Wo wir sind, ist oben
14.06.2024 • 23:35 - 00:20 Uhr
Serie, Comedyserie
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Produktionsland
D
Produktionsdatum
2024
Serie, Comedyserie

Die Strippenzieher Berlins: So also funktioniert Demokratie

Von Eric Leimann

Die konkurrierenden Lobbyisten Max (Helgi Schmid) und Valerie (Nilam Farooq) sind die Besten ihres Fachs. Die Ergebnisse des Berliner Politikbetriebs regeln sie quasi unter sich. Die ARD Serie (Start: 14.6.) strotzt vor Ideen und klugen Wortgefechten, ist aber auch gefährlich.

"Unmöglich für Lobbyisten ist nur die Resignation", sagt Top-Politberater Max Lentor (Helgi Schmid) in Folge zwei der insgesamt achtmal 45 Minuten langen Dramedy "Wo wir sind, ist oben" (ab 14. Juni, auch in der ARD Mediathek). Laut einer Auswertung des Lobbyregisters von 2022 – immerhin gibt es so etwas – kommen in Berlin rund 45 Lobbyisten auf jeden der gegenwärtig 736 Bundestagsabgeordneten. Unter jenen rund 33.000 Politikmachern im Hintergrund sind besagter Max und seine neu aus Brüssel in die Berliner Szene gekommene Valerie (Nilam Farooq) absolute Top-Player. Kein Thema, das sie nicht im Auftrag von Politikern, Parteien, Interessensverbänden oder der Industrie in ihrem Sinne verändern könnten.

Die Serie beginnt mit einem Job, den Max für die Öko-NGO von Dr. Bea Brandstätter (Katharina Schmalenberg) abwickeln soll. In einer Fernsehdiskussion will die Aktivistin im Streitgespräch mit dem Industrieverband, vertreten durch Arie Merzen (Simon Pearce), die Anhebung der Grenzwerte von Verhütungsmitteln im Trinkwasser verhindern. Merzen wird selbstverständlich von Berlin-Newcomerin Valerie vertreten. Doch es gibt viele weitere Themen, mit denen der altgediente Drehbuchautor Christian Jeltsch in seiner Polit-Dramedy teilweise parallel, teilweise in späteren Folgen jongliert. Es geht um den Stopp des Braunkohleabbaus in der Lausitz, androide High-Tech-Roboter in der Pflege oder auch die Weichenstellung für eine nächste Kanzlerschaft, für die sich zwei Bewerber per Image-Kampagne in Position bringen wollen.

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Künstliche Figuren oder einfach nur Screwball?

Die Serie, deren schnelle Wortgefechte geistreich und klug geschrieben sind, wurde ursprünglich unter dem Namen "Public Affairs" von Sky Deutschland in Auftrag gegeben. Als sich der Streamingdienst überraschend aus der Fiction-Produktion zurückzog, wurde das Projekt von der ARD Mediathek übernommen. Das ist auch gut so, denn dieses Politbetrieb-Stück ist ebenso klug wie unterhaltsam.

Noch an Sky erinnern vielleicht der moderne Soundtrack von Electroswing Pionier Parov Stelar, die soghafte Kameraarbeit von Ahmet Tan und Felix Striegel oder auch die Tatsache, dass man zwei hochattraktiven Hauptdarstellern bei einer deutschen Screwball-Comedy zuschauen darf. Selbstverständlich bekriegen sich Valerie und Max nicht nur, sondern es wird auch mit ihrer gegenseitigen Gravitation gearbeitet. Und da selbst PR-Maschinen wie diese beiden ein Privatleben brauchen, sieht man Valerie schon auch mal beim polyamourösen Sex zu oder verfolgt Max' Liebe zu seiner kleinen, ungewollt schwanger gewordenen Schwester (Valerie Stoll) oder die Beziehung zu seinen entfremdeten Eltern (Claudia Geisler-Bading, Thorsten Merten).

Nicht alles an "Wo wir sind, ist oben" ist zu einhundert Prozent geglückt. So hat man bei den pfeilschnellen Wortgefechten das Gefühl, dass beinahe jeder Satz eine Pointe oder geistigen Geniestreich enthalten muss. Einerseits ist dies sehr unterhaltsam, andererseits kommt man den Figuren damit nicht ganz so nahe, als wenn sie etwas menschlicher und damit realistischer gezeichnet worden wären. Vielleicht ist diese Künstlichkeit aber auch gewollt und einfach das Wesen des Screwball-Ansatzes in Verbindung mit einem deutschen Bildungsauftrag: Erkläre, wie Lobbyismus funktioniert und verbinde dies mit sprachlich – und optisch – reizvoller Unterhaltung!

Gefährliches Bloßstellen der Demokratie?

Dem Politikbetrieb und damit auch ein bisschen unserer Demokratie stellt die Serie jedoch kein gutes Zeugnis aus. Wenn Max bei seinem entrückten Agenturchef Jan Janussen (Jan Gregor Kremp) an dessen Floating-Tank anklopft, worin dieser wegweisende Reden von Willy Brandt und Co. hört, lernt man vor allem eines: Ein guter Lobbyist erreicht am Ende alles, was er will, und die gewählten Volksvertreter wie Parteien sind am Ende nur die sichtbaren Rädchen eines Systems, in dem Andere die Entscheidungen treffen. Sicher ist diese Analyse nicht immer falsch, aber Politikverdrossenheit und Demokratiemüdigkeit wird letztlich auch von Serien wie dieser weiter gefördert.

Im linearen Fernsehen zeigt das Erste die erste vier Folgen direkt hintereinander am späten Abend. weiter geht es am Samstag, 15. Juni, 0.35 Uhr.

Wo wir sind, ist oben – Fr. 14.06. – ARD: 23.35 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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