Katy Karrenbauer

"Der Respekt vor 'deinem Freund und Helfer' ist völlig verloren gegangen"

von Markus Schu

Ab 10. Oktober ist Katy Karrenbauer wieder in "Die Spezialisten – Im Namen der Opfer" zu sehen. Im Interview erklärt die Schauspielerin den Reiz der Serie, warum sie nicht mit echten Polizisten tauschen möchte und spricht über ihr soziales Engagement.

Katy Karrenbauer ist ein Unikat: In Interviews nimmt sie kein Blatt vor den Mund, stattdessen sagt die 55-Jährige klipp und klar ihre Meinung. Dass Schauspieler und ihre Figuren nicht ein- und dasselbe sind, ist klar, aber bei ihr mag man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass Charakterzüge ihres bärbeißigen Kultcharakters "Walter" aus "Hinter Gittern – Der Frauenknast" ihren Ursprung in der Realität haben.

Dass sie im Anschluss daran auf einen bestimmten Rollentypus festgenagelt wurde, mag sie nicht mehr thematisieren. Das ist okay, denn die Darstellerin kann viel mehr. Ihre Wandlungsfähigkeit hat sie eindrucksvoll im Drama "Härte" (2015) bewiesen. Außerdem ist Katy Karrenbauer eine talentierte Musikerin und Autorin. Und demnächst wieder Kriminaloberrätin – zumindest in der dritten Staffel von "Die Spezialisten – Im Namen der Opfer" (ab 10. Oktober, mittwochs, 19.25 Uhr, ZDF). Ihre wahre Liebe gehört jedoch ihren Mitmenschen, wie sie im Interview unmissverständlich klarstellt.

prisma: In "Die Spezialisten" spielen Sie eine Kriminaloberrätin. In der letzten Zeit ist die Polizei in Deutschland eher ein bisschen "in Verruf geraten". Stichwort Chemnitz ...

Katy Karrenbauer: Wieso ist die Polizei da in Verruf geraten?

prisma: Nun, weil Angehörige der Polizei doch scheinbar Reporter an der Arbeit gehindert haben ...

Karrenbauer: Politische Geschehen sind immer sehr spannend, aber ich spiele die Kriminaloberrätin einer Forensik-Abteilung ...

prisma: Wird man da nicht auch ein Stück weit von der gesamt-gesellschaftlichen Lage beeinflusst?

Karrenbauer: Nein, wir sind Schauspieler. Wenn das Thema einer Folge derart aktuell wäre – dann würden wir uns damit sicherlich intensiv auseinandersetzen. In "Die Spezialisten" beschäftigen wir uns aber hauptsächlich mit alten Fällen. Ich spiele die Chefin und tauche nur im Hauptmotiv auf. Ich gehe nicht in die Welt hinaus wie meine Kollegen und bin am Geschehen nicht so nah dran, wie das vielleicht im realen Leben der Fall wäre.

prisma: In der Serie geht's um die Verknüpfung von deutscher Historie und Gegenwart. Entwickelt man da ein anderes Bewusstsein, einen anderen Umgang mit der deutschen Vergangenheit?

Karrenbauer: Ich sag's mal so: Es ist immer wieder erstaunlich, welche Geschichten sich die Autoren ausdenken. Man ist teilweise sehr überrascht davon, wie sich diese vergangenen Fälle in der heutigen Zeit wiederholen. Generell bin ich ein sehr politischer Mensch. Als Privatmensch Katy Karrenbauer werfe ich aber selbstverständlich einen anderen Blick auf die politische Lage als in der Rolle der Kriminaloberrätin Dr. Dorothea Lehberger.

prisma: Sind Sie schon mal selbst mit der Polizei in negativer oder positiver Weise konfrontiert worden?

Karrenbauer: Ich will Ihnen jetzt nicht meine Jugendsünden beichten ... Überspringen wir dieses Thema. (lacht)

prisma: Wäre eine Karriere bei der Polizei für Sie denkbar gewesen?

Karrenbauer: Ich habe als Dreijährige schon beschlossen, Schauspielerin und Musikerin zu werden. Die Frage, ob ich zur Polizei gehen möchte, hat sich für mich nie gestellt. Man muss aber mal festhalten: Derzeit möchte man mit niemandem, der bei der Polizei arbeitet, tauschen. Denn die haben einen knallharten Job und werden zurzeit nicht gut behandelt. Sie werden bespuckt, sie werden beleidigt. Der Respekt vor "deinem Freund und Helfer" ist völlig verloren gegangen. Das ist natürlich sehr schwierig. Denn wer vertritt den Staat als solchen, wenn irgendwo durchgegriffen werden muss? Man vergisst, dass da echte Menschen in den Uniformen stecken. Menschen, die nicht nur zum Angriff bewaffnet sind, sondern auch zur Verteidigung, zum eigenen Schutz.

prisma: Was reizt Sie an dem Format "Die Spezialisten"? Warum braucht es dieses Format in der deutschen Krimilandschaft?

Karrenbauer: Es gibt kaum ein Format in Deutschland, das so sehr mit Rückblicken und Rückblenden arbeitet, wie wir es tun. Es gibt auch mal Fälle, die um die 30 Jahre zurückliegen. Da gilt dann vor allem unserer Casterin ein riesengroßes Lob. Ihr gelingt es, Schauspieler für die Figuren in der Vergangenheit und Gegenwart so zu besetzen, dass man als Zuschauer tatsächlich verblüfft ist, wie ähnlich sich die Darsteller sind – das ist wirklich nicht einfach! Häufig gibt es dann auch politische Fälle, bei denen man sich fragt: Wie war das eigentlich damals genau? Wir haben auch Kollegen dabei, die dann aus eigener Erfahrung berichten können, zum Beispiel aus ihrer Zeit in der DDR. So etwas finde ich sehr spannend.

prisma: Kurz zu Ihrer Rollenvergangenheit. Scheinbar war es eine Zeit lang sehr schwierig für Sie, aus dem durch "Hinter Gittern – Der Frauenknast" etablierten Rollentypus auszubrechen...

Karrenbauer: Die Zeit ist vorbei... Schauen wir positiv nach vorne – so wie immer.

prisma: Sie waren in einem Werbeclip zu "Orange Is the New Black" zu sehen. War das ein Traum, der da für Sie in Erfüllung gegangen ist?

Karrenbauer: Ein Traum nicht, ein besonderes Erlebnis hingegen schon. Als es um die möglichen Werbeträger in Deutschland ging, stand ich natürlich an vorderster Stelle! (lacht) Im letzten Jahr konnte ich leider nicht in die USA reisen, weil meine Mutter am Herz erkrankte und eine schwere OP vor sich hatte. Sonst hätte ich damals schon am Originalset gedreht. So hatten wir uns 2017 dazu entschieden, dass ich in Deutschland in einer Greenbox drehe, weil ich meine Mutter nicht verlassen wollte. Und dieses Jahr durfte ich dann wirklich nach New York fliegen, um am Originalset mit den Kolleginnen zu drehen. Das war natürlich großes Kino! (lacht)

prisma: Ist da ein Unterschied in der deutschen und amerikanischen Arbeitsweise feststellbar?

Karrenbauer: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht über einen längeren Zeitraum in Amerika gedreht habe, sondern eben nur für den besagten Clip. Aber alle sind natürlich hochgradig aufmerksam. Vor Ort hat man allerdings nur wenig Zeit, alles ist durchgetaktet. Der Dreh fand am Pressetag der Kolleginnen statt, nur da hatten sie Zeit, auch Werbung für die Serie zu drehen. Das war etwas komplett anderes als ein regulärer Drehtag am Set. Da kann ich dann leider nicht mitreden. Aber der Dreh fand definitiv auf Augenhöhe statt. Die Kolleginnen waren super nett und es war so, als würde man sich schon lange kennen – sehr sympathisch.

prisma: Machen Sie immer noch Musik?

Karrenbauer: Zurzeit nicht, nein. Aber ich arbeite gerade an einer tollen Krimi-Hörbuchreihe mit. "Die Blutlinie" von Cody McFadyen. Ich spreche die Hauptfigur, die Ex-FBI-Agentin Smoky Barrett. Da bin ich leidenschaftlich gerne dabei.

prisma: Apropos Leidenschaft: Sie sind sehr engagiert im sozialen Bereich. Was treibt Sie da an?

Karrenbauer: Menschlichkeit, immer Menschlichkeit! Ich mache ganz viel für die Obdachlosen in Berlin. Anfang des Jahres habe ich eine junge Frau auf dem Weg von der Straße ins Leben zurückbegleitet. Vier Monate später hat dieses wunderbare, zauberhafte Mädchen sowohl Arbeit als auch ein Dach über dem Kopf gefunden. Das war vor allem ihr eigener Verdienst! Sie hat sich unglaublich bemüht, ihre Chance gesehen und ergriffen. Heute geht es ihr wieder sehr gut. Darüber bin ich ungemein dankbar. Ich glaube, dass niemand freiwillig ein Leben auf der Straße gewählt hat. Es gibt Situationen, die wir alle nicht genau beurteilen können. Gerade dann hilft es, mit den Menschen in Kontakt zu treten. Ich spreche mit den Obdachlosen und werfe nicht nur Geld ins Beutelchen. In Köln bin ich zum Beispiel mit Obdachlosen Kaffee trinken gegangen – das war nicht jedem Recht. Aber das stört mich nicht. Das, was ich durch diese Menschen zurückbekomme, ist wunderbar.

prisma: Bietet dieses Zwischenmenschliche mehr Erfüllung als Preise, Geld und berufliche Engagements?

Karrenbauer: Ich bin mir ziemlich sicher, dass das wertvoller ist, ja. Was gibt es Schöneres, als einem Menschen zu helfen? Insbesondere Kindern! Ich war zum Beispiel lange Zeit Botschafterin fürs Kinderhospiz Sonnenhof und wir haben dort die Sommerfeste und Weihnachtsfeiern organisiert. Ich engagiere mich für viele Dinge, auch gegen Missbrauch. Das war auch einer der Gründe, weswegen der Kinofilm "Härte" (2015, Regie: Rosa von Praunheim, d. Red.) für mich so wichtig war: ganz viel Missbrauch in Familien geht eben auch von Müttern aus, nicht nur von Vätern oder Männern allgemein. Es macht mich fassungslos, dass Missbrauch nach zehn Jahren verjährt ist. Das muss unbedingt geändert werden in Deutschland. Ein Täter darf nicht davonkommen, nur weil eine Sechsjährige erst mit 18 in der Lage ist, über den Missbrauch zu sprechen. Für solche Dinge engagiere ich mich. Und ja, man bekommt dort sehr viel zurück.

prisma: Steht man als prominenter Mensch vielleicht sogar mehr in der Verantwortung, sich sozial zu engagieren? Man kann mit meinem Bekanntheitsgrad sicherlich mehr erreichen als der Normalbürger.

Karrenbauer: Ich kümmere mich um Menschen, seit ich 13 Jahre alt bin. Es ist nicht wichtig, ob man prominent ist oder nicht. Aber man hat natürlich eine größere Reichweite, wenn man ohnehin beruflich in der Öffentlichkeit steht. Wenn ich auf dem Weihnachtsmarkt bin, dort warme Kleidung für Obdachlose sammele und wir dann zwei Container zusammenbekommen, dann hat das sicherlich auch mit meinem Namen zu tun. Ich sage da immer: Lasst uns mit gutem Beispiel vorangehen. Aber jeder einzelne zählt! Das ist der wichtige Aufruf an alle Menschen. Schau nach deinem Nächsten. Immer wieder kommt folgende Frage auf: Warum können Menschen wochen- und monatelang tot in ihrer Wohnung liegen, ohne dass es jemand mitbekommt? Das beschäftigt mich nicht, weil ich prominent bin, sondern weil ich mich menschlich dazu aufgerufen fühle. Klar, man kann nicht immer die ganze Welt verändern. Aber würden wir alle nur ein wenig mehr aufeinander achten, dann wäre die Welt schon ein besserer Ort.

prisma: Sie leben jetzt in Berlin, haben vorher lange Zeit in Köln gewohnt, sind in Duisburg geboren. Wo fühlen Sie sich zu Hause?

Karrenbauer: Ich bin aus Duisburg raus, als ich acht Jahre alt war und dann nach Kiel gezogen. Ein Großteil meiner Familie lebt noch heute an der Ostsee. Ich bin Wahlkölnerin geworden, weil ich dort das erste Stadtteiltheater Kölns gegründet habe. Ich mochte Köln immer sehr, habe 25 Jahre lang dort gelebt. Während der "Hinter Gittern"-Zeit hatte ich dort meinen Erstwohnsitz. Aber generell ist es so: Ich bin immer da, wo die Arbeit ist. Das Zuhause ist in mir. Wäre dem nicht so, dann hätte ich immer Heimweh gehabt und keine Tournee machen können. Sehnsucht nach zu Hause kenne ich nicht. Ich sehne mich nur danach, dass es den Menschen, die ich liebe, gut geht. Und dass ich einer Arbeit nachgehen kann, die mich erfüllt.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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