Kultur, Film + Theater
unicato
Chemnitz ist Kulturhauptstadt Europas 2025. Unter dem Motto "C - The Unseen" werden Erwartungen geweckt, vor allem an das Unbekannte, das Überraschende, das bislang Ungesehene. Das Kurzfilmformat "unicato" greift dieses Thema auf und entdeckt Chemnitz als einflussreiche, aber wenig beachtete Filmstadt. Bereits in den 1980er-Jahren fand in Karl-Marx-Stadt kurzzeitig das Nationale Spielfilmfestival statt. Ein Ereignis, das der Stadt den ironischen Spitznamen "Cannes der DDR" einbrachte. Dennoch verbindet man mit dem Begriff Filmstadt eher Orte wie Hollywood in Los Angeles, Cinecittà in Rom oder die Babelsberger Studios in Potsdam. Letztere wurden 1912 vom Chemnitzer Filmpionier Guido Seeber mitbegründet, der gemeinsam mit seinem Vater Clemens Seeber maßgeblich zur Entwicklung moderner Filmkameras beitrug. Ein frühes Beispiel für den prägenden Einfluss Chemnitzer Persönlichkeiten auf die deutsche Filmlandschaft. Heute ist die Chemnitzer Filmwerkstatt die wichtigste Filmchronistin der Kultur- und Stadtgeschichte. Der Verein entstand aus einem Jugendaustausch mit Manchester und wurde 2021 mit dem DEFA-Nachwuchspreis ausgezeichnet. Die Verbindung der beiden Partnerstädte reicht von ihrer industriellen Vergangenheit über himmelblaue Fußballtrikots bis hin zu einem Brüderpaar mit gemeinsamer Band. Die aktuelle "unicato"-Sendung zeigt unter anderem Peter Badels Dokumentarfilm "Komme gleich wieder", der den industriellen Umbruch der Stadt in den frühen 1990er-Jahren am Beispiel der "Rudolf Harlaß"-Gießerei nachzeichnet. Als Kameradozent half er der Filmwerkstatt bei ihrer Gründung. Auch Beate Kunath, ebenfalls Mitgründerin der Filmwerkstatt und prägende Stimme der queeren Filmszene in Ostdeutschland, ist mit dem Kurzfilm "Im Sommer sitzen die Alten" vertreten. Sie gründete das erste schwul-lesbische Filmfestival der Stadt und gewann 2001 den Teddy Award der Berlinale. Jonas Erler verarbeitet in "Der Junge mit dem Perlenohrring" persönliche Erfahrungen mit Ausgrenzung und thematisiert die "Provinz-Flucht" junger Menschen nach Berlin. Sophie Mühe begleitet in "Social Club" den Chemnitzer Fanclub "Athletic Sonnenberg", der mit kreativen Choreografien gegen rechte Strukturen im Fußballumfeld antritt. Filme der Sendung: "Social Club" von Sophie Mühe (Dokumentarfilm, DE 2024, 9 Min) Diesmal sind wir nicht auf dem Feld, sondern am Spielfeldrand. Der Fanclub des Athletic Sonnenberg aus Chemnitz unterstützt nicht nur das Team, sondern bricht, wie der Klub auch, bewusst mit traditionellen Klischees der Fanszene. "Komme gleich wieder" von Peter Badel (Dokumentarfilm, DE 1993, 43 Min) Die alte Harlaß-Gießerei in Chemnitz steht seit vielen Jahren leer und soll nun gesprengt werden. Doch in ihr findet man Wandgemälde aus der Chemnitzer Gründerzeit. Die Sprengung wird gestoppt. Stattdessen treffen sich die ehemaligen Arbeiter und Arbeiterinnen in den leeren Hallen und erzählen ihre Geschichten vom Alltag in der Gießerei. "Im Sommer sitzen die Alten" von Beate Kunath (Kurzspielfilm, DE 2009, 23 Min) Petra ist Filmemacherin. Der Tod ihrer Großmutter Magdalena, die Gespräche mit deren Lebensgefährtin Gertrud, ein Koffer ihrer Großmutter und die darin enthaltenen Gegenstände inspirieren sie zu einem Gedicht. Sie bewahrt ihre Erinnerungen, indem sie dieses Gedicht mit schwarz-weiß Bildern verfilmt. "Der Junge mit dem Perlenohrring" von Jonas Erler (Kurzspielfilm, DE 2023, 9 Min) Der Junge ist mit seiner Umgebung vertraut, der Alltag erzählt sich von selbst. Sein Weg ist linear und ohne Abzweigung. Doch langsam schleichen sich Zweifel in sein Bewusstsein. Gäste der Sendung: Wir begegnen im Industriemuseum Chemnitz dem Mitbegründer der Chemnitzer Filmwerkstatt Ralf Glaser sowie dem Kameramann und Regisseur Peter Badel. Seit den frühen 1980er-Jahren realisiert Badel Dokumentarfilme und begleitet Menschen, deren Geschichten selten im Rampenlicht stehen. Einfühlsam, präzise und stets auf Augenhöhe. Er arbeitete unter anderem mit Thomas Heise und Peter Kahane. Sein Film "Komme gleich wieder" porträtiert Menschen und ihre Arbeit in einer ehemaligen Chemnitzer Gießerei. "unicato"-Moderator Markus Kavka trifft Beate Kunath in der Chemnitzer Filmwerkstatt. Kunath zählt zu den prägenden Stimmen der queeren Filmszene in Ostdeutschland. Ihr Kurzfilm "Im Sommer sitzen die Alten" verbindet poetische Bildsprache mit präziser gesellschaftlicher Beobachtung und eröffnet Einblicke in weibliche Lebenswelten älterer Menschen. Jonas Erler, Filmemacher und Fotograf, studiert derzeit an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Dort sprechen wir mit ihm über seinen Kurzfilm "Der Junge mit dem Perlenohrring", der das Gefühl von Enge und Orientierungslosigkeit in der sächsischen Provinz einfängt. Ein Zustand, der viele junge Menschen zum Weggehen bewegt hat. Mit einem sensiblen Blick porträtiert Jonas eine Generation zwischen Aufbruch und Stillstand. Zu Gast sind auch Regisseurin Sophie Mühe und Kamerafrau Nina Moog. Ihr Dokumentarfilm "Social Club" begleitet den Fanclub des Sportvereins "Athletic Sonnenberg", der mit kreativen Choreografien gegen tradierte Strukturen im Fußballumfeld antritt. Auf dem Sportplatz der TU Chemnitz sprechen wir mit den beiden Filmemacherinnen über Empowerment, Sichtbarkeit und die Kraft kollektiver Bewegung.