Brennpunkt: Bauernproteste in Deutschland
08.01.2024 • 20:15 - 20:30 Uhr
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Originaltitel
Brennpunkt
Produktionsland
D
Produktionsdatum
2024
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Franz Beckenbauers Vita unterm Brennglas: Von der Lichtgestalt zum "Buhmann"

Von Julian Weinberger

Er gilt als Deutschlands bester Fußballer aller Zeiten, doch heute hat Franz Beckenbauers Denkmal erhebliche Kratzer. Ein toller BR-Dokumentarfilm versprüht dank der sportlichen Glanzlichter des "Kaisers" jede Menge Nostalgie. Nur der WM-Skandal kommt etwas kurz.

Der Schein der einstigen Lichtgestalt flackert mittlerweile zunehmend schwach. Das liegt einerseits daran, dass sich Franz Beckenbauer aufgrund gesundheitlicher Probleme bis auf sehr wenige Ausnahmen aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Andererseits hat der Ruf des Kaisers in den vergangenen Jahren gelitten – Stichwort WM-Vergabe 2006. Die Schatten, die sich seither über Beckenbauers Vita gelegt haben, werden im abendfüllenden BR-Dokumentarfilm "Beckenbauer", nun in der Primetime im Ersten zu sehen, zwar nicht ausgeklammert, in großen Teilen ist der Film von Philipp Grüll und Christoph Nahr aber nostalgische Heldenschau. Bereits am 2. Januar steht der Film in der Mediathek bereit.

Mit welcher Akribie das Regie-Duo Archivaufnahmen durchgegraben hat, merkt man dem 90-Minüter in jeder Sequenz an. Da treffen körnige Schwarz-Weiß-Bilder aus dem Beckenbauer'schen Familienalbum auf unzählige Spielszenen, beginnend Anfang der 60er-Jahre. Damals sei Beckenbauer als "schmächtiges Krischperl" und "a bissl schmalbrüstig" zum FC Bayern gekommen, erinnert sich Kulttorwart Sepp Maier. Doch seine technischen Fähigkeiten und seine "virtuose Leichtigkeit" (Joschka Fischer), die ihn später charakterisierten, hätten den Franz schon damals ausgemacht.

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Beckenbauer macht Fußball im Bildungsbürgertum "plötzlich interessant"

Chronologisch fliegt man als Zuschauer mit Beckenbauer durch seine Karriere, die schon früh von großen Erfolgen geprägt ist: DFB-Pokalsieg 1966 mit den Bayern, dann der Aufstieg zum internationalen Star dank der WM 1966. "Er wurde eine Person, die angehimmelt wurde und die ihren Weg machen würde", beschreibt Günter Netzer den begnadeten Kicker. Doch der Erfolg – dank Manager Robert Schwan auch als Werbegesicht – brachte auch seine Schattenseiten.

"Für mich persönlich war er der Schlimmste, der je aufgetaucht ist in der Familie", hat Beckenbauers älterer Bruder Walter keine guten Erinnerungen an dessen Mentor Schwan. "Eine Annäherung zu meinem Bruder war in diesen Jahren unmöglich." Auch sonst, so zeichnet es der sehenswerte Dokumentarfilm nach, stand Fußball für Beckenbauer immer an erster Stelle. "Ich konnte mich nicht um familiäre Probleme kümmern. Mein Bestreben war der Fußball", skizziert der "Kaiser" aus dem Off heraus. Vor der Kamera taucht er nicht auf.

Abseits des Platzes avanciert Franz Beckenbauer zum wohl ersten richtigen Star der Fußballbranche – und entfaltet Strahlkraft über das Stadion hinaus. "Im Bildungsbürgertum war der Fußball plötzlich interessant", erinnert sich der einstige deutsche Innenminister Otto Schily. "Sie haben damit gespielt, wie Rockstars zu sein", fügt Schriftsteller Albert Ostermaier über die "Kunstfigur Franz Beckenbauer" und dessen Kollegen um Günther Netzer hinzu.

Zwischen FCB-Dominanz um WM-Titel: Franz Beckenbauers goldene Jahre

Sportlich erlebt Beckenbauer Anfang der 70er-Jahre seine beste Zeit. Mit "der goldenen Generation des FC Bayern" (Schily) eilt er von Sieg zu Sieg, von Titel zu Titel. Mit der DFB-Elf krönt er sich 1974 zum Weltmeister im heimischen München – und das, obwohl Paul Breitner zugibt, er habe nach dem 0:1-Rückstand im Finale gegen die Niederlande "heim zu Mami" gewollt. Doch Beckenbauer habe echte Führungsqualitäten bewiesen, sei "ein echter Kapitän" gewesen, der sich für die "Drecksarbeit" nicht zu schade gewesen sei, lobt Günther Netzer. Weitere sportliche Stationen, die Flucht zu Cosmos New York und das wenig erfolgreiche Comeback beim HSV fehlen ebenso wie die Trainerlaufbahn samt WM-Titel 1990 auch nicht.

Viel Platz räumen die Filmemacher den Frauen in Beckenbauers Leben ein. "Der Anfang der Beziehung war sehr kompliziert. Mein Vater hatte große Bedenken", erzählt etwa Diana Sandmann, mit der die Fußballlegende in den 1980er-Jahren zusammen war. Sie löste gewissermaßen nahtlos Beckenbauers erste Ehefrau Brigitte ab und war an seiner Seite, als der sich nach Steuervorwürfen ein neues Leben in New York aufbaute: "In Amerika konnte er eigentlich das erste Mal wie ein freier Mensch leben." Wie "ein kleiner Junge" mit Entdeckerdrang habe er den Alltag in New York bestaunt, beschreibt Sandmann im Film. 1984 zerbrach die Beziehung, es folgten die spätere zweite Ehefrau Sybille ("Franz war mein Lebensmensch") und Heidrun, mit der Beckenbauer seit 2006 in dritter Ehe verbunden ist.

Joschka Fischer über WM-Skandal: "Es ein Stück weit Heuchelei"

So bleiben bei "Beckenbauer" unter dem Strich nur 15 Minuten für ein Stück filmische Tabula rasa. "Das ist ein Haifischbecken, das nicht nach moralischen Kriterien funktioniert", konstatiert Joschka Fischer über die FIFA. Beckenbauer sei als WM-Botschafter für das deutsche "Sommermärchen" das "nationale Sonntagskind" gewesen. Doch auf das rauschende Fußballfest folgen schwerwiegende Korruptionsvorwürfe gegenüber dem "Kaiser". Dazu schreibt er mit der Äußerung, er habe im späteren WM-Ausrichterland Katar noch keinen einzigen Sklaven gesehen, Negativschlagzeilen.

"Er hat sich in der Wortwahl vertan", räumt Beckenbauers späterer Manager Marcus Höfl ein. Ostermaier diagnostiziert dem heute 78-Jährige einen "Schock" darüber, "auf einmal moralisch infrage gestellt" worden zu sein. Zusätzlich ereilt Franz Beckenbauer mit dem Krebstod seines Sohns Stefan 2015 ein Schicksalsschlag. "Er war ohnmächtig dem Sterben seines Sohns gegenüber", so Ex-Lebensgefährtin Diana Sandmann. Laut Sybille Beckenbauer habe ihr Ex-Mann den Verlust "sehr in sich hineingefressen".

Ob das auch für Beckenbauers Umgang mit den nunmehr verjährten Korruptionsvorwürfen gilt, lässt der Film offen. "Diese Skandalisierung scheint mir übertrieben", kommentiert stattdessen der kürzlich verstorbene Politiker Wolfgang Schäuble. "Die Deutschen wollten die WM, und wir waren froh, dass wir einen Franz Beckenbauer hatten", gesteht Joschka Fischer ein. Dass man ihn als "Buhmann" abstempelte, habe Fischer nie nachvollziehen können. "Insofern ist es ein Stück weit Heuchelei, wir müssten uns auch selbst bezichtigen." Beckenbauer selbst taucht im Dokumentarfilm nicht auf, nur so viel verrät Bruder Walter über das "ständige Auf und Ab": Franz Beckenbauer gehe es "nicht gut".

Beckenbauer – Mo. 08.01. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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