"Sommer vorm Balkon"

Auch nach 20 Jahren noch aktuell: ARTE widmet Andreas Dresen einen Filmabend

04.08.2025, 06.15 Uhr
"Sommer vorm Balkon" eröffnet den ARTE-Schwerpunkt zu Regisseur Andreas Dresen. Das Großstadtdrama von 2005 beleuchtet auf charmante Weise das Leben zweier Freundinnen in Berlin.

Der Regisseur Andreas Dresen hat nicht nur gute Filme gemacht. "Whisky mit Wodka" (2009) zu Beispiel war nicht gerade das, was man eine mehrheitsfähige Geschichte nennen könnte. Es ging ums Älterwerden, was ja alle betrifft. Aber in diesem Fall spielte die Handlung in der Schauspielerszene, die zwar einigermaßen glaubhaft und selbstironisch präsentiert wird, aber eben auch sehr behäbig und ein bisschen zäh. Dennoch: Die meisten Filme Dresens sind gut. Sehr gut sogar. Am 16. August wird Dresen 62 Jahre alt. ARTE widmet dem Regisseur einen Schwerpunkt mit insgesamt sechs Filmen. Ergänzt werden sie durch die Dokumentation "Andreas Dresen – Ein Leben für den Film".

ARD
Sommer vorm Balkon
Drama • 04.08.2025 • 20:15 Uhr

20 Jahre alt - und doch auf der Höhe der Zeit

Den Auftakt bildet das charmante Großstadtdrama "Sommer vorm Balkon" (2005), das ARTE zur besten Sendezeit ausstrahlt. Geschrieben wurde es von dem renommierten und vielfach preisgekrönten Autor Wolfgang Kohlhaase. Er starb 2022.

Bis heute gibt es dieses Problem, und insofern ist der 20 Jahre alte Film absolut auf der Höhe der Zeit: Thematisiert wird der Zusammenhang der Wasserzufuhr in der Küche und in der Dusche. Frauen aus Altbauwohnungen vermögen mit ihm drastische Strafen zu erlassen. Mann duscht, Frau dreht Hahn in der Küche auf, Mann schreit, Frau lächelt. Doch Nike (Nadja Uhl) kann noch deutlicher werden in dieser Welt, die – man merkt es kaum – beinahe ohne Handys und Computer auskommt, und sich stattdessen auf das reduziert, was gestern das Wichtigste war: die Menschen und ihr Umgang miteinander. Dabei spielt "Sommer vorm Balkon" in der Gegenwart, also freilich 2005.

Balkon-Philosophie bei Nacht

Es geht um zwei Frauen, eben Nike und ihre Freundin Katrin (Inka Friedrich). Sie wohnen im gleichen Haus, eine oben, eine unten, und mit zunehmender Dauer fragt man sich schon, ob sie auch sonst Freundinnen geworden wären. Egal, nun sind sie es und bilden zugleich eine jener Gemeinschaften, die ihren Höhepunkt immer dann finden, wenn es Nacht wird und der kleine Balkon zum Philosophieren einlädt: "Der Richtige ist immer der Falsche."

Sowohl Nike als auch Katrin hätten gerne mal wieder eine Beziehung. Nike, Anfang 30, arbeitet tagsüber als Altenpflegerin, radelt durch die Stadt und besucht immer die gleichen drei alten Leute. Katrin sucht einen Job, geht zum Bewerbungstraining, führt Vorstellungsgespräche und kümmert sich um ihren kurz vor der Pubertät befindlichen Sohn Max (Vincent Redetzki), der in einer Art Parallelhandlung seine erste Liebe erlebt.

Der Fokus liegt auf wenigen handelnden Personen

Doch Wolfgang Kohlhaase, einer der wichtigsten DEFA-Autoren (er schrieb auch Dresens "Whisky mit Wodka"), gehörte zu jenen, die es nicht mögen, wenn sich ihre Bücher um zu viele Personen drehen. Und so stehen vor allem die beiden Frauen im Mittelpunkt: Nike, krass berlinernd, hat ihr Leben eine Spur besser im Griff, nimmt's leichter, was sie wohl der verbliebenen Jugend verdankt. Katrin indes, Ende 30, hat ab und an Probleme mit dem Alkohol, weil sie nach Lösungen sucht, die ihr das Leben nicht mehr zu bieten bereit scheint.

Dann taucht ein Mann auf. Ronald wird gespielt vom 2017 verstorbenen Schauspieler Andreas Schmidt. Er ist Lkw-Fahrer, einfaches Gemüt mit Arschloch-Attitüde, aber wie sich zeigt ebenfalls vom Leben um einige Erfahrungen reicher gemacht. Nike baggert ihn an, ziemlich deutlich, er macht mit, und sie haben Sex. Eine Weile lang passt sie sich ihm an, schaut gleich mit ihm Fußball, weil er das will. Und am ersten gemeinsamen Morgen, es floss wohl einiges an Alkohol, zeigt sie sich am Frühstückstisch dann doch sehr verständnisvoll: "Ich wollte ja schon immer mal die anale Sache ausprobieren." Dabei hat sie das wohl gar nicht.

Eine Aneinanderreihung vieler Momentaufnahmen

"Sommer vorm Balkon" ist ein chronologischer Film, ohne künstlerischen Schnickschnack, sichtbar mit einfachen Mitteln gedreht. Andreas Dresen verfolgt keine vorgezeichnete Handlungslinie, sondern reiht viele Momentaufnahmen aneinander. Die Dialoge klingen dabei authentisch und doch sind sie es nicht, fehlt doch jede Form moderner Sprache. Kohlhaase, Jahrgang 1931, entwickelte dennoch ein herausragendes Gefühl dafür, wie sich Freundschaft, Sehnsucht, Hoffnung, aber auch Wut und Verzweiflung auf ehrliche Weise ausdrücken.

Dass das im Film funktioniert, ist den drei herausragenden Darstellern zu verdanken, die es verstehen, mit Worten ebenso viel auszudrücken wie mit ihren Taten oder sogar ihrer Kleidung. Helden sind das alle nicht, aber auch keine klassischen Verlierer. "Sommer vorm Balkon" handelt von ziemlich normalen Menschen. Also: Augen auf für den überwundenen, kleinen Streit. Augen auf für die kleine Romantik zwischendurch – ohne Kerze, ohne Sonnenuntergang, irgendwo in einfachen Wohnungen mit einem winzig kleinen Balkon.

Fortgesetzt wird der Dresen-Schwerpunkt am Mittwoch, 6. August, 20.15 Uhr, mit dem Familiendrama "Halt auf freier Strecke". Danach, um 22.00 Uhr, folgt die Dokumentation "Andreas Dresen – Ein Leben für den Film" von Jana von Rautenberg, die den Regisseur durch das Jahr 2023 begleitet. Online stehen vier weitere Filme zur Verfügung: "Nachtgestalten", "Wolke 9", "Halbe Treppe" und "Stilles Land".

Sommer vorm Balkon – Mo. 04.08. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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