Strangulation statt Applaus: In ihrem fünften gemeinsamen Fall müssen sich die Dresdner Ermittler Gorniak, Winkler und Schnabel um den Mord an einem Rettungssanitäter kümmern. Steht der Tod des Helfers für eine zunehmende Verrohung der Gesellschaft?
Im neuen Dresdner "Tatort" ist nicht nur das Wetter nasskalt und ungemütlich. Die Corona-Ausbreitung begann hierzulande kurz nach Start der Dreharbeiten am 1. März 2020. Der Film musste für viele Wochen unterbrochen werden. Fast schon prophetisch sorgt im Drehbuch eine Grippe-Epidemie dafür, dass sich Sachsens Hauptstadt in ein Siechenlager verwandelt. Dazu ermitteln die Kommissarinnen Gorniak (Karin Hanczewski) und Winkler (Cornelia Gröschel) nach ihrem wunderbaren Geisterfall "Parasomnia" in einem erschreckend gewalttätigen Klima menschlicher Kälte: Am Elbufer wurde Rettungshelfer Tarik Wasir (Zejhun Demirov) im Fahrzeug mit einer Plastiktüte erstickt. Seine junge Kollegin Greta Blaschke (Luise Aschenbrenner) hatte sich während der Tat um eine Obdachlose gekümmert. Ihre Sicht auf Rettungswagen und Mord war jedoch durch einen Brückenpfeiler verdeckt.
Noch von ihrer Grippe-Erkrankung und dem Messerangriff auf sie gezeichnet, beginnt Karin Gorniak mit den Ermittlungen. Sie und ihre manchmal so herrlich verdruckste Kollegin Leo Winkler – ein Zustand, den Cornelia Gröschel wunderbar subtil zu spielen weiß – tragen in dieser Folge einen lange Zeit nicht ausgesprochenen Konflikt mit sich herum. Die Frage: Warum hat Leo die schwerverletzte Karin nie im Krankenhaus besucht? Im Lauf des Films raufen sich die beiden Frauen wieder zusammen und begutachten unter der Leitung ihres Chefs Schnabel (Martin Brambach) die Einsatzleitstelle des Rettungswagens. Wer könnte dem Opfer, einem gut integrierten Syrer, schaden wollen? Oder hat es jemand auf das gesamte Team oder gar einen Berufsstand abgesehen?
Letztere Theorie verdichtet sich, als ein zweiter Anschlag auf ein Rettungsteam verübt wird. Ab sofort müssen die Rettungshelfer von Polizeibeamten geschützt werden. Was Gorniak und Winkler bei ihren Blaulichtfahrten zu "Tatorten" der etwas anderen Art erleben, hätten sie sich so nicht vorgestellt. Oft begeben sich die Sanitäter während ihrer Einsätze selbst in große Gefahr – und das auch ganz ohne irren Sanitäter-Killer. Offenbar kanalisiert sich der Hass einer zunehmend gewaltbereiten Gesellschaft ausgerechnet auf jene, die zum Helfen gekommen sind. Für Mitarbeiter wie die alleinerziehende Greta ist dies nur schwer zu ertragen. Die junge Frau sucht dringend nach Zerstreuung vom traumatisierenden Berufsalltag.
Man sollte nicht zu viel vorab wissen über diesen Krimi, den mit der 1988 geborene Regisseurin Isabel Braak ("Bonusfamilie") und Drehbuchautor Christoph Busche ("Die Diplomatin: Tödliches Alibi") zwei "Tatort"-Novizen gezimmert haben. Auch wenn sich das Thema der Aggression, die sich in menschlichen Grenzsituationen fatalerweise auch auf jene überträgt, die nur zum Helfen gekommen sind, durch die knapp 90 Krimiminuten zieht – der Plot selbst ist ebenso klug wie spannend aufgebaut, inklusive dem ein oder anderen gelungenen Überraschungs-Twist.
Nach der stimmig inszenierten, aber natürlich umstrittenen Geister-Folge "Parasomnia", die das mittlerweile regelmäßig fürs Dresdner Kommissariat arbeitende Grimmepreis-Duo Erol Yesilkayav (Drehbuch) und Sebastian Marka (Regie) lieferte, geht es diesmal sehr viel bodenständiger, aber kaum weniger grimmig zu. Tatsächlich fragt man sich, was gruseliger ist: Untote im Dresdner Spukhaus oder blutend prügelnde Verletzte auf den Straßen der Sachsen-Metropole. So oder so, der fünfte gemeinsame Fall von Gorniak, Winkler und Schnabel weiß zu überzeugen. Der "Tatort"-Standort Dresden ist weiter im kreativen Aufwind.
Tatort: Rettung so nah – So. 07.02. – ARD: 20.15 Uhr