Wer Alpen sagt muß auch Bauer sagen
13.06.2025 • 22:15 - 23:15 Uhr
Natur + Reisen, Tourismus
Lesermeinung
Strohballentransport auf einem holprigen Forstweg im bayerischen Alpenland 1974.
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Für neue Forstwege werden Bäume gefällt. Zwei Holzfäller bei der Arbeit in einem Bergwald in den Alpen 1974.
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Das Kuhglockenspiel wird von vielen Händen bedient, 1974.
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Zitherspieler im bayerischen Alpenland vor Bergpanorama 1974.
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Originaltitel
Wer Alpen sagt muß auch Bauer sagen - Bemerkungen über eine Urlaubslandschaft
Produktionsland
D
Produktionsdatum
1974
Natur + Reisen, Tourismus

Wer Alpen sagt muß auch Bauer sagen

Der Film fängt so massiv idyllisch an, dass man gleich von Beginn an der Idylle nicht über den Weg traut: Horst Stern filmt Bauern, die Kühe über eine Wiese führen und mitten in der Wiese sitzt ein Musikant an einem Tisch und jodelt und spielt auf der Zither. Die nächste Einstellung macht dann endgültig klar, welche Färbung der Film des berühmten Horst Stern aus dem Jahr 1974 über den bayerischen Alpenraum hat: Touristen stehen irgendwo vor Bild- und Tonautomaten, um sich, die Stirn an den Automaten gepresst, anzuschauen und anzuhören, was Bayern ist. Die Stimme von Horst Stern meldet sich erst mit dem Blick aus dem Hubschrauber auf eine Alpenlandschaft: "Es ist endlich der oft gesungene und noch öfter gedruckte Irrtum auszurotten, der Alpenraum sei noch so etwas wie unberührte Ur-Natur. Das Gegenteil stimmt." Und noch typischer für Horst Stern ist dann die Texteinblendung zum angehaltenen Film, auf dem gerade im Großbild das Maul einer Kuh zu sehen ist: "Die Alpenlandschaft in ihrem harmonischen Wechsel zwischen Wald und Weide ist nicht das Handwerk Gottes, sondern das Maul-Werk der Kuh." Das, was auf diese Weise entstanden ist, findet auch Stern sehr, sehr schön: eine Kulturlandschaft. Aber die Menschen sind nun dabei, genau diese zu zerstören und so fragt Stern bereits 1974, ob der Almbauer in Zukunft etwa ein staatlich bezahlter Landschaftspfleger sein soll, damit der Alpentourismus in Schwung bleibt. Der Zusammenhang zwischen existenzfähigem Bergbauerntum und intakter Kulturlandschaft einerseits und leerstehenden Almhütten und Schlammlawinen andererseits wird von Stern klar benannt. Auch von Ökologie spricht er bereits und davon, dass es da einen Konflikt gibt zwischen denen, die die Landschaft langfristig erhalten wollen und denjenigen, die im Sinne des Tourismusgeschäfts kurzsichtig das Kitschpostkartenbild aufrechterhalten wollen. Kleine Bergbäche, die sich nach Starkregen aufgrund von Fichtenmonokulturen in den Bergen künftig in reißende Ströme verwandeln, prognostizierte Stern ebenfalls. Mehrfach von Stern ins Bild gesetzt wird darüber hinaus auch der noch recht junge Hubert Weinzierl, damals schon Vorsitzender vom Bund Naturschutz in Bayern, der für eine vernünftige, an der Ökologie orientierte Weiterentwicklung des Bergbauerntums plädiert. Interessanterweise kommt auch hier der Jachenauer Bürgermeister vor, der sich mit Erfolg gegen einen Ausverkauf der Landschaft in der Jachenau wehrt. Und die Kritik von Horst Stern an den architektonischen Auswüchsen des Baubooms im Alpenbereich erinnert sehr an die Filme von Dieter Wieland. Bezüglich der Zukunft der Sennerinnen und Senner irrte sich Stern allerdings gewaltig, als er sagte: "Hier herauf auf die Alm bringt man niemanden mehr, der sein Leben noch vor sich hat." Das heutige Sennerinnen- und Sennerwesen beweist das Gegenteil. Am Ende blendet Horst Stern erneut einen Text ins eingefrorene Bild ein, ein wahres Menetekel: "Wo der Bauer geht, kommt in den Bergen der düstere Fichtenwald. Im Tal kommt die lärmige Stadt. Erst geht die Kuh, dann geht der Gast. Wen soll man dann noch melken?" Fazit heute, 45 Jahre später: Dieser Prozess ist bis heute nicht abgeschlossen.

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