findet Brix unter Holzbohlen die Überreste eines Mädchens.
Vor 60 Jahren muss sie verstorben sein, ergibt die Untersuchung der Rechtsmedizin. Zusammen mit Merle (Luise Befort), der Enkelin des wirren Alten, wühlt Brix in den Archiven und fördert allerlei Seltsamkeiten zutage. Das alte Anwesen, in dem er und Fanny wohnen, war einst ein Waisenhaus. In den 50er-Jahren, so steht es in vergilbten Zeitungsartikeln, kam die Heimleitung ums Leben. Unter mysteriösen Umständen, versteht sich.
"Heute Nacht erzähle ich Ihnen von einem der unheimlichsten Kriminalfälle meiner bisherigen Laufbahn", hatte Kommissarin Anna Janneke (Margarita Broich) zu Beginn dieses Films aus dem Off geraunt. Und tatsächlich ist "Fürchte dich" wohl der mysteriöseste aller bisherigen "Tatorte". Und einer der lustigsten. Denn ernst nehmen darf (und soll) man hier nichts. Überall hängen Spinnweben herab, steigt Nebel auf, springen verzerrte Fratzen vor die Kamera. Irgendwann kriecht Fanny gar mit glühenden Augen durch ihr in Flammen stehendes Haus und fordert ein Menschenopfer.
Auf eine Erklärung für das ganze Horrorspektakel wartet man vergeblich, aber egal. Horror-Trash, und nichts anderes ist dieser Film, muss sich nicht rechtfertigen. Wenn es spukt, dann spukt es eben. Dass "Fürchte dich" eigentlich gar kein "Tatort" mehr ist – geschenkt. Denn so viel Spaß macht der Sonntagskrimi selten.