ARD-Doku

"Loveparade – Die Verhandlung": Die Katastrophe nach der Katastrophe

von Hans Czerny

Der Prozess zum Loveparade-Unglück endete ohne Urteil. Die Schuldfrage war nicht zu lösen und dann kam auch noch Corona. Eine "Katastrophe nach der Katastrophe", wie Rechtskundige meinen.

ARD
Loveparade – Die Verhandlung
Dokumentation • 22.07.2020 • 22:45 Uhr

Einst hatte alles mit einer friedlichen Demo in Berlin begonnen. 1989 hatten sich 75 Menschen auf dem Ku'damm versammelt, um für "Friede, Freude, Eierkuchen" zu demonstrieren. In den folgenden Jahren wurde die "größte Party aller Zeiten" daraus. Rund eineinhalb Millionen Menschen versammelten sich etwa 1999, um nach dem Motto "Ich bin frei" bei der Berliner Loveparade zu Techno-Rhythmen zu tanzen. Doch dann der Niedergang, der Streit um Kosten und Lärm. Der neue Veranstalter, Andreas Schaller, zog mit seiner Firma an wechselnde Orte im Ruhrgebiet, 2010 war Duisburg an der Reihe. Aus Gründen der mangelhaften Logistik kam es zur Katastrophe: 21 Menschen starben, über 600 wurden am 24. Juli 2010 verletzt.

Der im Dezember 2017 begonnene Prozess, den jetzt Dominik Wesselys Dokumentation "Loveparade – Die Verhandlung" rekapituliert, wurde im April 2020 wegen der nicht zu lösenden Schuldfrage und der absehbaren Verjährung im Juli ohne Urteil eingestellt. Eine "Katastrophe nach der Katastrophe", wie Rechtskundige meinen.

Wie das Duisburger Gericht selbst, bei dessen Verhandlung es immer wieder zu Verzögerungen kam, will auch die WDR-Dokumentation kein Urteil fällen, was die Schuldfrage betrifft. Noch einmal werden alle Fehler bei der Planung durch Stadtverordnete, den Veranstalter und dessen beauftrage Firmen wie Ordnungsdienste und im Einsatz befindliche Polizisten aufgelistet. Aber auch der Hergang der Katastrophe selbst, die Bewilligung der Stadt Duisburg, die Verschiebung der Kompetenzen und die unzuverlässigen Angaben des Veranstalters werden noch einmal akribisch aufgelistet – von den fehlenden Ein- und Ausgangskapazitäten bis hin zur mangelnden Funkausrüstung der Polizei. Aus einer Straßenveranstaltung war ja in Duisburg ein "Fest" auf dem geschlossenen Areal eines aufgelassenen Güterbahnhofs geworden.

Die Dokumentation rekapituliert die Ereignisse von der jahrelangen Vorbereitung bis hin zum Unglückstag und schließlich zur Einstellung des Strafprozesses gegen die Verantwortlichen der Kommune und des Veranstalters. Bald wird deutlich, dass die wirklich Verantwortlichen nach der Auffassung kompetenter Beobachter gar nicht auf der Anklagebank saßen, sondern nur deren Beauftragte und Stellvertreter. Wirkliche Schuld im Sinne einer Absicht war einzelnen Personen nicht mehr zuzuweisen, die Verantwortlichkeit verteilt sich auf viele Personen.

Dass der Prozess nach zweieinhalb Jahren und 184 Verhandlungstagen ohne Urteil beendet wurde, trifft vor allem die Hinterbliebenen hart. Der Film, der wie andere Übertragungsmedien das Prozessgeschehen selbst in der zum Gerichtssaal umgebauten Messehalle nicht dokumentieren kann, macht mithilfe von Betroffenen, aber auch von Seelsorgern und anderen Helfern deutlich, wie schwer hier Schuld zugesprochen werden kann. So bewegt er sich nicht im Spekulativen oder auch Sensationellen, lässt aber auch, wie der Prozess selbst, die Schuldfrage offen.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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