Alfred Biolek im Interview

"Wovor soll ich Angst haben?"

29.01.2019, 06.08 Uhr
von Florian Blaschke

In mehr als 50 Jahren hat Alfred Biolek nicht nur das deutsche Fernsehen geprägt, sondern auch das Kochverhalten einer ganzen Nation. Mit "Die Rezepte meines Lebens" hat er nun so etwas wie ein kulinarisches Vermächtnis aufgelegt. Ein Gespräch über die Liebe zum Essen, eine Karriere im Rampenlicht und das Alter.

DIE REZEPTE SEINES LEBENS

Mit mehr als 600 Anleitungen und 480 Seiten ist Alfred Bioleks letztes Kochbuch so etwas wie sein kulinarisches Vermächtnis. Sein Credo "Essen ist einer der schönsten Genüsse des Lebens" spürt man bei jedem Gericht, wobei sich alle Rezepte vor allem durch ihre Alltagstauglichkeit auszeichnen. Ein echter Küchenhelfer.

  • Titel: Biolek – Die Rezepte meines Lebens
  • Autor: Alfred Biolek
  • Verlag: Tre Torri
  • Seitenzahl: 480
  • Preis: 29,90 Euro

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Herr Biolek, was gibt es heute Abend bei Ihnen zu essen?

Bei mir heute Abend? Das weiß ich noch nicht. Ich glaube, heute Abend gehen wir auswärts essen.

Kommen Sie denn noch zum Kochen?

Nein, das nicht mehr.

Vermissen Sie es?

Nein. Ich bin ja dabei, wenn bei mir gekocht wird, ich schneide Zwiebeln oder mache andere Dinge, die beim Kochen nötig sind. Ich bin die Schnippelhilfe – und das tue ich gern.

Nun sind Sie von Haus aus Jurist. Woher kommt vor diesem Hintergrund Ihre Liebe zum Essen?

Meine Mutter hat sehr gut und täglich gekocht, wobei das nichts war, was man bloß nebenbei gemacht hat. Man hat sehr bewusst und sehr intensiv gegessen. Jura habe ich studiert, weil mein Vater Jurist war. Ich habe das Studium auch beendet und meinen Doktor gemacht, mich danach mit dem Fach aber nicht mehr befasst.

Aus welchen Gründen?

Ich hatte keine Lust mehr. Stattdessen wollte ich etwas vor Publikum tun, etwas produzieren, nicht nur im Kopf. Schon als Schüler war ich Mitglied einer Theatergruppe, die unter anderem vor den Eltern aufgetreten ist.

Hat Ihnen denn die Juristerei trotzdem geholfen? Als Produzent beispielsweise?

Nicht bewusst zumindest. Aber vielleicht hat es eine Rolle gespielt und ich habe es gar nicht bemerkt – es kann durchaus sein, dass ich Dinge als Jurist anders gesehen habe.

Noch einmal zurück zu Ihrer Mutter. Waren Sie eines der Kinder, die beim Kochen über den Topfrand geschaut oder mitgemacht hat?

Doch, ich habe schon zugeguckt, das hat mir Spaß gemacht. Aber selbst gekocht habe ich noch nicht.

Was gab es denn im Hause Biolek zu essen?

Es gab die typischen Gerichte Oberschlesiens, wo wir aufgewachsen sind. Deftige Hausmannskost wie Gulasch beispielsweise.

Davon haben Sie sich später ja Stück für Stück entfernt. Diese Neugier auf neue kulinarische Eindrücke: Können Sie sagen, woher die stammt?

Nein, das kann ich heute nicht mehr. Ich glaube, das hatte damit zu tun, dass ich irgendwann anfing, für das Fernsehen zu kochen. Und da waren natürlich andere Dinge wichtig als die alten Sachen, die meine Mutter gekocht hatte. Man musste was Modernes machen, was Neues, sich informieren, was es so gibt.

Gab es denn für die Neigung zum Theater oder später zum Fernsehen auch Wurzeln in Ihrem Elternhaus?

Nein, das habe ich irgendwann gespürt und es dann ausprobiert. Ich habe sehr früh schon Witze erzählt und die auch gespielt. Dabei habe ich gemerkt, dass die Menschen das toll finden, und das hat mir Spaß gemacht.

Liest man Artikel über Sie, fällt ganz oft der Begriff "Pionier" – was das Thema Kochen, aber auch Ihre Gesprächssendungen angeht. War Ihnen damals bewusst, wie neu das alles war, was Sie gemacht haben?

Nein. Ich habe es gemacht, weil ich es gut und richtig fand. Aber was das für eine Bedeutung hatte, das wusste ich nicht.

Nun haben Sie beim Fernsehen ja sogar noch als Jurist angefangen ...

Ja, ich habe ein paar Tage in der Rechtsabteilung gearbeitet. Aber immerhin: An einem dieser Tage habe ich mit der Produktionsfirma den Vertrag für die Mainzelmännchen gemacht.

Und wie kam es, dass man Ihnen dann andere Dinge angeboten hat? Immerhin hatten Sie unglaubliche Freiheiten ...

Parallel zu den Arbeiten in der Rechtsabteilung habe ich schon die Sendung "Tipps für Autofahrer" gemacht. Und von der kam ich zur Drehscheibe und schon nach ziemlich kurzer Zeit wurde ich deren Chef. Und so hat sich das alles ergeben.

Glauben Sie, eine solche Karriere wäre heute noch möglich?

Das weiß ich nicht, weil ich ja nicht weiß, warum das so eine spezielle Karriere war. Ich war einfach speziell begabt und habe immer wieder Sachen gemacht, die mir Spaß gemacht haben und die offensichtlich gut ankamen. Und die Zuschauer haben das respektiert.

Eine dieser vielen Begabungen ist es, dass Ihre Gäste bei Ihnen bereit waren zu erzählen ...

Das liegt daran, dass ich sie in erster Linie als Menschen betrachtet habe. Ich kann mich noch daran erinnern, als Helmut Kohl bei mir war. Mit ihm habe ich überhaupt nicht über das gesprochen, was ihm von Kritikern vorgeworfen wurde, über seine Tätigkeit als Kanzler. Ich habe mit ihm als Menschen gesprochen, zum Beispiel darüber, ob er kochen kann. Das Publikum fand die Sendung gut, aber die Kritiker nicht. Ich habe mit allen Gästen – und ich hatte ja auch den Dalai-Lama, Putin oder Schröder zu Gast – immer als Menschen gesprochen. Das hat die Sendungen auch für die Zuschauer so verständlich gemacht.

War Helmut Kohl dankbar für diesen Umgang?

Das hat er nicht gesagt, aber man hat es ihm angemerkt.

Jetzt haben Sie vor kurzem noch mal ein Kochbuch herausgegeben – einen echten Wälzer mit mehr als 600 Rezepten, der zudem auch optisch opulent ist. Wie stellt man so etwas zusammen?

Es gab vor zehn Jahren schon einmal ein großes Kochbuch, das war die Grundlage. Hinter beidem stecken ganz viele Quellen, unter anderem die Gäste, die in meinen Sendungen waren.

Die haben Ihnen Rezepte dagelassen?

Teilweise, ja. Außerdem habe ich unglaublich viele Reisen gemacht und überall ja auch gegessen. Da habe ich versucht, mir zu merken, wie das gemacht wird, oder habe gefragt, wie sie das gemacht haben, und sie haben mir das gesagt.

Ihrem Kochbuch haben Sie den Titel "Die Rezepte meines Lebens" gegeben. Das klingt wie ein Abschlusswerk. Ist das so gedacht – als Ihr finales Kochbuch?

Ja, und es ist auch das letzte Mal, dass ich etwas so Großes wie so ein Buch noch aktiv mache. Denn wenn man 84 ist, wird alles ein bisschen langsamer.

Das Buch hat Sie Kraft gekostet?

Ja, aber zum Glück habe ich meinen Sohn Scott als Unterstützung gehabt.

Das klingt aber nicht so, als wäre Ihnen das Älterwerden unangenehm.

Nein, unangenehm ist es mir nicht. Ich bin mir darüber bewusst und ich weiß, dass es dem Ende zugeht, aber das macht mich nicht traurig, sondern ich bin Gott sei Dank in der Lage, das zu akzeptieren.

Angst haben Sie keine?

Nein. Wovor soll ich Angst haben? Wenn ich sterbe, bin ich weg. Was soll ich da traurig sein?

Und Pläne? Gibt es die noch?

Nein, eigentlich nicht.

Im Fernsehen sieht man Sie ja nicht mehr, in Köln aber durchaus – etwa im Museum oder in Konzerten ...

Das stimmt, ich unternehme immer noch allerhand und ich lebe immer noch bewusst, indem ich mir Gedanken mache und mir Dinge ansehe und über Sachen spreche. Und das genieße ich.

Reagieren denn Menschen noch auf Sie? Oder werden Sie eher in Ruhe gelassen?

Junge kennen mich ja nicht mehr, weil sie meine Sendungen nicht gesehen haben, aber ältere Menschen reagieren immer noch, die grüßen auf der Straße oder sagen "Schön, dass man Sie mal sieht".

Und schauen Sie selbst noch Fernsehen?

Ja, aber ich zappe. Ich gucke keine Sendung ganz, denn dann fange ich an, sie zu vergleichen mit Sendungen, die ich gemacht habe. Und dann kann ich entweder nur feststellen, ich war schlechter oder ich war besser. Und beides muss nicht sein.

Gerade Ihre Sendung "Alfredissimo" hat ja wirklich etwas bewegt im deutschen Fernsehen. Heute sind Kochsendungen eines der beliebtesten Formate und Fernsehköche eine ständige Erscheinung. Haben Sie sich mit diesen "Kolle"gen" später ausgetauscht?

Ja, aber ich habe mich mit ihnen nicht über das Kochen im Fernsehen unterhalten, sondern nur über das Kochen an sich. Über bestimmte Rezepte oder Techniken. Und mit Eckard Witzigmann habe ich ja sogar ein Kochbuch gemacht.

Ein weiterer Trend ist, dass Essen immer mehr analysiert wird – unter Gesundheitsaspekten etwa. War das für Sie je Thema?

Nein, Essen war für mich immer nur Genuss. Und ich sehe ja auch, was sich insgesamt in der Gesellschaft verändert. Da gibt es ja viele Dinge, die so viel aktiver sind als früher. Heute ist alles immer gleich so eine neue, ungewöhnliche Sache, früher hat man einfach gekocht und gegessen. Auch das Fernsehen war früher eine Sache, die man sich angesehen hat, um Spaß zu haben, nicht, um sich so sehr für etwas zu engagieren. Da hat sich die Gesellschaft insgesamt verändert.

Zum Guten? Zum Schlechten?

Schwer zu sagen. Ich würde das nicht gut oder schlecht nennen, ich würde nur sagen: anders.

Vermissen Sie das Rampenlicht?

Ja, ein bisschen schon. Ich denke viel über die Zeit nach, wo ich noch aktiv im Fernsehen war, und gerne daran zurück. Aber dass ich es heute nicht mehr bin, das nehme ich hin.

Was für Gedanken gehen Ihnen dabei durch den Kopf?

Wie schön das war – und wie angenehm. Ich habe ja die verschiedensten Formate gemacht, und das mit großer Lust und Leiden-schaft. Und das finde ich toll, denn daran denke ich sehr gerne zurück und mit viel Intensität, weil das eine wunderbare Zeit meines Lebens war.

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