Aiwanger spricht im Wahl-Talk über die Flugblattaffäre: "Wie man's macht, ist's falsch"
TV-Auftakt der heißen Phase im bayerischen Landtagswahlkampf: Bei "BR24 Wahl – Der Talk" trafen Spitzenvertreter aller im Landtag vertretenen Parteien aufeinander. Bevor über Windkraft und Kita-Plätze gestritten wurde, ging es noch mal ausgiebig um die "Flugblattaffäre" des Wirtschaftsministers.
Die sogenannte "Flugblattaffäre" um den bayerischen Vize-Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger überschattete auch die erste große TV-Debatte zur anstehenden Landtagswahl am 8. Oktober. In der Live-Sendung "BR24 Wahl – Der Talk" konfrontierten die Moderatoren Ursula Heller und Christian Nitsche die anwesenden Spitzenpolitiker der im Landtag vertretenen Parteien mit den Folgen des Skandals um die antisemitische Hetzschrift, die im Schuljahr 1987/88 im Schulranzen des heutigen Freie-Wähler-Chefs gefunden worden war.
Natürlich seien es "turbulente Zeiten" gewesen, blickte Hubert Aiwanger auf die Debatten der letzten Tage und Wochen zurück. Dass Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern, nicht "am Telefon hopplahopp eine Entschuldigung" angenommen habe, könne man jedoch auch "nicht erwarten". Knobloch habe seine Entschuldigung, so Aiwanger, "einfach so im Raum stehen lassen".
Aiwanger will "jetzt nicht noch mal Kinder- und Jugendgeschichten auspacken"
Auf die Frage von Moderator Christian Nitsche, wofür er sich nun genau entschuldigt habe, erwiderte der Freie-Wähler-Chef: "Dass als Jugendliche viele Menschen Mist gebaut haben, will glaube ich niemand abstreiten." Er müsse aber angesichts der Vielzahl der Vorwürfe "eingestehen, dass ich nach 40 Jahren im Detail nicht mehr weiß, wer wann welchen Witz erzählt hat und ob ich mitgelacht oder selber einen erzählt hab'".
Er tue nun gut daran, "in der Stunde der Bedrängnis" zu sagen: "Sollte ich irgendwo Fehler gemacht haben, entschuldige ich mich in jeder Form dafür." Einige hätten gesagt: "Wofür entschuldigst du dich überhaupt?", andere würden ihm vorhalten, er entschuldige sich nicht oder nicht genug. Aiwanger: "Wie man's macht, ist's falsch." Auf die Frage, was das Schlimmste gewesen sei, das er sich in seiner Schulzeit geleistet habe, wich der Vize-Ministerpräsident wiederum aus: "Ich werde jetzt nicht noch mal Kinder- und Jugendgeschichten auspacken."
In der Runde wurde die Flugblattaffäre kritisch, aber nicht übermäßig angriffslustig kommentiert. Womöglich auch aus der Einsicht, dass der Skandal den Freien Wählern bislang offenkundig nicht geschadet hat – sie stiegen sogar zuletzt in den Umfragen zur Landtagswahl.
"So wichtig wie Schuld und Demut ist, wir dürfen Schuld nicht inflationär über Menschen, die damals minderjährig waren, auskippen", kommentierte Martin Böhm von der AfD. FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen distanzierte sich von der Idee, jemand dürfe wegen einer Verfehlung im Teenageralter später keine politischen Ämter ausüben. Jedoch vermisse er bei Aiwanger einen aufrichtigen Umgang mit der Affäre sowie "Reue und Demut".
Herrmann will "erfolgreiche Koalition mit den Freien Wählern" fortsetzen
Während der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bekräftigte, er sehe keinen Hinderungsgrund, die "erfolgreiche Koalition mit den Freien Wählern" fortzusetzen, kritisierte Katharina Schulze von den Grünen: "Ich glaube schon, dass unser Grundkonsens in der Bundesrepublik bezüglich Erinnerungskultur Schaden genommen hat durch die letzten Tage und auch durch das Verhalten von Herrn Aiwanger."
Für SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn gehe es nicht alleine darum, "was vor 35 Jahren passiert" ist. Er setze Aiwangers Flugblattaffäre "unwillkürlich in Zusammenhang mit dem, was in Erding auf der Demonstration gesprochen worden ist". Bei jener Protestkundgebung gegen das geplante Heizungsgesetz der Bundesregierung hatte Aiwanger im Juni unter anderem gefordert, die schweigende Mehrheit in Deutschland müsse sich die "Demokratie zurückholen".
"Ich finde, das dürfen seriöse Politiker der demokratischen Mitte nicht machen, dass sie agieren wie Trump", verurteilte von Brunn die Aussage. Die Verbindung der beiden Ereignisse mache es für ihn schlimm.
"Sie belügen die Menschen, Herr Aiwanger"
Das Heizungsgesetz der Berliner Ampel-Koalition war auch im weiteren Verlauf des BR-Wahl-Talks Thema (Aiwanger: "Die Bevölkerung will das weiterhin so nicht, sie tun es trotzdem"), ebenso der Wohnungsnotstand, die schlechten wirtschaftlichen Aussichten und der dürftige Stand beim Ausbau der erneuerbaren Energien im Freistaat.
Zuletzt gerieten Aiwanger und FDP-Mann Hagen heftig zum Thema Migration aneinander. "Warum gibt die Ampel dann jedem sofort das Bürgergeld? Und warum beschleunigt die Ampel jetzt die Aushändigung des deutschen Passes, dass auch Syrer nach fünf Jahren den deutschen Pass bekommen, wenn sie nicht integriert sind?", ereiferte sich Aiwanger wiederum über Beschlüsse der Bundesregierung.
"Fake News!", fuhr ihm Martin Hagen ins Wort "Sie belügen die Menschen, Herr Aiwanger. Wir verschärfen die Kriterien sogar." Moderator und BR-Cherfredakteur Christian Nitsche verwies an dieser späten Stelle der Wahlsendung auf den nachzureichenden "Faktencheck".
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH