Schauspielerin im Interview

Julia Koschitz erklärt ihre Rolle in "Gefangen – Der Fall K."

von Eric Leimann

Das ZDF-Drama "Gefangen – Der Fall K." (Montag, 10.09., 20.15 Uhr) mit Jan Josef Liefers und Julia Koschitz erzählt ziemlich exakt den unglaublichen Justizskandal um Gustl Mollath nach. Der 61-jährige Franke saß mehr als sieben Jahre in der geschlossenen Psychiatrie, weil er seine Frau, eine Vermögensberaterin bei einer Bank, illegaler Geschäfte bezichtigte.

Im Film lässt sie ihn dank mächtiger Partner in die Geschlossene entsorgen. Obwohl der Film anfangs als Verfilmung des Realstoffes verkauft wurde, will ihn das ZDF nun eher als fiktionales Drama "nach wahren Motiven" gesehen wissen. Julia Koschitz, 43, die den weiblichen Part einer bösartigen Entliebungsgeschichte verkörpert und an der Seite von Jan Josef Liefers agiert, über Wahrheit und Fiktion, Querulanten und die Gefahr grassierender Verschwörungstheorien.

prisma: "Gefangen – Der Fall K." orientiert sich klar erkennbar am Justizskandal um Gustl Mollath. Der wurde mehr als sieben Jahre gegen seinen Willen in der geschlossenen Psychiatrie festgehalten ...

Julia Koschitz: Unser Film soll eher allgemeingültig auf Justiz-Skandale und damit verbundene persönliche Dramen aufmerksam machen, die der Öffentlichkeit möglicherweise bisher noch nicht bekannt sind.

prisma: Trotzdem verwundert es, dass das Projekt anfangs klar als Verfilmung der Mollath-Geschichte kommuniziert wurde – und nun nimmt das zurück. Warum?

Julia Koschitz: In unserem Film spielen die Umstände von Mollath zwar eine Rolle, aber der fiktionale Ansatz des Stoffes kommt aus verschiedenen Schicksalen. Das gilt zum Beispiel für meine Figur, die ich – wie jede andere Rolle – aus dem Buch heraus entwickelt und nicht an eine reale Person gebunden habe.

prisma: Gezeigt wird nicht nur ein Justizskandal, sondern auch eine bittere Liebesgeschichte.

Julia Koschitz: Es ist die Geschichte eines sehr ungleichen Paares, das eine große Leidenschaft verbindet, das aber – wie sich erst mit der Zeit herausstellt – gar nicht zusammenpasst. Sie strebt eine Karriere bei der Bank an, er bleibt zufrieden mit seinem Job als Automechaniker. Ihr sind Statussymbole wichtig, Erfolg in Form von Geld und dem damit verbundenen gesellschaftlichen Ansehen. Er ist bodenständig, bleibt unabhängig und kämpft für die Gerechtigkeit. Die Tragik der Geschichte liegt darin, dass die große Liebe der beiden ihre grundsätzlichen Unterschiede nicht zu überwinden vermag.

prisma: Spiegelt sich in dieser Beziehung auch ein Kampf wider, der oft schon in nur einem Menschen tobt: Moral gegen Verführbarkeit?

Julia Koschitz: Bestimmt kann es diesen Widerspruch in einer Person geben, wobei ich den Konflikt dieses Paares nicht darauf reduzieren würde. Das wäre mir zur einfach. Das Problem dieser beiden Menschen ist, dass sie sich mit ihren Lebenskonzepten gegenseitig in die Quere kommen. Sein Gerechtigkeitssinn, seine Bestrebungen, sie aus ihren illegalen Geschäften herauszuholen, werden irgendwann eine Bedrohung für sie. Aus Angst, ihre aufgebaute Karriere, ihre Position in der Gesellschaft zu verlieren, schlägt sie zurück. Sie tut es aus Notwehr.

prisma: Ist diese Frau böse?

Julia Koschitz: Das ist keine Kategorie, in die ich Menschen einteile. Es ist auch keine, die ich spiele. Als Schauspielerin ist man sowieso immer Anwältin der eigenen Figur. Natürlich ist es fragwürdig und kritisierbar, was meine Rolle da macht. Aber sie handelt nicht aus Boshaftigkeit, sondern aus einer inneren Not. Aus dem Bedürfnis nach Sicherheit und Bestätigung im Leben. Ein Bedürfnis, das viele von uns teilen. Sie hat sich ein System aufgebaut, und um dieses zu verteidigen, geht sie in der Auseinandersetzung mit ihrem Mann und späteren Ex-Mann ziemlich weit.

prisma: Wie sehen Sie die Figur Ihres Spielpartners Jan Josef Liefers? Interessant ist, dass der Gerechtigkeitskämpfer zu einem notorischen Querulanten zu mutieren scheint, bei dem sich der Zuschauer auch nicht mehr sicher ist, ob er nicht doch geistesgestört ist ...

Julia Koschitz: Auch in ihm sehe ich jemanden, der aus der Not heraus handelt. Jemand, der sich und sein Wertesystem verteidigt und dabei gegen eine Wand der Ignoranz rennt. Nehmen wir das alltägliche Beispiel eines Streits in einer Liebesbeziehung. Wenn jemand partout nicht gehört wird, sich vom Partner ignoriert fühlt – wird er oder sie immer lauter für seine Stimme kämpfen. Dem anderen wird er dabei vielleich hysterisch, aggressiv oder penetrant erscheinen, mit Sicherheit nicht besonders sympathisch. Aus Sicht der betroffenen Person ist diese Vehemenz aber total nachvollziehbar.

prisma: Also ist Herr K. keineswegs verrückt?

Julia Koschitz: Ich hatte nicht das Gefühl, dass der Film das erzählen möchte. Vielleicht eher, dass man unter diesen Umständen "verrückt" werden könnte.

prisma: Der Film suggeriert, dass in Deutschland Banken, Justiz und allgemein mächtige Menschen einen unbequemen Zeitgenossen einfach in die geschlossene Psychiatrie abschieben können. Ist das nicht ein bisschen verschwörungstheoretisch?

Julia Koschitz: Das finde ich nicht. Es kommen einem zwar erst mal andere Länder in den Sinn, in denen derartiges Unrecht passiert ist, aber selbst Deutschland weist ja anscheinend solche Fälle auf.

prisma: Die Konkurrenten in diesem Film kämpfen mit ziemlich ungleichen Waffen. Nach Ansicht des Films könnte bei dem ein oder anderen das Vertrauen in den Rechtsstaat schon ein wenig ins Wanken geraten ...

Julia Koschitz: Ich bin davon überzeugt, dass es wichtig ist für unsere Demokratie, die Instrumente und Arbeitsweise unserer Institutionen permanent zu hinterfragen. Das hat jedoch nichts mit Verschwörungstheorien zu tun.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

Das könnte Sie auch interessieren