"Des Teufels langer Atem"

Neuer "Tatort" aus Münster: "Nobody's perfect!"

von Jens Szameit

Kommissar Thiel wacht mit Filmriss auf. Die Aufnahmen einer Überwachungskamera werden ihm zum Verhängnis: Thiel steht unter Mordverdacht!

ARD
Tatort: Des Teufels langer Atem
Kriminalfilm • 16.01.2022 • 20:15 Uhr

Wie soll man ein Drehbuch kritisieren, das zur Verteidigung den größten kleinen Feldherrn der Geschichte vorbringt? "Der Zufall", zitiert Professor Boerne (Jan Josef Liefers) Napoleon Bonaparte, "ist der einzige legitime Herrscher des Universums". Das mag stimmen, und für die kleine, traumschöne Welt des Münster-"Tatorts" gilt es zweifellos im Besonderen. Wer das bisher nicht begriffen hat, bekommt es im neuen Fall "Des Teufels langer Atem" regelrecht eingetrichtert.

Das Schöne: Die Ketten der Kontingenz ergeben in diesem herrlich altmodischen Kriminalfilmprodukt zwar nicht unbedingt einen Sinn, aber doch ein Ganzes. Sie schließen sich am Ende, wie von Zauberhand (Buch: Thorsten Wettcke) geführt, auch wenn man das die längste Zeit kaum für möglich hält.

Zufällig erwacht Kommissar Thiel (Axel Prahl) in der gleichen misslichen Lage wie sein Antipode Boerne in der Folge "Die chinesische Prinzessin" von 2015: Er kommt schwer verkatert und mit "Filmriss" im Hotelzimmer zu sich. Zufällig halten Boerne und Thiel auf der Heimfahrt vom Hotel bei einer Tatort-Sicherung an einem Waldstück. Zufällig erkennt Boerne die hier zuständige Rechtsmedizinerin als seine ehemalige Studentin ("Die schlechteste, die ich je hatte!"). Zufällig erkennt Thiel im Mordopfer einen ehemaligen Hamburger Kriminalkommissar, den er selbst vor 20 Jahren des Mordes an der Ehefrau überführt hatte. Zufällig ist dessen Tochter (Kim Riedle) jene Ärztin, die bei Thiels "Vadder" (Claus. D. Clausnitzer) einen inoperablen Hirntumor diagnostiziert hat.

Gut möglich, dass an dieser Stelle selbst der Feldherr Napoleon kapituliert hätte. Boerne und Thiel aber sind bekanntlich aus lösungsorientiertem Holz geschnitzt. Zu diesem Behufe geht es diesmal gar experimentell zu. Boerne versucht, Thiels Erinnerung an die fatale Mord- und Saufnacht mit den Mitteln der Hypnose zu erwecken. Als noch wirksamer erweist sich allerdings das Überwachungsvideo einer Tankstellenkamera. Thiel muss erkennen, dass er nebst seiner nun verschwundenen Dienstwaffe in der Tatnacht mit dem späteren Opfer unterwegs war. Kommissar unter Mordverdacht – ein Klassiker.

So feiert der 40. Münster-"Tatort" die ewige Wiederkehr des gleichen Erfolgsrezepts, nicht jedoch, ohne im Detail zu verblüffen. Unter anderem darf man Zeuge sein der wohl ersten innigen Gefühlsoffenbarung zwischen Kommissar und seinem Taxi fahrenden Hippie-Papa. "Ich weiß, ich hab dir das nie gesagt, aber ich bin stolz auf dich", raunt der scheinbar Todgeweihte. "Ich sitz' wegen Mordverdacht in Untersuchungshaft!", erinnert der Filius an die prekären Gesprächsumstände. Die unschlagbare Replik: "Nobody's perfect!"

Das gilt natürlich auch für diesen "Tatort" selbst, dessen komplizierten Produktionsumständen die Regie (Francis Meletzky) prägnante Bilder abgerungen hat. Gedreht wurde im Juni und Juli 2021 viel im Münsteraner Umland und wenig in der Stadt. Jan Josef Liefers vermisste die gemeinsamen Fußballabende und spontanen Grillfeste mit dem Team. Die Freude, so bekundete er, sei "wie überall auch bei uns generell sehr eingeschränkt". Dass man es dem Ergebnis nicht anmerkt, dürfen alle Beteiligten mit gutem Recht als Erfolg verbuchen.

Tatort: Des Teufels langer Atem – So. 16.01. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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