Wilde Maus
08.12.2019 • 23:50 - 01:28 Uhr
Spielfilm, Tragikomödie
Lesermeinung
prisma-Redaktion
Georg (Josef Hader)
Vergrößern
Vergrößern
Pia Hierzegger (Johanna).
Vergrößern
Denis Moschitto (Sebastian).
Vergrößern
Originaltitel
Wilde Maus
Produktionsland
A, D
Produktionsdatum
2017
Altersfreigabe
12+
Kinostart
Do., 09. März 2017
Spielfilm, Tragikomödie

Das Auf und Ab der Achterbahn

Von Gabriele Summen

Leider fährt Josef Hader in seinem Regiedebüt gelegentlich mit angezogener Handbremse, ein recht kurzweiliger Spaß ist seine "Wilde Maus" dennoch.

Die Verunsicherung des Mittelstandes durch Modernisierungsprozesse ist eine ernste Sache. Auch im Print-Journalismus wackeln Stühle, sind viele bürgerliche Existenzen bedroht. Dieses Thema in Händen des genialen österreichischen Kabarettisten Josef Hader zu wissen, der mit seinem Regiedebüt "Wilde Maus" sofort in den Wettbewerb der Berlinale 2017 einstieg, weckte eine Menge diebischer Vorfreude. Zumal Hader, der in Deutschland vor allem als Kabarettist und für seine Verkörperung des lakonischen Privatdetektivs Simon Brenner in den Verfilmungen der Wolf-Haas-Krimis bewundert wird, nicht nur das Drehbuch schrieb, sondern auch noch gleich die Hauptrolle übernahm. An seine Seite castete er sich seinen Landsmann Georg Friedrich, der auf derselben Berlinale den Darsteller-Bären bekam. Wenn auch für einen anderen Film. Die Komödie wird nun im Ersten erstmals im Free-TV gezeigt.

"Das wird Leserproteste geben", verkündet der für seine scharfen Verrisse bekannte Musikkritiker Georg (Josef Hader), als sein Chef Waller ("Tatort"-Ermittler Jörg Hartmann) ihn aus heiterem Himmel entlässt. Der seit 25 Jahren für die Wiener Tageszeitung schuftende Journalist ist finanziell nicht mehr tragbar. "Die meisten Ihrer Leser sind schon tot", erwidert der Chef perfide. Allein für diese oder die vorangegangene Szene, in der eine junge, aufstrebende Journalistin (Nora Waldstätten) und Georg saukomisch über Musik aneinander vorbeireden, lohnt sich der Film bereits.

PRISMA EMPFIEHLT
Täglich das Beste aus der Unterhaltungswelt bequem in Ihr Mail-Postfach? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter "PRISMA EMPFIEHLT" und erhalten ab sofort die TV-Tipps des Tages sowie ausgewählte Streaming- und Kino-Highlights.

Der Einstieg, der Auftakt zu Georgs persönlichem Waterloo, ist also gelungen. Doch rasch stellt man fest, dass die Tragikomödie zwar reich an bissigen Pointen und Dialogen ist, jedoch in der Personenzeichnung, vor allem aber an mutigen dramaturgischen Entscheidungen schwächelt. Kurz bevor man Haders Figuren wirklich ernst nehmen – und gleichzeitig schallend über sie lachen – könnte, scheint Regieneuling Hader die Handbremse zu ziehen und seine filmische Achterbahnfahrt wieder in sichere, leider tatsächlich recht deutsch wirkende Komödiengewässer zu leiten.

Aus der Bahn in die Achterbahn

Im titelgebenden Fahrgeschäft landet der schrullige Misanthrop recht schnell: Da sein verletztes männliches Ego es nicht zulässt, seiner Frau Johanna (Pia Hierzegger) von der Kündigung zu erzählen, verlässt er weiterhin jeden Morgen brav das Haus und treibt sich im Wiener Prater herum. Dort befreundet er sich mit seinem Schulkollegen Erich (Georg Friedrich), der ihn früher immer vermöbelt hat. Als auch der seinen Job verliert, beschließen die beiden gemeinsam die Prater-Achterbahn "Wilde Maus" zu übernehmen. Eine schöne Metapher für die Lebenslage, in der die aus der Bahn geworfenen Männer sich zurzeit befinden.

Georg Friedrich hätte man gar keine bessere Rolle auf den Leib schreiben können, als die eines Schaustellers mit rumänischer Freundin, deren Sprache er überhaupt nicht spricht. Nur schade, dass auch diese interessante Figur sich irgendwann einfach in Luft aufzulösen scheint.

Ein weiterer Handlungsstrang ist Georgs lauwarme Beziehung zu seiner Frau, einer Psychotherapeutin, bei der die biologische Uhr sehr laut tickt, weshalb er stets pünktlich zum Eisprung bei ihr antanzen muss. Sicher, auch diese Konstellation führt zu einigen köstlichen Szenen. Zumeist hat die recht spießige, schablonenhafte Beziehung der beiden aber eher einen lähmenden Effekt auf die schwarze Lebenskrisenkomödie, die der Zuschauer heimlich zu sehen wünscht. Und die im Stoff auch eigentlich angelegt ist.

Der wichtigste Motor in Georgs neuem Lebensabschnitt ist jedoch die Rache: Zerkratzt er zunächst nur den Porsche von seinem Ex-Chef, besorgt er sich schon bald eine 38er-Magnum. Das Ganze gipfelt in einer herrlich lächerlichen Prügelei, sowie einem von Kameramann Andreas Thalhammer wunderbar eingefangenen, absurden Selbstmordversuch, nackt im Schnee, bei dem Georg von zwei Traktorfahrern gestört wird. Da blitzt er kurz wieder auf, der Film, den man hätte sehen wollen. Doch leider ist Haders Regiedebüt nicht so wild geworden, wie man das von ihm erwartet hätte.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

Der Trailer zu "Wilde Maus"

Darsteller

Josef Hader in seinem Soloprogramm "Hader muss weg".
Josef Hader
Lesermeinung
Jörg Hartmann als MfS-Mitarbeiter in "Weißensee"
Jörg Hartmann
Lesermeinung
Dennis Moschitto in Fatih Akins "Der Name Murat
Kurnaz"
Denis Moschitto
Lesermeinung

Top stars

Das beste aus dem magazin

Harald Lesch im Interview.
HALLO!

Harald Lesch: "Ein kapitalistisches Weltbild hingegen gefährdet unsere Lebensbedingungen"

Harald Lesch bringt seit Jahren dem TV-Publikum unsere faszinierende Welt und wissenschaftliche Erkenntnisse näher. Im Interview spricht der Astrophysiker unter anderem über kommende Generationen, seine Lehrtätigkeit in München und wie Religion und Wissenschaft für ihn zusammenpassen.
Das „phaeno“ in Wolfsburg.
Reise

Wenn Architektur eine Stadt verändert

Viele Museen sind von außen genauso imposant wie von innen. Ein gutes Beispiel ist das Guggenheim-Museum, das in Bilbao zu einem wirtschaftlichen Boom geführt hat. Doch nicht nur die nordspanische Stadt profitiert vom „Bilbao-Effekt“.
Dr. Julia Fischer moderiert montags die SWRGesundheitssendung „Doc Fischer“, ist Buchautorin („Medizin der Gefühle“) und medizinische Expertin in Talkshows wie „hart aber fair“ (ARD). Als Host des neuen ARD Gesund Youtube-Kanals erklärt sie anschaulich medizinische Themen.
Gesundheit

Demenz verhindern – durch die richtige Prävention

Die Diagnose Demenz ist ein Schock für Betroffene. Doch mindestens ein Drittel aller Fälle könnte verhindert werden – mit der richtigen Prävention. Dr. Julia Fischer gibt in der Arzt-Kolumne Informationen und Ratschläge zum Thema.
Claudia Michaelsen ist als "Polizeiruf 110"-Kommissarin zu sehen.
HALLO!

Claudia Michelsen: "Es geht um zunehmend verloren gehende Empathie"

"Polizeiruf"-Kommissarin Claudia Michelsen spricht im Interview über ihre Figur, Moral in Krimis und ihre kommenden Projekte.
Stefan Fink ist Leiter einer Apotheke in Weimar 
und Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands des Deutschen 
Apothekerverbands.
Weitere Themen aus dem Magazin

Haarausfall – was hilft?

Stefan Fink ist Fachmann für das Thema Haarausfall. In der Arzt-Kolumne gibt der Apotheker Tipps für eine Behandlung.
Michael Kaeshammer ist ab Mitte Mai auf Deutschland-Tournee.
Weitere Themen aus dem Magazin

Michael Kaeshammer: „Wenn man nichts zu sagen hat, kann man nichts Echtes kreieren“

Michael Kaeshammer füllt in Nordamerika große Säle und hat im kanadischen TV sogar seine eigene Kochshow namens „Kaeshammer‘s Kitchen“. Seine Musik, natürlich vom Jazz beeinflusst, vereint Pop, Blues und Rock’n‘Roll - und überzeugt nicht zuletzt durch Kaeshammers einzigartigen und mitreißenden „Crossover Style“. Mit seinem neuen Album „Turn It Up“ möchte der gebürtige Offenburger, der in jungen Jahren ausgewandert ist, auch in Deutschland den Durchbruch schaffen. prisma hat mit dem Musiker gesprochen.