Schauspielerin im Interview

Marie Leuenberger über den Passau-Krimi: "Ausgangsposition ist eine ganz andere"

von Julian Weinberger

Die Donnnerstagskrimi-Reihe im Ersten zieht es ab Oktober nach Passau. Mit dabei: Marie Leuenberger, die eine Kommissarin im Zeugenschutz spielt. Im Interview schildert sie ihre Eindrücke von der Dreiflüssestadt und gibt spannende Einblicke in die "Passau-Krimis".

"Das Verwinkelte, die kleinen Gassen, die Brücken und auch die Stadt bei Nacht": Wenn Marie Leuenberger erzählt, was ihr an Passau gefallen hat, kommt die Schauspielerin gar nicht mehr aus dem Staunen raus. Die Dreiflüssestadt, auch bekannt als das "niederbayerische Venedig", hat es der Berlinerin sichtlich angetan. Ganz anders geht es hingegen Frederike Bader, die Leuenberger im neuen ARD-Krimi "Freund oder Feind: Ein Krimi aus Passau" (Donnerstag, 1. Oktober, 20.15 Uhr) verkörpert. Die ehemalige Polizistin ist im Zeugenschutz in Passau gelandet und fühlt sich alles andere als wohl. Im Interview spricht Marie Leuenberger über die Faszination dieser Rolle, ihre Erfahrungen während der Corona-Pandemie und verrät, warum ihre erste Schauspielerfahrung einem "Blitzschlag" glich.

prisma: Hand aufs Herz: Kannten Sie vor den Dreharbeiten die Stadt Passau?

Marie Leuenberger: Nein, ich war zum ersten Mal dort.

prisma: Wie war Ihr Eindruck von der Stadt?

Leuenberger: Ganz großartig. Ich hatte bis dato Passau immer als Kleinstadt irgendwo an der tschechischen Grenze auf dem Schirm. Dazu hieß es von allen, es sei das bayerische Venedig. Dann kommt man da hin, und es ist beeindruckend, wie alt alles ist: der große Dom, die Veste und dazu die drei Flüsse, die die Stadt umringen. Passau ist auf jeden Fall eine Reise wert.

prisma: Was hat Ihnen besonders gut gefallen?

Leuenberger: Das Verwinkelte, die kleinen Gassen, die Brücken und auch die Stadt bei Nacht. Auf dem Filmset stand ich einmal nachts am Flussufer, und es war sehr dunkel. Man hat kaum etwas gesehen, und das Rauschen des Inns hatte so etwas Mystisches. Das war unglaublich schön.

prisma: Sie leben in der Metropole Berlin. Wie stark war das Kontrastprogramm beim Dreh in Passau?

Leuenberger: Das war definitiv krass. Es war sehr schön zu sehen, wie die Passauer auf den Dreh reagiert haben – gerade im Vergleich mit Berlin oder anderen Filmstädten. Dort laufen die Menschen einfach am Filmset vorbei und denken: "Ach, da wird schon wieder gedreht." In Passau sind die Leute wirklich stehengeblieben, selbst wenn gerade nur das Licht eingestellt wurde oder der Regisseur mit den Schauspielern gearbeitet hat. Die Menschen haben beobachtet, viele Fragen gestellt und waren sehr aufmerksam und neugierig.

prisma: Im "Passau-Krimi" spielen Sie die ehemalige Polizistin Frederike Bader, die im Zeugenschutzprogramm in Passau landet. In einem Interview sagten Sie einst, Sie wählen Ihre Rollen nach Bauchgefühl aus. Was hat in diesem Fall den Ausschlag gegeben?

Leuenberger: Ich finde es unglaublich spannend, jemanden darzustellen, der seine Identität verheimlichen muss. Zum anderen werden sehr viele Krimis gedreht, aber hier ist die Ausgangsposition eine ganz andere: Zwar bin ich als Kommissarin besetzt, darf aber eigentlich keine sein. Ich kann ja nicht einfach an einer Wohnungstür klingeln, den Ausweis zücken und fragen: "Wo waren Sie denn gestern Abend?" Frederike Bader muss das anders angehen. Ich muss mich einschleusen, und das finde ich wahnsinnig spannend als Schauspielerin.

prisma: Ihre Figur wird von äußeren Einflüssen bestimmt und kann nicht selbstbestimmt leben. Wie war es, diese Ohnmacht zu verkörpern?

Leuenberger: Da ist toll, weil man damit sehr viel spielen kann. Ich finde das spannend, und ich glaube, den Zuschauern wird es ähnlich gehen. Man merkt, dass Frederike Bader immer ein Geheimnis mit sich trägt. Sie ist so unfrei, sehnt sich nach einem anderen Leben, kommt aber irgendwie nicht raus. Zudem ist sie noch selbst schuld, dass sie in Passau im Zeugenschutz gelandet ist. Diese Verstrickungen von Schuld gegenüber der Tochter ergeben tolle Spielmöglichkeiten.

prisma: Im Gegensatz zu seinem Namen ist der "Passau-Krimi" kein klassischer Krimi. Was zeichnet die Filme aus?

Leuenberger: Es ist ein Krimi der besonderen Art, weil es keine typischen zwei Kommissare gibt. Stattdessen gibt es neben der Frau im Zeugenschutz diesen dubiosen Privatdetektiv. Diese zwei sehr fremden und einsamen Figuren treffen dann aufeinander. Dazu sind die Figuren teilweise skurril gezeichnet, und das Ganze hat eine Prise schwarzen Humor.

prisma: Frederike Bader muss von einem auf den anderen Tag ihr Leben aufgeben und von null beginnen. Auf welche Dinge könnten Sie unmöglich verzichten?

Leuenberger: Familie. Ich glaube, der Bruch mit den Angehörigen oder Freunden ist das Allerschwerste. Ortswechsel finde ich dagegen sehr spannend und kenne ich auch aus meiner eigenen Biografie.

prisma: Auch der Jobwechsel kommt dazu. Statt als Polizistin arbeitet Frederike Bader als Qualitätsprüferin in einer Schmiede. Was wäre aus Ihnen geworden, hätte es mit der Schauspielerei nicht geklappt?

Leuenberger: Darüber denke ich ehrlich gesagt seit über 20 Jahren nach. (lacht) Ich überlege immer wieder, aber es gibt nichts, das mich so packt und fesselt wie dieser Beruf.

prisma: Was macht die Schauspielerei so besonders für Sie?

Leuenberger: Sie vereint sehr viele Gebiete, die mich interessieren. Zum einen das Spiel selbst, aber auch, es als eine Sprache zu verstehen, bei der ich eine Vermittlerin von Buchstaben auf einem Papier bin, sodass später Zuschauer vor dem Fernseher ein Gefühl dafür entwickeln. Außerdem finde ich Psychologie unglaublich spannend, ich reise gerne und arbeite gerne im Team. Und ich mag Herausforderungen. Jeder Arbeitstag ist als Schauspielerin anders als der gestrige. Es wird nie langweilig.

prisma: Gab es einen Schlüsselmoment, in dem Sie diese Leidenschaft für die Schauspielerei entdeckt haben?

Leuenberger: Als ich das erste Mal den Theaterkurs besucht habe mit 16. Das war wie ein Blitzschlag. Ich bin da hin, und danach wusste ich, was ich werden will.

prisma: Wie ist es dann weitergegangen?

Leuenberger: Erst im Jugendclub und dann mit richtigen Aufführungen beim Jungen Theater Basel. Dann habe ich mich vor dem Abi an der Schauspielschule Otto Falckenberg in München beworben – eigentlich nur, um zu schauen, wie so eine Prüfung abläuft. Das hat aber sofort geklappt. Zunächst war ich am Residenztheater München, später auch am Staatstheater Stuttgart und im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg.

prisma: Wie haben damals Ihre Eltern auf den Berufswunsch Schauspielerin reagiert?

Leuenberger: Ehrlich gesagt gab es nie Widerworte. Ich habe neulich meine Mutter gefragt, warum eigentlich nicht. Der Beruf ist ja schon sehr riskant. Sie meinte dann, ich hätte diesen Traum so klar ausgedrückt, dass es sinnlos gewesen wäre, dagegen etwas zu sagen. Dieser Beruf ist einfach meins.

prisma: Wie blicken Sie vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie aktuell auf Ihren Beruf und die Schauspielbranche?

Leuenberger: Es war echt hart, weil in der Filmwelt gar nichts mehr ging. Dazu waren die Hilfsmaßnahmen für uns Freischaffende nicht zufriedenstellend. Jetzt besteht Hoffnung, weil das Drehen wieder losgeht. Dafür bin ich dankbar. Aber natürlich mache ich mir Sorgen, etwa um die Theater und Kinos. Für die ganze Kulturbranche ist das Coronavirus ein harter Schlag.

prisma: Die Kulturbranche hat kreative Ideen entwickelt, um trotz der Krise Angebote zu schaffen. Waren Sie in den letzten Monaten auf Kulturveranstaltungen?

Leuenberger: Nein, war ich nicht. Was ich total gemerkt habe: Natürlich kann ich viel Streamen oder mir Konzerte im Wohnzimmer anhören, aber es geht nichts über das gemeinsame Erleben, egal ob in einer Konzerthalle oder im Kinosaal. Immerhin war ich ein paar Mal im Kino, seit es wieder losging. Das war total schön. Nach dem ersten Mal im Kino – es saßen vielleicht zehn Leute drin – wurde applaudiert, als der Film zu Ende war. Das hat mich total gerührt. Das Digitale ist schön und gut, aber es fehlt ein Stück weit Herzblut dabei.

prisma: Welche Perspektive sehen Sie für den Film und die Kultur in den kommenden Monaten?

Leuenberger: Ich denke mir, dass der Film vielleicht eine Chance dadurch hat, weil man dank Vorsichtsmaßnahmen wie dem Tragen eines Mundschutzes, Tests und Quarantäne drehen kann. Außerdem hat man durch die Coronazeit auch gemerkt, dass der Film total gefragt war. Das wird auch so bleiben, da bin ich mir ganz sicher. Schwieriger wird es, denke ich, bei Theatern. Da wird mir sehr mulmig, wenn ich daran denke, was der Herbst und Winter bringen könnten.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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