Expertin über die Schnittmenge von Rechtsextremismus und Islamismus: "Gegen Staat, demokratische Institutionen, Diversität, Medien."



Die neue ZDF-Doku 'Am Puls' mit Dunja Hayali beleuchtet die radikale Protestkultur in Deutschland. Protestforscherin Dr. Teresa Völker erklärt Parallelen zwischen Rechtsextremismus und Islamismus. Klimaaktivistin Luisa Neubauer kritisiert die zunehmende Radikalisierung.
Krisen überall
Migration und Rassismus, Klima- und Wirtschaftskrise, dazu die Kriege in Gaza und der Ukraine: In Deutschland brodelt es. Selten wurden Debatten so erbittert geführt, selten standen sich die Lager so verfeindet gegenüber. Doch neben den verhärteten Fronten in den sozialen Medien gibt es eine neue Entwicklung zu beobachten: Die Menschen gehen wieder auf die Straße und protestieren.
Zehntausende sind es, von Klimaaktivisten und Bauern bis zu AfD-Anhängern und pro-palästinensischen Demonstranten. Meist sind sie friedlich, oft sehr laut – bisweilen aber auch extremistisch eingestellt. Wie verändert diese recht ungewohnte Bewegung unser Land? Wie radikal sind Teile der Gruppen, die da demonstrieren? Und tragen die vielfältigen Proteste eher zur Spaltung oder zur Demokratisierung bei? ZDF-Journalistin Dunja Hayali sucht in ihrer neuen "Am Puls"-Doku unter der Überschrift "Wütend, laut, radikal – die neue Protestkultur?" (abrufbar in der ZDFmediathek) nach Antworten auf schwierige Fragen.
Um das Phänomen besser zu verstehen, macht Hayali das, was sie in den vergangenen Jahren schon regelmäßig tat: Sie geht mitten rein in die Demonstrationen und spricht mit den Menschen. Seien es die Klimaaktivisten der "Letzten Generation", pro-palästinensische Gruppen oder Rechtsextreme bei Montagsdemos. Über Letztere spricht die Journalistin mit der Protestforscherin Dr. Teresa Völker.
"Zum Teil sehen die rechtsextremistischen Proteste auch relativ bunt aus"
"Wenn man sich anguckt, wie sich die Proteste von rechtsextremistischen Akteuren seit den 90-ern entwickelt haben, kann man auf jeden Fall von einer Normalisierung sprechen", erklärt Völker im Film. Sie warnt: "Es sind eben nicht mehr die klassischen Neonazis in Springerstiefeln. Wo man sagt: Hier ist der Stempel, die nutzen Gewalt und das ist gegen die Demokratie, das ist erkennbar."
Stattdessen laufe "eben der Nachbar von nebenan mit, und es ist ein nettes Auftreten", so die Expertin. Die Wirkung der Proteste sei dadurch anders. "Aber die Inhalte ändern sich nicht. Zum Teil sehen die rechtsextremistischen Proteste auch relativ bunt aus."
Für ihre Recherchen wagt sich Hayali sogar ins Umfeld jener, die die Demokratie offen ablehnen und die Errichtung eines Kalifats fordern. Dabei erkennt die Moderatorin "gewisse Parallelen" zu anderen Protesten. Das bestätigt auch Teresa Völker: "Man kann auf jeden Fall sehen, wenn man Rechtsextremismus und Islamismus als Phänomenbereich vergleicht, dass es viele Schnittmengen gibt." Vergleichbar seien beide Bewegungen etwa, "was die Feindbilder angeht". Antisemitismus sei "ein klassisches Beispiel", aber bei weitem nicht das einzige: "Es geht gegen den Staat, gegen demokratische Institutionen, gegen Diversität, gegen die Medien", weiß Völker.
"Führt langfristig dazu, dass sich Leute radikalisieren"
Dazu komme die "Opferinszenierung", ein laut Völker "klassisches Instrument, das beide für sich nutzen". Problematisch sei der Politikwissenschaftlerin zufolge auch die Reaktion der restlichen Gesellschaft auf beide Bewegungen. "Dieses 'In die Ecke stellen' führt natürlich langfristig dazu, dass sich Leute auch radikalisieren", mahnt sie. "Wenn sich Leute abkoppeln, isoliert von der Gesellschaft fühlen und zu Unrecht stigmatisiert, kann es dazu führen, dass sie sich radikalem Gedankengut zuwenden und radikale Protestformen wählen."
Von Letzteren hält Luisa Neubauer nicht viel. Die Klimaaktivistin, die im Film ebenfalls zu Wort kommt, sieht den Schlüssel für den Erfolg der Bewegungen in deren Veränderung. "Gleichzeitig macht sich in aktivistischen Kreisen auch der Eindruck breit, dass Protest nicht mehr zählt. Dass, wenn man nicht mitten auf der Straße steht oder klebt oder hungert oder sonst was macht, auch überhaupt nicht mehr gehört wird", bedauert die 28-Jährige.
Hayali fasst die Problematik zusammen: "Obwohl wir so viele Möglichkeiten der Kommunikation und Veröffentlichung haben, ist es zeitgleich schwierig geworden, mit dem eigenen Anliegen durchzudringen."
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Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH