Deutsch-österreichische Serie

"Der Pass": Viel mehr als nur ein Ableger von "Die Brücke"

von Eric Leimann

    Noch ein Remake von "Die Brücke"? Nein, die erste deutsch-österreichische Sky-Serie "Der Pass" ist ein wuchtiger XXL-Thriller mit viel eigener Qualität.

    Exakt auf Höhe des Grenzsteins zwischen Deutschland und Österreich findet man eine grausam inszenierte Leiche. Entsprechend quälen sich zwei Ermittler in die verschneite Bergwelt. Die jüngere Ellie Stocker (Julia Jentsch) aus Berchtesgaden ist sehr motiviert, denn es ist ihr erster Fall, den sie eigenverantwortlich leitet. Dagegen gibt Gedeon Winter (Nicholas Ofczarek, lesen Sie hier ein Interview), der von Wien nach Salzburg strafversetzt wurde, ein gegensätzlich Bild ab. Der ungepflegte Ösi-Cop ernährt sich von Zigaretten, Alkohol und viel Zynismus. Mit seinem Dasein als "Ordnungshüter" scheint er abgeschlossen zu haben. Was für Fans der dänisch-schwedischen Serie "Die Brücke" wie das vierte Remake des Stoffes klingt, ist in Wirklichkeit ein eigenständiger, bärenstarken Alpenthriller in acht Teilen. Durchaus im Wortsinne "gewaltig" leuchtet die erste deutsch-österreichische Sky-Serie das Verhältnis zwischen Mensch, Natur und all die Tragik dazwischen aus. "Der Pass" ist ab Freitag, 25. Januar, 20.15 Uhr, auf Sky 1, beziehungsweise zeitunabhängig über Sky Go und Sky Ticket zu sehen.

    Zwei gegensätzliche Ermittler aus zwei Ländern, die gemeinsame Sache machen müssen. Ein Serienkiller, der spektakulär inszenierte Leichen an schmucken Orten zurücklässt. Das Böse der Welt, welches den Zuschauer auf unheilvoll dräuende, aber auch seltsam ästhetische Art erschreckt. All diese Qualitäten, die das dänisch-schwedische Thrillerepos "Die Brücke – Transit in den Tod" (2011 bis 2018) über vier Staffeln der TV-Kultur schenkte, finden sich nun auch in "Der Pass" wieder. Trotzdem ist die meist grauweiß verschneite Sky-Serie kein weiteres Remake, wie die US-Variante mit Diane Kruger ("The Bridge – America", zwei Staffeln 2013 und 2014) oder der englisch-französische Ableger "The Tunnel" (drei Staffeln, 2015 bis 2017) es waren.

    Der vom deutschen Autoren- und Regieduo Cyrill Boss und Philipp Stennert inszenierte Achtteiler dringt nicht nur tiefer in die sich über die Folgen stark verändernde Psyche der Ermittler ein, sondern verfolgt auch noch eine dritte Hauptfigur: die des Mörders. Weil das Drehbuch ihn zu Beginn aber noch im Verborgenen hält, soll diesbezüglich nichts verraten werden. Außer dem Umstand, dass man auch mit dieser Figur, die logischerweise nicht entdeckt werden will, mitgeht – was bei einem derart bösen Charakter schon ein wenig Selbsthinterfragen beim Zuschauer auslöst.

    Als vierten Hauptdarsteller darf man die grandiose winterliche Bergwelt des Salzburger Landes nennen, die Kameramann Philip Peschlow ("Eine gute Mutter") meisterhaft subtil und bedrohlich in Szene setzt. Oft wirken Täter, Opfer und Ermittler erschreckend klein in diesem Szenario, was die bösen Taten vor den großen, stummen Zeugen Wald und Bergwelt noch niederträchtiger erscheinen lässt. "Der Pass" ist allerdings kein sarkastisches, ironisch gebrochenes Drama wie die ähnlich von ihrer winterlichen Landschafts-Atmosphäre geprägten "Fargo"-Serie beziehungsweise ihr Ursprungsfilm der Cohen-Brüder.

    Nein, hier leisten sich die Autoren, wie auch in "Die Brücke", eine weitgehende Abwesenheit von Humor. Lediglich schmale österreichische Ausflüge in sarkastische Sprüche und derbe Beschimpfungen, ohne geht es wohl nicht in der Alpenrepublik, sind zur Unterhaltung geeignet. Um Größe und Bedeutung der Natur zu untermauern, kaufte Sky sich noch den Komponisten Jacob Shea (produced by Hans Zimmer), der ähnlich wie sein Produzent klingt. Sheas Score ist jedoch nicht nur im orchestralen Sinne groß, er hat auch große Klasse. Für die vielfach ausgezeichnete Dokumentarserie "Planet Earth 2" ("Eine Erde, viele Welten") hatte Nachwuchskraft Shea aus dem Stall des Frankfurter Oscar-Sammlers Zimmer bereits eine Emmy-Nominierung erhalten.

    Nicht unerwähnt, weil essenziell zur großen Qualität der Serie beitragend, sollen die Hauptdarsteller Julia Jentsch und Nicholas Ofczarek bleiben. Jentsch, die zwar schon als Jungstar ("Die fetten Jahre sind vorbei", 2004) überzeugte, hat mit den Jahren noch mal einiges an Präsenz zugelegt. Im Herbst 2017 lieferte die mittlerweile 40-Jährige in der ARD-Serie "Das Verschwinden" eine der beeindruckendsten schauspielerischen Leistungen ab, die man in den letzten Jahren sah. Zu Recht gab es dafür den "Deutschen Fernsehpreis" als beste Schauspielerin. Und Nicholas Ofcarek? Der wuchtig-expressive Endvierziger spielt seit 25 Jahren am Wiener Burgtheater, ist einer der besten österreichischen Schauspieler seiner Generation, aber in Deutschland trotz seiner Darstellung eines der fiesesten "Tatort"-Mörder aller Zeiten ("Die Geschichte vom bösen Friederich", 2016) immer noch ein Geheimtipp.


    Quelle: teleschau – der Mediendienst

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