Sabine Postel und Oliver Mommsen

"Wenn wir gehen, dann gehen wir zusammen!"

22.04.2019, 10.24 Uhr
von Stephan Braun

Sie hören auf, obwohl es gerade am schönsten ist, am besten läuft: Am Ostermontag sendet die ARD den letzten Tatort aus Bremen mit Sabine Postel und Oliver Mommsen. prisma hat die Hauptdarsteller getroffen.

Seit 1997 ist Sabine Postel als Inga Lürsen Tatort-Kommissarin, spielte 39 Folgen. Oliver Mommsen kam 2001 hinzu. Nach 18 gemeinsamen Jahren mit 34 Folgen ist "Wo ist nur mein Schatz geblieben?" ihr letzter Fall. Dabei war es beim Cas - ting vor 18 Jahren eine Art "Liebe auf den ersten Blick". Das zumindest steht auf dem Lebkuchenherz, das Sabine Postel zum Gespräch mitbringt. "Kennst du das noch, Oliver?" Das Herz stammt vom Casting, als der "Neue" für Inga Lürsen gesucht wurde – und mit Oliver Mommsen als Kommissar Nils Stedefreund schnell gefunden wurde. "Damals habe ich Schussübungen gemacht, als Blondie, bin nachts mit der Schutzpolizei durch die Gegend gefahren. Ich hatte ja kein Verhältnis zu diesem Beruf", sagt Sabine Postel zu den Anfängen ihrer Tatort-Karriere.

Schauen Sie sich gelegentlich noch alte Folgen an?

Mommsen: Ja, "Eine unscheinbare Frau" (November 2001, die Red.) begegnet mir gelegentlich einmal. Das war meine erste Folge. Da denke ich dann manchmal: Wer sind die beiden Kinder? Und ich glaube uns da ehrlich gesagt kein Wort.

Postel: Wir sahen damals komisch aus und wir waren auch ein bisschen merkwürdig.

Mommsen: Aber Sabine das Schöne bei uns war doch, wir konnten zusammen mit unseren ersten Filmen schön üben, uns eintakten: Was sind denn die Energien von Postel und Mommsen? Was kann man denn von denen bei Lürsen und Stedefreund einfließen lassen? Das war toll, im Endeffekt war alles eine riesige Entdeckungsreise.

Und Sie haben zusammen auf Anhieb so gut miteinander harmoniert, so gut, dass Stedefreund 2001 seiner Kollegin Lürsen gleich in der ersten Folge das Leben gerettet hat!

Postel: War das so?

Mommsen: Klar, mit einem Schuss.

Postel: Ach, die Szene mit Henry Hübchen!

Mommsen: Ja, die Szene hat unheimlich Spaß gemacht. Die hatten wir auch schon beim Casting.

Postel: Ach, unser Casting.

Mommsen: Ja, bei uns hat das wirklich sofort funktioniert. Obwohl ich eigentlich damals ein Spießer sein sollte. Das war auch meine Aufgabe beim Casting.

Postel: 20 Kommissare haben wir uns damals bestimmt angeschaut.

Mommsen: Da war Almauftrieb!

Postel: Aber es war eigentlich sofort entschieden, dass er es wird.

Welche Folge ist Ihr Lieblingstatort?

Postel und Mommsen gemeinsam: "Brüder!" (Tatort-Folge 901, Februar 2014, die Red.)

Mommsen: Mit "Brüder" haben wir ziemlich ins Schwarze getroffen.

Postel: Ja, von Wilfried Huismann super recherchiert. Die Geschichte von den Miris, dem Bremer Familienclan. Die Ausstrahlung war damals nahezu zeitgleich zu einem Prozess gegen diesen Clan.

Mommsen: Der Film war wahnsinnig brutal, aber der hat richtig gesessen. Da werde ich heute noch drauf angesprochen.

Braun: Aber prisma hat damals zu "Brüder" geschrieben: "Lürsen und Stedefreund gehen auf ihre tadellose Art vor, die man auch langweilig nennen könnte."

Postel: Ja, das hat man uns überhaupt ewig aufs Butterbrot geschmiert. Wir haben ja eigentlich immer den Fall im Vordergrund gehabt, wir hatten keine Macken, keine Neurosen. Diese ganzen Merkmale, die man heute den Kommissaren zuordnet, damit sie sich unterscheiden von der großen Masse, die hatten wir ja nie. Und das führte dann dazu, dass wir häufig bescheidener wahrgenommen wurden. Wir haben halt nie extrovertiert im Vordergrund unsere Neurosen gepflegt. Wir hatten einfach keine.

Beide schauen sich immer wieder die vor ihnen liegende Liste der insgesamt 39 Bremer Tatortfolgen an.

Mommsen: Schau mal hier: "Strahlende Zukunft" (August 2007, die Red.). Da ging es um Handystrahlung.

Postel: Ja, wie sie sich auswirkt auf unsere Gesundheit . . .

Mommsen: . . . und ob wir überhaupt noch sicher sind.

Mommsen: Wir hatten immer zwei Bremer Folgen pro Jahr. Und unsere Redakteurin Annette Strelow hat dazu immer gesagt: Wir machen einen Tatort fürs Herz und einen für den Kopf.

Mommsen: Oder schau mal der hier: "Der schwarze Troll" (Mai 2003, die Red.), diese Folge wurde komplett von und mit Frauen gemacht: Kamerafrau war Judith Kaufmann, Regisseurin war Vanessa Jopp, das Drehbuch hat Thea Dorn geschrieben, die Hauptrolle spielte Judith Engel und du, Sabine, als Kommissarin!

Mommsen: In welcher Folge bin ich eigentlich nach Afghanistan gegangen?

Postel: "Er wird töten" war das (Juni 2013, die Red.).

Mommsen: Genau, und ab dann hieß ich intern liebevoll nur noch Afghanistan-Stedefreund.

Mommsen: In unserer Entwicklung in den Folgen ist ganz viel passiert. Bremen war immer so eine Wundertüte. Man wusste nicht, was genau jetzt das nächste Thema wird.

Welche Folge ging denn gar nicht?

Postel und Mommsen: Echolot! (Oktober 2016 die Red.)

Mommsen: Da haben wir uns an künstlicher Intelligenz versucht.

Postel: Nee, das war wirklich nichts.

Mommsen: Was hat denn prisma damals darüber geschrieben?

Moment, schauen wir doch einmal nach. Wir haben damals geschrieben: "Dieser Tatort will die Digitalisierung erörtern und scheitert krachend!"

Postel: Genau richtig!

Mommsen: Ja, die Folge ist uns echt um die Ohren geflogen.

Was sagen Sie denn zu dieser Aussage hier in unserer prisma im Juni 2013 zu "Er wird töten"? Wir haben damals geschrieben: Stedefreund, ihr wackrer Knappe!

Mommsen: Ja, wir haben uns jahrelang definiert über unsere Loyalität zueinander, über die Verteilung der Energien. Ich war als Stedefreund eher der Typ, der im Film dafür gesorgt hat, dass wir beide am nächsten Tag noch unseren Job hatten. Dass wir zum Beispiel einen Durchsuchungsbescheid bekommen haben oder ich eine Tür wieder zugeklebt habe, die wir vorher aufgetreten hatten. Uns beiden hat das einfach immer großen Spaß gemacht, egal welchen Vertrauensbruch man uns ins Drehbuch geschrieben hat. Aber: Auf die beiden war immer Verlass.

Postel: Und genau das haben die Zuschauer offenbar an uns gemocht. Wir haben einfach keine Eitelkeiten befriedigt. Das war strategisch schon klug, was man sich da für uns überlegt hat.

Mommsen: Loyalität und Vertrauen – damit konnte man immer gut spielen.

Werden Sie eigentlich auf der Straße als Frau Lürsen oder Herr Stedefreund angesprochen?

Postel: Ja, das kommt vor.

Mommsen: Das ist aber auch ein Warnsignal, denn wir sind ja nicht nur Fernsehkommissare, wir sind Schauspieler.

Postel: Stedefreund und Lürsen sind aber auch Namen, die man sich besonders gut merken kann, weil sie auch ein bisschen besonders sind.

In Ihrer jetzt an Ostermontag laufenden letzten Folge sagen Sie, Frau Postel, als Inga Lürsen einen wunderschönen Satz zu Nils Stedefreund: "Wir machen das zusammen – so wie immer!"

Postel: Ja, das ist eine wunderschöne Klammer! Das sagt ziemlich viel über uns beide.

Mommsen: Für diese letzte Folge wurde abschließend das ganz große Besteck ausgepackt: Da ist alles dabei. Das ist schön. Unser Regisseur Florian Baxmeyer schafft es einfach immer wieder, dass eine große Emotionalität entsteht.

Postel: Es war wirklich eine wunderschöne Zeit. Und es ist auch schön, dass wir gesagt haben: Wenn wir gehen, dann gehen wir zusammen!

Mommsen: Ja, da machen wir den Teamgedanken richtig rund. Jetzt geht's auf zu neuen Ufern!

Das könnte Sie auch interessieren