ARTE zeigt Dokumentarfilm

"Unter Herrenmenschen": Die Folgen der deutschen Kolonialzeit in Namibia

von Andreas Schoettl

30 Jahre lang vereinnahmte das Deutsche Kaiserreich das heutige Namibia als Kolonie. Noch heute leidet das Land im Südwesten Afrikas unter dieser Vergangenheit.

ARTE
"Unter Herrenmenschen"
Dokumentation • 23.04.2019 • 21:45 Uhr

Uahimisa Kaapehi ist wütend. Der Stadtverordnete von Swakopmund in Namibia erzürnt sich über ein Marinedenkmal. Dieses steht seit mehr als 100 Jahren direkt vor dem Stadthaus. Es ehrt die deutschen Soldaten, die im Krieg gegen die namibische Bevölkerung gefallen sind. Kaapehi empfindet diese in Stein gemeißelte Erinnerung an eine schauderhafte Vergangenheit als Provokation. Er findet: "Es sollte besser nach Deutschland geschifft werden. Oder zerstört, oder in den Mülleimer wandern." Warum der Stadtverordnete so erbost ist, belegt der Dokumentarfilm "Unter Herrenmenschen" von Christel Fromm. Bei ARTE ist der Beitrag nun zu sehen. Er hebt den Vorhang über eine Vergangenheit, die Deutschland bis heute nur vergessen und verdrängen will.

Als Deutsch-Südwestafrika war Namibia von 1884 bis 1915 eine deutsche Kolonie. Schnell aber legte sich ein Schatten über den "Platz an der Sonne", den zunächst Otto von Bismarck und daraufhin Kaiser Wilhelm II. beanspruchten. Die deutschen Siedler gerieten bald in Konflikt um Land mit den Einheimischen. Als beim Aufstand der Herero am 12. Januar 1904 die ersten Schüsse fielen, waren zunächst die deutschen Siedler unter den Opfern. Die Rache dafür aber sollte fürchterlich werden.

Es war der deutsche Generalleutnant Lothar von Trotha, der einen grausamen Feldzug gegen die Aufständischen ausrief. Er ließ verkünden: "Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und keine Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auch auf sie schießen." Im Film sagt Vekuii Rukoro, das heutige Oberhaupt der Herero, über die schlimmste Zeit seines Volkes: "Von Trotha legte erstmals in der Geschichte schriftlich den Plan eines Völkermordes nieder. Belegt ist sein Satz: 'Ich möchte, dass meine Truppen da herausgehen und die ganze Gemeinschaft vom Erdboden verschwinden lassen."

Nach der Schlacht vom Waterberg 1904 wurden die Aufständischen und ihre Familien in die Omaheke-Wüste getrieben, die einzigen Wasserstellen vergiftet oder von deutschen Soldaten abgeriegelt. Mehr als 85.000 Menschen verdursteten und verhungerten qualvoll. Für die wenigen Überlebenden wurden Konzentrationslager geschaffen.

Verbliebene der Herero, wie deren heutiges Oberhaupt Rukoro, sagen, dass Deutschland sich bis heute nicht dafür entschuldigt habe, mehr als 100.000 Menschen in einer verheerenden Kolonialzeit getötet zu haben. Zwar gelten die Massaker an den Herero seit 2016 als Völkermord, doch geforderte Reparationszahlungen blieben weitestgehend aus.

Der Politiker Ruprecht Polenz, offizieller Vertreter der Bundesregierung im Dialog um den Völkermord an den Herero und Nama mit Namibia, begründet dies in einem erschreckenden Film nur nüchtern. Polenz sagt: "Es wird keine persönlichen Geldentschädigungen geben. Einfach, weil wir es mit der Ur-Ur-Enkel-Generation der damaligen Opfer zu tun haben. Und Deutschland hat entschieden, Entschädigungen werden nur an direkte Opfer gezahlt. Also diejenigen, die persönlich gelitten haben."


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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