Angesichts des politische Durcheinanders freut man sich nicht nur im Freistaat, sondern in der ganzen Bundespolitik auf den Nockherberg und die hoffentlich scharfe "Predigt" der Kabarettisten Luise Kinseher.
Es ist neben den fränkischen Faschingsübertragungen aus Veitshöchheim eines der publikumsträchtigsten, beliebtesten und schlagzeilentauglichsten Fernsehereignisse im BR-Programm: der alljährliche Aufgalopp der mehrheitlich weißblauen Politprominenz, die nur deswegen zum traditionellen Starkbieranstrich anreist, um sich gehörig abwatschen zu lassen. Das Politiker-"Derbleckn", der frotzelnd-satirische, gerne aber auch anarchisch-respektlose Umgang mit den sogenannten "Großkopferten", hat im Freistaat Tradition, folgt aber strengen Regeln. Für die Spitzenpolitiker, die in der Festrede, die diesmal wieder die Kabarettistin Luise Kinseher in ihrer angestammten "Mama Bavaria"-Landesmutterrolle hält, aber auch im Singspiel durch den Kakao gezogen werden, gilt nur eine Überlebensdevise: Immer schön lächeln, bitte, auch wenn's wehtut!
Verbissenheit passt nicht zum "Nockherberg". Und auch nicht, dass man sich im Nachhinein künstlich über fiese Nadelstiche oder platte Derbheiten beschwert. Kneifen durch Fernbleiben von der Veranstaltung toleriert Volkes Seele, die hier direkt gestreichelt wird, ebenfalls nur sehr ungern. Den Spott, den Bayerns Mächtige einmal im Jahr ritualisiert über sich ergehen lassen, muss man aushalten können. Oder man sollte schweigen. Allein schon deswegen, weil der BR überall im Festsaal Kamerateams aufgebaut hat und Saal-Reporter sofort losschickt, wenn einer der angegriffenen Politiker aus der ihnen zugedachten Dulder-Rolle auszubrechen wagt. Natürlich ist auch das Schnitt-Gegenschnitt-Prinzip in der Kameraführung ein wesentliches Stilelement der Übertragung. Je heftiger Luise Kinseher die Führungselite im Land attackiert, desto unweigerlicher folgt der Schwenk auf den betroffenen Politiker, der natürlich gute Miene dazu machen muss.
In diesem Jahr könnte die satirische Ausgangslage kaum spannender sein: Nach langem Hin und Her hat sich der langjährige Ministerpräsident Horst Seehofer bekanntlich dazu durchgerungen, zumindest im Freistaat die Macht auf seinen von ihm offenbar lange ungeliebten Nachfolger Markus Söder zu übergeben. Damit verschieben sich die Gewichte – auch in künstlerischer Hinsicht: Wird Bayern jetzt unter dem Franken Söder protestantischer, spröder, weniger sinnlich-barock? Kaum vorzustellen, punktete doch zumindest auf den Veitshöchener Faschingsfeiern immer ein und derselbe Promi mit den ausgefallensten Verkleidungen: Markus Söder!
Mit Spannung erwartet werden in diesem Jahr auch Gestus und Dramaturgie des traditionellen "Singspiels", das zuletzt unter der Regie von Erfolgsregisseur Marcus H. Rosenmüller ("Wer früher stirbt, ist länger tot") eine enorme Renaissance erfuhr und regelmäßig frenetisch bejubelt wird. Aus Zeitgründen wird das eingespielte Team aus Rosenmüller und seinem Filmmusikerfreund Gerd Baumann für die gespielte Politiker-Groteske diesmal nicht mehr verantwortlich zeichnen. Beide hatten sich im vergangenen Jahr wohl auch auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs verabschiedet. Nun konzipierten Richard Oehmann und Stefan Betz das Singspiel-Treiben.
Der BR bettet die "Nockherberg"-Übertragung, die um 19.00 Uhr beginnt, traditionell in einen üppigen Themenabend ein, bei dem unter dem Titel "Sauber derbleckt" um 21.30 Uhr das Gespräch mit den Protagonisten nicht fehlen darf. Amelie Fried und Christoph Deumling knöpfen sich die prominenten Gäste direkt im Anschluss an das Spektakel vor und diskutieren mit ihnen die Höhepunkte von Fastenpredigt und Singspiel der Starkbierprobe. Ebenfalls den Charakter einer Nachbetrachtung – auch mit vielen schönen Szenen aus den Darbietungen – wird dann um 23.00 Uhr die BR-Sendung "Bayern, Bier und Politik" haben. Moderiert wird diese Sendung von Ursula Heller und Werner Schmidbauer.