prisma: Was macht für Sie den Reiz von Wildfleisch aus?
Helmut Dammann-Tamke: Wildfleisch vereint mehrere Qualitäten, die heute gefragter sind denn je: Es stammt von Tieren, die ein vollkommen natürliches und selbstbestimmtes Leben in freier Wildbahn geführt haben. Das Fleisch ist mager, proteinreich und reich an wertvollen Omega-3-Fettsäuren. Gleichzeitig ist jedes Stück Wildbret ein regionales Lebensmittel mit kürzesten Transportwegen. Für mich persönlich kommt noch der kulturelle Aspekt hinzu: Wildfleisch verbindet uns mit der Natur und ist die älteste und nachhaltigste Form der Fleischgewinnung. Unsere Vorfahren waren schon immer Jäger und Sammler. "
Welche Rolle haben die Jäger in Feld und Wald heute inne?
Helmut Dammann-Tamke: Jägerinnen und Jäger übernehmen eine zentrale Aufgabe im Wildtiermanagement und im Naturschutz. Sie regulieren Wildbestände und verhindern und reduzieren damit Wildschäden in der Land- und Forstwirtschaft – übrigens mit staatlichem Auftrag. Gleichzeitig sorgen sie für den Erhalt gesunder und artenreicher Wildtierbestände in unserer ausgesprochenen Kulturlandschaft. Darüber hinaus leisten Jäger wichtige Beiträge zum Artenschutz, zum Erhalt von Lebensräumen und zur Verkehrssicherheit. Die Jagd ist also weit mehr als Fleischgewinnung – sie ist aktive Ökosystem-Pflege.
Welche Faktoren treiben die zunehmende Beliebtheit von Wildfleisch voran?
Helmut Dammann-Tamke: „Wir beobachten ein wachsendes Bewusstsein für Herkunft und Qualität von Lebensmitteln. Verbraucher hinterfragen zunehmend industrielle Tierhaltung und suchen nach Alternativen. Wildfleisch bietet genau das: maximales Tierwohl, regionale Herkunft, Nachhaltigkeit und gesundheitliche Vorteile. Auch der Trend zu „Nose-to-Tail“ und authentischer Küche spielt eine Rolle. Die Pandemie hat zudem das Interesse an regionalen Lieferketten verstärkt. Nicht zuletzt tragen engagierte Köche und Food-Blogger dazu bei, Wildbret aus der Nische zu holen.
Der DJV betont regionale Herkunft – wie unterstützen Sie Jäger bei der Vermarktung und was fehlt noch, um Wildfleisch über die Saison hinaus als Alltagsprodukt zu etablieren?
Helmut Dammann-Tamke: Der DJV bietet regionale Schulungen zur Wildbrethygiene, Vermarktung und Öffentlichkeitsarbeit an. Besonders erfolgreich sind die Initiativen unserer Landesjagdverbände: In Nordrhein-Westfalen etwa hat sich „Wildgenuss NRW“ als starke Marke etabliert, in Baden-Württemberg begeistern die WildRebellen mit innovativen Konzepten und modernem Marketing junge Zielgruppen für Wildbret. Solche regionalen Netzwerke verbinden Jäger mit Verbrauchern und schaffen Vertrauen. Was noch fehlt, sind flächendeckende Kühllogistik-Lösungen und mehr zertifizierte Wildverarbeitungsbetriebe. Auch die Verfügbarkeit muss planbarer werden – Gefrierfleisch und Wildprodukte wie Wurst oder Fertiggerichte können hier helfen, Wildbret ganzjährig anzubieten. Regulatorische Erleichterungen für Kleinvermarkter wären ebenfalls wünschenswert.
Woher sollten die Verbraucher denn ihr Wildfleisch beziehen?
Helmut Dammann-Tamke: Am besten direkt vom Jäger oder über regionale Jäger-Netzwerke. Der DJV hat mit www.wild-auf-wild.de eine eigene Plattform geschaffen, die Verbrauchern den Zugang erheblich erleichtert. Dort findet man eine fortwährend aktualisierte Liste von Anbietern mit praktischer Postleitzahlensuche, pfiffige Rezeptideen für das ganze Jahr – vom Grill bis zum Sushi –, eine umfassende Warenkunde für Konsumenten sowie wertvolle Tipps für anbietende Jäger. Diese Plattform garantiert Transparenz, kurze Wege und direkten Kontakt zum Erzeuger. Auch spezialisierte Metzgereien, Hofläden und Wochenmärkte führen zunehmend Wildfleisch aus der Region.
Welche Hürden sehen Sie bei der steigenden Nachfrage, etwa bei Preisen, Verarbeitung oder Verbrauchervertrauen, zum Beispiel durch Wildkrankheiten, und wie könnte der Verband hier Politik oder Aufklärung einbringen?
Helmut Dammann-Tamke: Eine Herausforderung ist die schwankende Verfügbarkeit – Wild lässt sich nicht auf Bestellung produzieren. Bei der Verarbeitung fehlen regional Wildkammern und Verarbeitungsbetriebe. Beim Preis müssen Verbraucher verstehen, dass der höhere Preis die aufwendige Gewinnung und die Premium-Qualität widerspiegelt. Beim Verbrauchervertrauen setzen wir auf Aufklärung: Wildkrankheiten werden durch die intensive Schulung von Jägern im Rahmen ihrer Ausbildung und amtliche Fleischuntersuchung zuverlässig ausgeschlossen. Der DJV wirkt hier mit transparenter Kommunikation, Qualitätssiegeln und politischer Lobbyarbeit für bessere Rahmenbedingungen – etwa bei Förderung regionaler Verarbeitungsstrukturen.
Mit Trends zu gesünderer Ernährung und Regionalprodukten – wo sehen Sie Potenzial für Wildfleisch in der Lebensmittelindustrie, und wie könnte der DJV die Zusammenarbeit mit Metzgern oder Supermärkten ausbauen?
Helmut Dammann-Tamke: Heimisches Wildfleisch eignet sich nicht für den Verkauf in Supermärkten. Diese verlangen eine verlässliche und meist sehr hohe Abgabemenge. Dies ist durch die Saisonalität nicht zu garantieren. Doch Saisonalität ist kein Nachteil, sondern unterstreicht die Wertigkeit und Natürlichkeit dieses Lebensmittels – ähnlich wie bei Spargel oder Erdbeeren. Verbraucher schätzen zunehmend, dass nicht alles jederzeit verfügbar sein muss. Der DJV präsentiert Wildbret deshalb bewusst auf großen Publikumsmessen: Auf der „Internationalen Grünen Woche“ in Berlin erreichen wir jährlich Hunderttausende Besucher, und das „Wild Food Festival“ auf der „Jagd & Hund“ in Dortmund zeigt eindrucksvoll, wie vielseitig und modern Wildküche sein kann. Die Zusammenarbeit mit Metzgern können wir durch gemeinsame Qualitätsstandards, Schulungen und Marketing-Kooperationen weiter stärken. Regionale Partnerschaften und die Betonung der besonderen Herkunft sind der Schüssel.
Rezepte gibt es hier:
Noch mehr Infos zum Trend gibt es hier:
Du willst keine News mehr verpassen? Auf unserem WhatsApp-Kanal informieren wir dich über die Top-News aus der TV- und Streamingwelt!