Mit seinem überaus mitreißenden Hackerthriller "Who Am I – Kein System ist sicher" setzt Regietalent Baran bo Odar neue deutsche Filmmaßstäbe.
Es gibt nur wenige wirklich gelungene Filme mit sogenannten unzuverlässigen Erzählern. Also jenen, die den Zuschauer täuschen wollen, aus welchen Gründen auch immer. "Fight Club", "Die üblichen Verdächtigen" oder "The Sixth Sense" zählen dazu – und seit 2014 auch der Cyberthriller "Who Am I – Kein System ist sicher" von Baran bo Odar. Bei diesem deutschen Film, den das ZDF jetzt wiederholt, stimmt neben der packenden Story, an der der Regisseur auch mitschrieb, tatsächlich einmal alles: die Performance der großartig gecasteten Schauspieler, der treibende Electro-Filmscore von Boyz Noize und Royal Blood, die ungewöhnliche Kameraarbeit und nicht zuletzt der herausragende Schnitt.
"Hacken ist wie Zaubern, bei beidem geht es darum, andere zu täuschen", sagt der im wahren Leben völlig unscheinbare Benjamin (Tom Schilling) beim Verhör durch die Cybercrime-Ermittlerin Hanne Lindberg (Trine Dyrholm) von Europol. Er erzählt ihr in Rückblenden, wie er in seine jetzige Situation gekommen ist: der meistgesuchte Hacker der Welt zu sein.
Sein einsiedlerisches Leben verlief bis vor Kurzem alles andere als rosig: Aufgewachsen ist Benjamin bei der Oma, da der Vater abgehauen ist und die Mutter sich umgebracht hat, als er noch ein Kind war. Als er zufällig seine alte Jugendliebe, die attraktive Marie (Hannah Herzsprung) wieder trifft, will er sie beeindrucken, indem er für die Studentin heimlich den Uniserver hackt. Doch das Einzige, was dabei herauskommt – nachdem er erwischt wurde -, sind Sozialstunden, die er gemeinsam mit dem vor Selbstbewusstsein strotzenden Frauenheld Max (Elyas M'Barek) ableistet.
Die beiden Typen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, eint die Leidenschaft für das Hacken und ihre Verehrung für den geheimnisvollen Superhacker MRX. Gemeinsam mit dem hemmungslosen Stephan (Wotan Wilke Möhring) und dem misstrauischen Paul (Antoine Monot, Jr.) gründen sie die anarchistische Hackergruppe "Clowns Laughing @ You", kurz "CLAY".
Gebannt und amüsiert wie bei einem klassischen Heist-Movie verfolgt man die ersten Aktionen der Truppe, die sich getreu dem Motto "die größte Sicherheitslücke ist der Mensch" auf das sogenannte Social Engineering verlegt – sie täuschen andere, um sich vor Ort Zugang zu Rechnern und Servern zu verschaffen. Man befürwortet ihren harmlosen Anschlag auf ein Pharmaunternehmen, das im großen Stil Tierversuche unternimmt. Doch dann legen sie sich mit einem mächtigen, vielleicht zu mächtigen Gegner an, dem Bundesnachrichtendienst.
Nikolaus Summerer, der auch bei Baran bo Odars Drama "Das letzte Schweigen" (2010) hinter der Kamera stand, fängt diese subversiven Aktionen in perspektivisch häufig ungewöhnlichen, später schnell geschnittenen Cinemascope-Bildern ein, die dem ganz großem Hollywood-Kino nicht nachstehen. Zudem zeigt er ein Berlin, dass die Bezeichnung Weltstadt auch verdient.