Wiederholung im Ersten

"Lass den Mond am Himmel stehen" - stark gespielter "Tatort" aus München

21.08.2022, 09.36 Uhr
von Eric Leimann

Es war einer der besten "Tatorte" der Saison 2019/20: Die Münchener Kommissare Batic und Leitmayr dringen in die Untiefen zweier gut situierter Familien ein.

ARD
Tatort: Lass den Mond am Himmel stehen
Krininalfilm • 21.08.2022 • 20:15 Uhr

"Lass den Mond am Himmel stehen" taucht ein in die Welt zweier miteinander befreundeter, gut situierter Familien. Man lebt in einer grünen Münchener Bungalow-Siedlung. Judith (Laura Tonke) ist mit dem Chirurgen David Kovacic (Lenn Kudrjawizki) verheiratet. Mit dem halbwüchsigen Sohn Emil (Ben Lehmann) aus einer früheren Beziehung hat man es sich in einer schicken Villa gemütlich gemacht. Eines Morgens ist das Bett des Jungen leer, offenbar kehrte er von seinem Freund Basti (Tim Offerhaus) am Abend nicht zurück. Dessen Eltern (Victoria Mayer, Hans Löw), die noch die 18-jährige Tochter Hannah (Lea Zoe Voss) haben, sind eng mit den Kovacics befreundet. Doch auch sie wissen nichts über den Verbleib von Emil. Wenig später wird seine Leiche in der Isar geborgen. Der Junge wurde ermordet.

Das Leid der Mutter, die ihr einziges Kind verloren hat, ist unermesslich. Die Kommissare Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) versuchen, den Schmerz der Hinterbliebenen zu respektieren – und dennoch in einem komplexen Beziehungsdickicht Wahrheiten aufzudecken. Die vor der Tat scheinbar sorglose Welt der Jugendlichen und ihrer Familien könnte Risse aufweisen, die Hinweise auf die Tat vermitteln. Oder ist Emil doch seine jugendliche Neugier zum Verhängnis geworden? Seine Handyspur endet in der Nähe eines Parkplatzes im Wald, der als Treffpunkt für anonyme Geschlechtsakte bekannt ist.

Das Leid von Menschen, die ein Kind verloren haben, wird regelmäßig in Krimis "durchgespielt" – mit durchaus großen Qualitätsunterschieden. Die Besetzung der zurückgelassenen Mutter mit Laura Tonke ("Hedi Schneider steckt fest") ist allerdings ein kreativer Coup – da es kaum eine zweite deutsche Schauspielerin gibt, die die Fragilität des Alltags so feinnervig verkörpern kann, wie die 48-jährige Berlinerin. Ihr bei der leisen Abschiedsreise aus dem alten Leben, beim Betreten von Räumen, die eben noch vom Leben des Kindes erfüllt schienen, zuzusehen, ist einfach große Schauspielkunst. Tonke spielt wunderbar leise, doch gerade deshalb ist der Effekt so anrührend.

Überhaupt die Schauspieler – sie agieren allesamt sehr stark: "Tatort"-Dauergast Victoria Mayer, die schon im ersten, ebenfalls sehr starken Schwarzwald-"Tatort: Goldbach" von 2017 eine Mutter spielte, die mit anderen Familien um ein Kind trauerte – macht ihre Sache ebenso ausgezeichnet wie ihr Filmmann Hans Löw ("Alles Isy") oder die jugendlichen Darsteller. Verantwortlich für kammerspielhafte Glanzleistungen dieser Qualität ist jedoch auch die Kunst einer Gruppe von österreichischen Kreativen, die diesen psychologisch dichten, bärenstarken "Tatort" gezimmert haben. Das Drehbuch stammt vom Duo Stefan Hafner und Thomas Weingarten (ORF-"Tatort: Her mit der Marie"). Regie führte Christopher Schier, der gerade für seinen Polit-Thriller "Die Ibiza-Affäre" (Sky) mit einem Grimmepreis ausgezeichnet wurde.

"Tatort"-Sommerpause endet

Überragend sind auch die Bilder des Films, die mit Thomas W. Kiennast ("3 Tage in Quiberon") ein weiterer Österreicher in Szene setzte. Seine Stillleben von subtilem Leid vor tollen Wohnkulissen, die jedes High End-Architekturmagazin fotografisch schmücken würden, sind mit das Beste, was man seit langem an Kameraarbeit im "Tatort" gesehen hat. Diesen Fall zu genießen, fällt angesichts seiner traurigen Story schwer. Als dichte, mitreißende Erzählung aus dem Zentrum einer innerlich verzweifelten Wohlstandsgesellschaft heraus, ist "Lass den Mond am Himmel stehen" jedoch große Fernsehkunst.

Zwei Wochen nach diesem Ausnahme-Krimi, am Sonntag, dem 4. September 2022, endet die Zeit der sommerlichen Wiederholungen beim "Tatort" mit dem Ulrike Folkerts/Lisa Bitter-Fall "Das Verhör" aus Ludwigshafen. Auch Batic und Leitmayr werden 2022 noch einmal "neu" ermitteln. In der Folge "Mord unter Misteln" wird im Rahmen eines historischen englischen Krimi-Dinners, zu dem die beiden Kommissare geladen sind, ein Täter oder eine Täterin gesucht. Das könnte ganz schön schräg werden.

Tatort: Lass den Mond am Himmel stehen – So. 21.08. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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