"Die Story im Ersten"

Tote auf der Balkanroute: Wenn Flüchtlinge einfach verschwinden

von Eric Leimann

Immer wieder verschwinden Flüchtlinge auf ihrem Weg über die Balkanroute. Sind sie gestorben – und wenn ja, wie? Wurden sie verschleppt? Ein Film aus der Reihe "Die Story" begleitet Geflüchtete in Deutschland, die nach ihren vermissten Angehörigen suchen.

ARD
Die Story im Ersten: Tod auf der Balkanroute
Dokumenation • 25.03.2019 • 22:45 Uhr

Wie schwer es ist, wenn man nichts über den Verbleib seiner Liebsten weiß – über Kinder, Eltern, Geschwistern -, kann man sich zumindest vorstellen. Traumata, die aus diesem Nichtwissen erwachsen, kennen die Deutschen selbst aus ihren letzten Kriegs- und Nachkriegsjahren. Trotzdem nimmt es das "etablierte" Europa in Kauf, dass auch heute wieder Menschen verschwinden, ohne dass Behörden dem nachgehen. Der Journalist Darko Jakovljevic begleitete für seinen Film "Die Story im Ersten: Tote auf der Balkanroute" Geflüchtete, die mittlerweile in Deutschland leben, aber Angehörige vermissen. Nicht wenige halten das ewige Warten ohne Nachricht von den Liebsten irgendwann nicht mehr aus. Sie begeben sich selbst auf die Suche.

2015 werden in Mazedonien 14 Flüchtlinge von einem Zug überrollt. Fast niemand berichtet darüber. Ermittlungen werden schnell eingestellt, kaum Zeugen befragt. Der 19-jährige Afghane Mahdi Mohebi, der heute Bremen in Bremen lebt, war dabei. Er überlebte das Unglück. Mahdis 14-jähriger Bruder, der ihn damals begleitete, verschwand jedoch. Wurde er verletzt, getötet? Wenn ja, wurde er begraben? Es gibt keinerlei Bereitschaft offizieller Stellen, betroffenen Angehörigen in solchen Situationen zu helfen. Und Mazedonien ist kein Sonderfall. Filmemacher Darko Jakovljevic schildert mehrere solcher Verfälle, die allesamt deutlich gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen.

So starb die sechsjährige Madina Hussiny an der kroatisch-serbischen Grenze während einer "Pushback"-Aktion, so nennt man im Fachjargon polizeiliche Sofort-Abschiebung. Mit ihrem Anliegen, den Fall aufzuklären, stoßen Madinas Eltern bei der kroatischen Regierung in Zagreb auf völlige Ablehnung. Entlang der Balkanroute sind Tote ohnehin Alltag: Menschen erfrieren, sie brechen vor Erschöpfung zusammen oder werden Opfer von Gewaltverbrechen. Nirgendwo in Europa gibt es eine Stelle, die solche Geschehnisse erfasst und untersucht, die Zahlen zusammenträgt und Fälle prüft. Auch in Deutschland sieht es leider nicht besser aus, wie Recherchen dieses Films ergeben. Einzig der Suchdienst des Roten Kreuzes ist willig, bei der Suche nach Vermissten zu helfen – doch die ist kaum möglich, wenn Behörden im In- und Ausland nicht kooperieren.

Darko Jakovljevic kennt man vor allem aus seinem Hauptberuf des für Südosteuropa zuständigen ARD-Korrespondenten. "Gut gebucht" waren zuletzt seine Eindrücke, als Kroatien 2018 das Endspiel der Fußball-WM in Russland erreichte und sich das kleine, fußballverrückte Land im kollektiven Glücks- und Partytaumel befand. Ein Bruchteil dieser Aufmerksamkeit würde den Angehörigen jener auf der Balkanroute vermissten Menschen sicher weiterhelfen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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