Olympia 2016

Das Stadion mit den zwei Namen

26.07.2016, 07.20 Uhr
Das Estádio Nilton Santos bietet Platz für 60.000 Zuschauer.
Das Estádio Nilton Santos bietet Platz für 60.000 Zuschauer.  Fotoquelle: lazyllama / Shutterstock.com

Im großen Kaufhaus Olympia lagern viel zu viele Ladenhüter wie Fußball oder Golf.

Denkt man an Olympische Spiele, denkt man an Golf. Das ist ganz natürlich so. Ehre, wem Ehre gebührt.

Schon der Jahresverdienst der Herren mit den karierten Hosen und den putzigen Zierschühchen liegt ähnlich weit über dem einer graumausigen Hochspringerin wie das eines VW-Vorstandsvorsitzenden über dem eines Fließbandmonteurs.

Nach 112 Jahren Abwesenheit (vermisst wurden sie nicht) dürfen also in Rio die Golfer wieder um Gold putten. Und was passiert: Sie kommen nicht!

Von Vijay Singh (elf Millionen Dollar Preisgeld allein in 2004) bis Jordan Spieth (US-Masters-Sieger 2015) hagelt es Absagen – wegen Zika-Virus, Familie und anderweitiger Termine. Rory McIlroy, der golfende Wunderknabe aus Nordirland, nennt das olympische Turnier, das kein lukratives "Masters" oder "Open" im Vornamen trägt, sogar "völlig belanglos".

"Was erlauben Rory!", hätte Giovanni Trapattoni getobt, wenn man noch auf ihn hörte, Trapattoni, der erfolgreichste Fußballtrainer aller Zeiten.

Olympischer Geist sieht anders aus

Nur, seine Fußballer sind auch nicht besser. Bis kurz vor Anpfiff in Rio knobelten die qualifizierten Verbände, wen sie denn entsenden könnten und wer eher im heimischen Ligabetrieb gebraucht würde. Fußball in Brasilien als Turnier der Abkömmlichen. Olympischer Geist sieht, so er denn sichtbar wäre, anders aus.

Vielleicht war es aber auch instinktlos, das Olympiastadion nach dem langjährigen FIFA-Präsidenten und notorischen Schmiergeldempfänger João Havelange zu benennen: das Estádio Olímpico João Havelange als Sinnbild für ein Land im Strudel von Schmiergeldaffären.

Da half es wenig, dass jemand in der Stadtverwaltung die Handbremse zog und durchsetzte, der Arena als Zweitnamen Estádio Nilton Santos beizugeben. Nilton Santos, zur Erinnerung, diente Brasilien als linker Verteidiger bei den Weltmeisterschaftsgewinnen 1958 und 1962.

Mit Olympia hatte er, der 2013 starb, nie was am Hut, aber er war von weißer Hautfarbe, was im latent rassistischen Brasilien durchaus von Bedeutung ist. So wurde Havelange, der im Mai seinen 100. Geburtstag feierte, mit dem unverdächtigen Santos übermalt.

Was hat das alles mit einem Event vom Kaliber Olympia zu tun?

Golf und Fußball zeigen, dass Olympische Spiele inzwischen zu einem Bloomingdale's oder Karstadt geworden sind, Kaufhäuser für alles und nichts, die gerade im Sauseschritt aus der Mode geraten.

Jede Menge Ladenhüter

Noch nicht lange her, da kam es für eine Sportart, die im Fernsehen eher unbeachtet blieb, einem Sechser im Lotto gleich, ins olympische Programm aufgenommen zu werden. Inzwischen schleppt Olympia jede Menge Ladenhüter mit.

Rio wird dennoch Rio bleiben, egal wie viele elende Favelas für den schönen Schein abgerissen wurden. Rio wird, wie es der Schriftsteller Hugo Loetscher in seinem Brasilien- Buch "Das Entdecken erfinden" schreibt, "atemberaubend, ohrenbetörend und augenbegeilend" sein.

Wenn eine Stadt auf der Welt das Beiwort "sexy" verdient, dann Rio. Ob mit Olympia oder nicht.

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