16.07.2015 prisma-Serie: Schmerz - Teil 1

Vorwärts im aufrechten Gang!

Auch ein bildschöner Rücken kann Beschwerden machen.
Auch ein bildschöner Rücken kann Beschwerden machen. Fotoquelle: Piotr Marcinski/shutterstock.com

An diesem Leid kommt fast niemand vorbei: Acht von zehn Deutschen haben irgendwann in ihrem Leben Probleme mit Rücken und Nacken. "Ich habe Rücken", machte es Komiker Hape Kerkeling populär. Bei vielen Menschen zieht und zwickt es, bei manchen steigern sich die Beschwerden jedoch zur Tortur.

Die Natur und die Zeit sind die größten Freunde des Rückenpatienten

Spätestens dann ist Schluss mit lustig. Diese Patienten haben es mit dauerverspannter Muskulatur, verschlissenen Wirbeln oder vorgewölbten Bandscheiben zu tun. Oft liegen die Ursachen auch ganz woanders. Rückenschmerzen können als Begleiterscheinung von Nervenleiden, Kieferfehlstellung und Tumoren auftreten, häufig signalisieren sie Stress und seelische Belastungen.

Die Vielzahl möglicher Ursachen macht den richtigen Umgang mit Rückenschmerzen schwer. Die Behandlungsoptionen reichen von der sanften Schmerzsalbe bis zur risikoreichen Operation. Sicher ist nur, dass so manche Weisheit vergangener Tage als Unfug entlarvt ist. "Ruhe ist die beste Medizin", "im Alter werden Rückenprobleme stärker", "harte Matratzen sind besser für den Rücken als weiche"- Dogmen dieser Art gehören der Vergangenheit an.

Längst hat sich herumgesprochen, dass Schonung in den meisten Fällen Gift für den lädierten Rücken ist. "Rückenbeschwerden gehören zum Leben wie eine Erkältung", bringt es Sportmediziner Ingo Froböse auf den Punkt - sie kommen und gehen. Schonung hieße, die Schmerzursache, den Bewegungsmangel, zu verstärken. "Regelmäßige Bewegung im Alltag, leichter Sport oder gezieltes Rückentraining im Fitnessstudio ist das A und O, um Rückenschmerzen loszuwerden bzw. vorzubeugen", rät prisma-Kolumnist Dietrich Grönemeyer. Bewegung sorgt dafür, dass sich die Bandscheiben mit Wasser und Nährstoffen vollsaugen und unterstützt die Kräftigung der Rückenmuskulatur.

Auch in Fällen hartnäckigen Schmerzes vollzieht sich ein Umdenken. In solchen Fällen greifen Chirurgen nach Meinung von Experten immer noch viel zu häufig zum Skalpell. Dagegen behauptet der Münchner Wirbelsäulenspezialist Martin Marianowicz: Viele Rückenoperationen sind überflüssig! "90 Prozent aller durch Bandscheibenvorfälle und ähnliche Beeinträchtigungen hervorgerufener Schmerzen klingen durch eine konservative Behandlung binnen sechs bis zwölf Wochen ab", ist er überzeugt. "Also ohne große Operation, eventuell in Verbindung mit einer Schmerztherapie."

Allerdings hinkt der Alltag in unseren Kliniken dieser Erkenntnis noch weit hinterher. 400.000 Rücken-OPs werden jedes Jahr vorgenommen, Tendenz steigend.

"Die Natur und die Zeit sind die größten Freunde des Patienten und die größten Feinde der Operation", sagt Orthopäde Marianowicz. Soll heißen: Vor Schmerzlinderung und Heilung steht viel Geduld - bei Patient und Arzt. Dazu gehört die gründliche Anamnese. "Genaues Lokalisieren des Schmerzes, berufliche Belastung, Stressfaktoren und etwaige Vorerkrankungen des Betroffenen, alles muss auf den Tisch." Erst wenn abgestufte Maßnahmen wie Muskeltraining, Physiotherapie und herkömmliche Schmerzmittel nicht helfen, greift der Rückenspezialist zu speziellen Injektionen. Sie werden unter Einbeziehung bildgebender Verfahren direkt an die Nervenpunkte gesetzt. "So haben wir absolute Sicherheit, dass wir keine Verletzungen herbeiführen, und dass die Medikamente genau an die Stelle kommen, wo sie hingehören."

Heftige Rückenschmerzen sind ein komplexes Krankheitsgeschehen, das eines ganzheitlichen Behandlungskonzepts bedarf. Vom Hausarzt über den Orthopäden bis zum Sporttherapeuten müssen zahlreiche Disziplinen zusammenwirken. Allerdings ist auch der Betroffene gefragt, betont Rückenspezialist Grönemeyer: "Wer früh etwas für seinen Rücken tut, kann Haltung bis ins Alter bewahren!"

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