Ramstein – Das durchstoßene Herz

"Ramstein – Das durchstoßene Herz": Das Leid der Hinterbliebenen

24.08.2024, 09.18 Uhr
von Eric Leimann

Vor 36 Jahren ereignete sich die Flugschau-Katastrophe von Ramstein, bei der 70 Menschen ums Leben kamen. Der Film 'Ramstein – Das durchstoßene Herz' von 2022 konzentriert sich auf das Leid und die Geschichten der Hinterbliebenen. 

3sat
Ramstein – Das durchstoßene Herz
Drama • 23.08.2024 • 20:15 Uhr

Die große Tragödie

Am Sonntag, 28. August 1988 – fast auf den Tag genau vor 36 Jahren – kamen im pfälzischen Ramstein 70 Menschen auf der US Air Base während einer Flugschau ums Leben. Das Unglück geschah, als eine italienische Kunstflugstaffel nur 50 Metern über den Zuschauern zusammenstieß. Hunderte wurden verletzt, viele von ihnen schwer. Wer sich an diese Zeit erinnern kann, weiß: Flug-Shows, zu jener Zeit durchaus populär, wurden erst mal verboten. Solange, bis auch diese Form des kerosingetränkten Volksfestes irgendwann wieder auflebte. 3sat wiederholt "Ramstein – Das durchstoßene Herz", einen der besten deutschen Fernsehfilmes des Jahres 2022, zur besten Sendezeit.

Dass dieser Film wenig Raum für Helden bietet, merkt man bereits der Auswahl der Rollen und des Plots dieses SWR-Projektes von 2022 an. Es wird nicht chronologisch, sondern es werden mosaikhaft einzelne Geschichten erzählt. Trystan Pütter und Elisa Schlott verkörpern zwei Ermittler, die versuchen, in Gesprächen mit den für die Flugschau Verantwortlichen Details und mögliche Fehler zu klären. Jan Krauter spielt einen Notarzt, der die Opfer behandelt. Der Rest des Ensembles sind Opfer und Hinterbliebene: Robert Müller (Max Hubacher) etwa, der seine Frau und die beiden kleinen Kinder bei der Flugschau verliert. Der Geburtstag des kleinen Sohns sollte auf der Air Base gefeiert werden. Oder Dorothee Kleiber (Alina Stiegler), die nach dem Unglück wie in Trance zwischen verschiedenen Krankenhäusern pendelt. Drei Brandverletzte, ihre beiden Brüder und der Vater, liegen in den Hospitälern. Als einer der Brüder und der Vater sterben, muss Dorothee aus medizinischen Gründen dem schwer angeschlagenen überlebenden Bruder vorspielen, mit den anderen beiden wäre alles in Ordnung.

Erst nach und nach kam heraus: In Ramstein wurden viele Fehler gemacht. Nicht nur der Zuschauer-Abstand zu den Flugtricks war viel zu gering, auch die Rettungsmaßnahmen nach dem Unglück verliefen chaotisch und wenig koordiniert. Es gab schlichtweg keinen Präzedenzfall, kein Regelwerk, wie man bei einem Massenunglück mit unzähligen schwer Brandverletzten vorzugehen hatte. US Army, deutsche Behörden, Politik und Einsatzkräfte gaben sich lange schmallippig, wenn es um die eigene Schuld und das Versagen in Ramstein ging.

Ein RTL-Projekt über die Katastrophe scheiterte

Dass der im kollektiven deutschen Gedächtnis verankerte Fall einen reizvollen Filmstoff abgeben würde, liegt auf der Hand. RTL wollte bereits Ende der 90-er zur Tat schreiten, doch das Projekt wurde eingestampft. Ebenso wie aus den Versuchen anderer Kreativer. Über die Gründe kann man spekulieren: zu teuer in der Realisation, zu trist die Geschichte, kaum Helden – dafür aber unendliches Leid, von dem erzählt werden muss. Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt ("Die Toten von Marnow", "Gladbeck"), ein hochdekorierter Spezialist für politische Thrillerstoffe, war schon an früheren Adaptionsversuchen beteiligt – aus denen nichts wurde. 2022 schaffte es sein Herzensprojekt doch noch auf den Fernsehbildschirm: "Ramstein – Das durchstoßene Herz" entscheidet sich für einen genauen, ja fast meditativen Blick auf die Hinterbliebenen der Katastrophe. Ihre Geschichten, auch die lang anhaltenden posttraumatischen Belastungsstörungen nebst der Kraft einer Selbsthilfegruppe stellt der Film in den Mittelpunkt.

Es ist tatsächlich ein Kraftakt, den man hier wegen der langen, ruhigen Gesprächsszenen unter der genau hinschauenden Regie von Kai Wessel leisten muss. Auch die im Film porträtierte Selbsthilfegruppe gibt es wirklich. Ein Psychotherapeuten-Ehepaar kümmerte sich intensiv um die Betreuung der Opfer, als es in Deutschland kaum Wissen und Therapiekonzepte für langzeittraumatisierte Patienten gab. Insgesamt ist diese SWR-Meditation über menschliches Leid durchaus geglückt. Sie wirft Zuschauende auf existenzielle Fragen des Lebens zurück: Was bleibt, wenn alles anders ist? Wie können wir uns nach schwersten Schicksalsschlägen selbst helfen und helfen lassen?

Ramstein – Das durchstoßene Herz – Fr. 23.08. – 3sat: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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