Das Löwenmädchen
20.12.2019 • 20:15 - 22:05 Uhr
Spielfilm, Drama
Lesermeinung
Das "Löwenmädchen" Eva Arctander (Ida Ursin-Holm) hat sich einen Platz im Leben erkämpft.
Vergrößern
Bahnhofsvorsteher Gustav Arctander (Rolf Lassgård) tut sich lange schwer, seine übermäßig behaarte Tochter Eva (Mathilde Thomine Storm) vor die Haustür zu lassen.
Vergrößern
In einer Kurklinik trifft das Löwenmädchen Eva Arctander (Mathilde Thomine Storm, re.) auf Eva Grjothornet (Connie Nielsen, li.).
Vergrößern
Das Löwenmädchen Eva Arctander (Mathilde Thomine Storm) möchte sein Leben stärker selbst bestimmen.
Vergrößern
Originaltitel
Løvekvinnen
Produktionsland
N, D, S
Produktionsdatum
2016
Spielfilm, Drama

Mehr als eine Freak-Show

Von Eric Leimann

Die Verfilmung des gleichnamigen, hochgelobten Bestsellers von Erik Fosnes Hansen erzählt von einem Kind, das 1912 mit seltenem Gendefekt zur Welt kommt: Das "Löwenmädchen" ist am ganzen Körper – auch im Gesicht – mit dichtem blondem Haar bewachsen.

In der fiktiven Biografie "Das Löwenmädchen" erzählt der norwegische Autor Erik Fosnes Hansen ("Choral am Ende der Reise") davon, wie 1912 in der skandinavischen Provinz ein Kind geboren wird, das am ganzen Körper mit dichtem, goldblondem Haar bewachsen ist. Die Mutter stirbt bei der Geburt. Der Vater, gespielt vom schwedischen Charakterkopf Rolf Lassgård, versteckt das Mädchen anfangs. Er scheut den direkten Kontakt zu seiner Tochter und überträgt die Verantwortung einem Kindermädchen. Doch der selbstbewusste "Freak" wächst heran und sucht seinen Weg nach draußen, mitten ins Leben hinein. Kann das gutgehen? ARTE zeigt das bilderprächtige Kino-Drama als deutsche Erstausstrahlung.

Auch wenn die Geschichte des hochbegabten Löwenmädchens ausgedacht ist, den beschriebenen Gendefekt gibt es tatsächlich. Einige Dutzend Fälle wurden seit dem Mittelalter dokumentiert. Im weitgehend gut bis euphorisch besprochenen Roman des Norwegers Hansen, erschienen 2006, geht es natürlich nicht nur um den tragikomischen Effekt eines Mädchens mit Fell im Gesicht. Es dürfte kein Zufall sein, dass der Autor seine Geschichte in einer Zeit ansiedelte, da einem das Fremde, Andersartige weniger oft begegnete als heute und die Menschen seltsame Auswüchse des Körpers auf Jahrmärkten gegen Entgelt begutachteten.

PRISMA EMPFIEHLT
Täglich das Beste aus der Unterhaltungswelt bequem in Ihr Mail-Postfach? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter "PRISMA EMPFIEHLT" und erhalten ab sofort die TV-Tipps des Tages sowie ausgewählte Streaming- und Kino-Highlights.

Um das Leben in einer solchen Freak-Show geht es auch in der Mitte des Films, als Hauptfigur Eva sich der tingelnden Kompanie Johannes Joachims (Burghart Klaußner) anschließt, der neben anderen seltsamen Menschen auch einen lederhäutigen Echsenmann (Ken Duken) im Programm aufbietet. Die Irritation der klugen Eva hält allerdings nicht lange an. Zuvor sah man sie als selbstbewusste Siebenjährige (Aurora Lindseth Løkka), die sich bei Disputen mit dem Vater nicht länger in einen dunklen Verschlag einschließen lassen will. Die auch jene Markierungslinie, die der strenge Erzeuger und Bahnhofsvorsteher einen Schritt hinter den Fenstern nach draußen zog, immer wieder überschreitet. Eva will gesehen werden. Sie möchte in die Schule und mit anderen Kindern spielen.

Coming-of-Age-Geschichte einer Außenseiterin

Erste Auftritte in der Öffentlichkeit funktionieren recht gut. Fast könnte man meinen, die norwegisch-ländliche Gesellschaft um das Jahr 1920 herum war in etwa so tolerant wie eine großstädtische Hipster-Community in – sagen wir – Deutschland. Trotzdem gilt es auch Rückschläge zu verarbeiten, denn an Evas Außenseitertum besteht kein Zweifel. Ein kurzer Blick in den Spiegel oder einen klaren norwegischen See genügt. Liebesenttäuschungen des Löwenmädchens, Mathilde Thomine Storm spielt die 14-Jährige, Ida Ursin-Holm die junge Erwachsene, bleiben nicht aus. Dennoch könnte man Vibeke Idsøes ("Karlsson von Dach", 2002) Film fast schon als positives Erbauungskino bezeichnen. Das selbstbewusste Löwenmädchen kommt abseits periodisch-dramaturgisch auftretender Krisen ganz gut durchs Leben. Wo das Ganze hinführt, wird natürlich nicht verraten.

"Wenn man jung ist, denkt man, dass Schönheit das Leben selbst ist. Aber was ist Schönheit?" Eine nach gängigen Idealen perfekt aussehende, aber nicht mehr ganz junge Frau (Connie Nielsen) spricht diesen Satz in der Mitte des Films zum fast erwachsenen Löwenmädchen. Es ist einer der wenigen Momente, in denen die Regisseurin und Drehbuchautorin versucht, eine zweite Ebene über der klassisch erzählten Coming-of-Age-Geschichte einzuziehen. Der in schöne, aber auch ein bisschen erwartbare Bilder gegossene Film bleibt bisweilen zu sehr an der Oberfläche haften.

Mit Conor O'Sullivan ("The Hours", "The Dark Knight", "X-Men", "Game of Thrones") konnte immerhin einer der Top-Maskenbildner Hollywoods gewonnen werden, auch wenn Special Effects in diesem sehr klassischen Filmdrama kaum eine Rolle spielen. Die Tatsache, dass Evas Leben als Chance und nicht nur dramatisch triefende Bürde gesehen werden kann, fügt bereits bekannten Außenseiterfilmen immerhin neue Gedanken hinzu. So ist "Das Löwenmädchen" ein guter Anlass, mal wieder über Ausgrenzung und das Fremde in der eigenen Umgebung nachzudenken. Auch darüber, wie man sich selbst fühlen würde – mit Fell im Gesicht.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

Darsteller

Rolf Lassgård
Lesermeinung
Etablierter Darsteller: Ken Duken.
Ken Duken
Lesermeinung
Schöne Dänin: Connie Nielsen.
Connie Nielsen
Lesermeinung

Top stars

Marco Girnth in Leipzig.
Marco Girnth
Lesermeinung
Caroline Peters 2022 bei der Premiere von "Der Nachname".
Caroline Peters
Lesermeinung
Schauspielerin Marisa Tomei bei der Premiere des Films "Spider-Man: No Way Home" in Los Angeles.
Marisa Tomei
Lesermeinung
Sportmoderatorin Laura Papendick am Spielfeldrand.
Laura Papendick
Lesermeinung
Kate Mara nicht Max Mara.
Kate Mara
Lesermeinung
Ich baller genauso gerne wie Sabata! Yul Brynner 
als Indio Black
Yul Brynner
Lesermeinung
Als Dr. House weltberühmt: Hugh Laurie
Hugh Laurie
Lesermeinung
Publikumsliebling mit markanten Gesichtszügen: Jean Reno
Jean Reno
Lesermeinung
Dietmar Bär ist Hauptkommissar Freddy Schenk im Kölner "Tatort".
Dietmar Bär
Lesermeinung

Das beste aus dem magazin

Claudia Michaelsen ist als "Polizeiruf 110"-Kommissarin zu sehen.
HALLO!

Claudia Michelsen: "Es geht um zunehmend verloren gehende Empathie"

"Polizeiruf"-Kommissarin Claudia Michelsen spricht im Interview über ihre Figur, Moral in Krimis und ihre kommenden Projekte.
Stefan Fink ist Leiter einer Apotheke in Weimar 
und Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands des Deutschen 
Apothekerverbands.
Weitere Themen aus dem Magazin

Haarausfall – was hilft?

Stefan Fink ist Fachmann für das Thema Haarausfall. In der Arzt-Kolumne gibt der Apotheker Tipps für eine Behandlung.
Michael Kaeshammer ist ab Mitte Mai auf Deutschland-Tournee.
Weitere Themen aus dem Magazin

Michael Kaeshammer: „Wenn man nichts zu sagen hat, kann man nichts Echtes kreieren“

Michael Kaeshammer füllt in Nordamerika große Säle und hat im kanadischen TV sogar seine eigene Kochshow namens „Kaeshammer‘s Kitchen“. Seine Musik, natürlich vom Jazz beeinflusst, vereint Pop, Blues und Rock’n‘Roll - und überzeugt nicht zuletzt durch Kaeshammers einzigartigen und mitreißenden „Crossover Style“. Mit seinem neuen Album „Turn It Up“ möchte der gebürtige Offenburger, der in jungen Jahren ausgewandert ist, auch in Deutschland den Durchbruch schaffen. prisma hat mit dem Musiker gesprochen.
Ian Hill von Judas Priest!
Star-News

Ian Hill: "Kein Wunder, dass damals so ziemlich jeder übergeschnappt ist"

Ian Hill ist der Bassist der Heavy-Metal-Band Judas Priest. Im Interview spricht der Engländer über die wilden 80er, wie ihre Musik geprägt hat und über vieles mehr.
Professor Dr. Sven Ostermeier
ist Facharzt für Orthopädie und 
Unfallchirurgie, Sportmedizin, 
Chirotherapie und spezielle 
orthopädische Chirurgie. Der 
Schulter- und Knie-Experte arbeitet als leitender Orthopäde 
der Gelenk-Klinik Gundelfingen. 
Außerdem ist er Instruktor der  Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie (AGA).
Weitere Themen aus dem Magazin

Sportlich fit bis ins hohe Alter – so geht´s

Welche Sportarten Best Ager ab 55 Jahren starten können und welche besser nicht, hat prisma Sportmediziner Dr. Sven Ostermeier im zweiten Teil der Serie „Sport im Alter“ gefragt.
Dr. Melanie Ahaus 
ist niedergelassene Kinder- und Jugendärztin in Leipzig und Sprecherin 
des Berufsverbandes der Kinder- und 
Jugendärzt*innen 
in Sachsen.
Weitere Themen aus dem Magazin

Dellwarzen – lästiges Mitbringsel aus dem Schwimmbad

Dellwarzen sind ein lästiges Mitbringsel aus dem Schwimmbad. Dr. Melanie Ahaus erklärt in der prisma Arzt-Kolumne, was am besten dagegen hilft.