Mit Maria Simon und Lucas Gregorowicz

Polizeiruf 110: Speedy frisst, die Oder fließt

15.04.2016, 15.58 Uhr
von Detlef Hartlap
Kommissar Adam Raczek befragt die Fischerfamilie Piatkowski über einen tödlichen Autounfall.
BILDERGALERIE
Kommissar Adam Raczek befragt die Fischerfamilie Piatkowski über einen tödlichen Autounfall.  Fotoquelle: rbb/Oliver Feist

Gehemmt, einfallslos, vorhersehbar: Die rbb-Krimis kommen in ihrer neuen deutsch-polnischen Konstellation nicht richtig auf Touren.

Es soll ja Zuschauer geben, die halten Sonntagsabendkrimis für ein Abbild von Wirklichkeit. So gelten etwa die Kölner Tatortfolgen, wohl weil sie so schön langweilig sind, sogar unter Polizeibeamten als in Maßen realitätshaltig. Spannung wäre demnach kein so starkes Element ihrer Arbeit.

Der Brandenburger Polizeiruf 110 mit Maria Simon (als Olga Lenski) und Lucas Gregorowicz (als Adam Raczek) müsste in Polizeikreisen Entzücken auslösen. Ein reales Polizeirevier und jede Menge Muffigkeit ... Eine Einsatztruppe, die es tatsächlich gibt, und der bleibende Eindruck: die Armen, die da arbeiten müssen ...

Die Realität eignet sich nur bedingt für gutes Fernsehen

Die Spannung (im Film) ist ungefähr so prickelnd wie in jenen Vorabendserien, die alles sein dürfen, nur nicht aufregend, weil hauptsächlich Omis und Kinder vor der Glotze sitzen. Die Realität, das beweist die Polizeiruf-Folge mit dem stolzen Titel Der Preis der Freiheit aufs Neue, eignet sich nur bedingt für gutes Fernsehen.

Die Hauptrolle (im Film) spielt eine Bassethündin namens Antonia, die sich nie bewegt, außer wenn's was zu fressen gibt, und folgerichtig "Speedy" gerufen wird.

Die zweite Hauptrolle (im Film) spielt die Oder, ein von der mährischen Quelle bis zur Ostsee-Mündung 854 Kilometer langer Strom, der so unauffällig daherfließt,  dass ihn die römischen Schriftsteller der Antike, die immerhin die Weichsel erwähnen, glatt übersehen haben. (Die pseudo-lateinischen Namen Viadrus oder in weiblicher Form Viadrina sind erst im ausgehenden Mittelalter erfunden worden.)

Wenigstens liefert die Oder schöne Bilder, vor allem aus der Luft. Mit der Einführung der Fischerfamilie Piatkowski in die Handlung hätte die Oder vielleicht auch zum dramatischen Mittelpunkt des Films werden können, aber das wäre wohl drehtechnisch zu aufwendig geworden. Ein alter Kahn, ein Nachen, in dem sich ein verwundeter Autoschieber ausschläft, mehr gab das Budget nicht her.

Zigaretten, Fahrzeuge, Drogen sind ihr Alltag

Im wirklichen Leben spielt hier eine deutsch-polnische Polizeistation die Hauptrolle. Sie wurde in einem Örtchen namens Swiecko angesiedelt, irgendwo draußen im alten Lebuser Land, und wacht über Recht und Ordnung in der Grenzregion. Die Grenzübergänge auf der Autobahn A 12 und auf der Frankfurter Stadtbrücke nach Slubice dürfen sich dank diesem im Hinterland verborgenen Polizeirevier kontrollfrei und europäisch vorbildlich geben. Doch bekommen die 44 deutschen und 25 polnischen Beamten, die in Swiecko Dienst tun, genug zu tun. Zigaretten, Fahrzeuge, Drogen sind ihr Alltag, aus dem sich bestimmt fernsehreife Geschichten filtern ließen.

Genau das misslingt. Es geht um Autodiebstahl und schnellen Transfer in Richtung Osten. Es geht um eine junge Polizeipraktikantin, die die Verfolgung aufnimmt und dabei zu Tode kommt. Als ihr Begleiter und Lehrherr, der Polizeikommissar Udo Lehde (Oliver Bröcker) abgehetzt und zu Fuß an der Todesstelle ankommt, ist eigentlich schon klar: der Mann hat Dreck am Stecken.

Gern würde man von überraschenden Wendungen erzählen, davon, dass die Übeltäter, die wie Übeltäter aussehen, in Wahrheit gar keine Übeltäter sind, oder dass der erste Eindruck von Kommissar Lehde getäuscht hätte, aber leider vollziehen sich Aufklärung, Ausflüchte und Ablenkungsmanöver in zäher Vorhersehbarkeit.

Ein klein wenig künstliche Rätsel

Die Fischerfamilie gibt ein klein wenig künstliche Rätsel auf, und man beginnt fast schon Gefallen am Verhalten der Großmutter (Marie Anne Fliegel) zu finden, das ein bisschen was von einer Nouvelle Résistance hat, bis sie ihre Handlungsweise mit einer Anekdote von Vorfällen während des 2. Weltkriegs begründet, die sie geprägt hätten.

Bei allen alten Oder-Brassen: Der Krieg ging vor 71 Jahren zu Ende, und viel älter sind Oma Piatkowski und Anne Marie Fliegel auch nicht. Also reicht die Erinnerung fast länger zurück als das Leben.

Maria Simon, die in früheren Folgen, als sie es noch mit dem dicken Krause als Partner zu tun hatte, sehr zu gefallen wusste und allein durch ihre Präsenz manchen Film über sein Niveau hinaushob, bleibt seltsam blass, wie wenn die Mutterrolle sie mehr und mehr absorbieren würde (was auch keine Schande wäre).

Für ihre Tochter Alma singt sie ein sehr schönes Wiegenlied: "Die alten Geschichten". Nur leider, ein Geschmack von Schleichwerbung spielt auch hinein, denn das Lied gehört zum Repertoire der Band "Red Marut", der Maria Simon gemeinsam mit ihrem Mann Bernd Michael Lade angehört.

Aber so ist er, der rbb als zuständiger Sender: Notleidende Künstler unterstützt er gerne.

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