Es gibt Dinge, über die man in Deutschland nicht gerne spricht: Wenn es ums Gehalt geht, halten sich die meisten bedeckt. Eine ZDF-Doku wagt sich nun an das heikle Thema – und verspricht "Die Wahrheit über Arbeit und Geld" offenzulegen.
Und, was verdienst du eigentlich? – Eine Frage, die man auch im engsten Freundeskreis hierzulande eher selten hört. Noch seltener gibt es allerdings eine ehrliche Antwort darauf: Das Gehalt gilt nach wie vor als Tabuthema, egal, ob es um das eigene geht oder jenes von Kollegen, Kumpels und Chefs. Wie sich also diesem großen Geheimnis nähern? Eine neue ZDF-Doku macht es vor – und geht einfach in die Offensive: Nicht weniger als "Die Wahrheit über Arbeit und Geld" verspricht der 45-minütige Film, in dem Journalistin Sarah Tacke dem großen Mysterium auf den Grund geht: "Was verdient Deutschland?". Beim Nachforschen erhält sie prominente Unterstützung von Schauspieler Martin Brambach, der in fiktionalen Szenen einen Angestellten bei der Gehaltsverhandlung gibt. Ein informativer wie humorvoller Blick auf das laute Schweigen in Sachen Lohn.
"Spannendes Thema, aber nein, danke": Diesen Satz bekamen die Filmemacher Maik Gizinski und Juliane Kussmann bei ihren Recherchen oft zu hören. Über ihr Gehalt vor der Kamera sprechen wollen die allermeisten Menschen nicht. Allein 87 Absagen hagelte es demnach von den Geschäftsführern, Vorständen und CEOs der großen deutschen Firmen; fast genauso viele Arbeiter und Angestellte mit gesetzlichem Mindestlohn lehnten ab. Das Gehalt, es scheint bisweilen mit unangenehmen Gefühlen wie Scham behaftet.
Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass die Schere zwischen Gering- und Großverdienern immer weiter auseinanderklafft, wie der Film aufklärt: Während eine Mindestlohn-Vollzeitstelle rund 2.220 Euro monatlich abwirft, verdient mancher DAX-Manager 38.000 Euro – wohlgemerkt am Tag. "Alle machen sich den Teller voll. Ich möchte auch was vom Kuchen abhaben!", fordert folgerichtig "Tatort"-Ermittler Brambach in seiner Rolle als Versicherungskaufmanns Schrader.
Trotz der großen Vorbehalte gelingt es Sarah Tacke, mit Verdienern aller Couleur zu sprechen. Sie trifft auf Menschen wie Hannelore Jobski, die in einer Reinigungsfiliale in Nordrhein-Westfalen arbeitet und offen von ihren Geldsorgen berichtet: "Ich bin seit 25 Jahren in der Branche. Die Arbeit macht mir Spaß, aber das Geld reicht nur, weil wir in meinem Elternhaus wohnen und keine Miete zahlen müssen." Zwar profitiert sie wie viele andere vom höheren Mindestlohn und vom Fachkräftemangel, der die Unternehmen zwingt, für Arbeitnehmer attraktiver zu werden. Doch auch wenn viele Gehälter 2024 gestiegen sind – noch immer gehören 30 Prozent der Haushalte zur sogenannten "Unterschicht", wie die Dokumentation aufzeigt. Zahlen, Statistiken und Zusammenhänge, die Martin Brambach als verzweifelter Angestellter augenzwinkernd und anschaulich illustriert.
Zu Wort kommen in der pointierten Dokumentation auch jene am oberen Ende der Gehaltsskala: Menschen wie Simone Carstens, die als Telekom-Managerin in Bonn gutes Geld macht und dabei die berufliche mit der familiären Verantwortung vereinbaren muss. Sie glaubt, dass es "einer gewissen Leistung bedarf, um weiterzukommen". Es gehe ums Lernen und um Disziplin: "Also, man bekommt nichts geschenkt!" Eine Ansicht, die auch Ingrid Hofmann teilt: "Geld ist für mich umgewandelte Energie", sagt die Geschäftsführerin einer Zeitarbeitsfirma, die sich einst hochgearbeitet hat und nun 16.000 Mitarbeitende auf der ganzen Welt unter sich hat.
Die Botschaft, die auch Sarah Tacke von der wohlhabenden Oberschicht mitnimmt: "Wer auf dem Niveau arbeitet und Geld verdient, bringt Disziplin, Fleiß und Ehrgeiz mit." Und doch frage sie sich: "Gibt es nicht viele, die genau diese Tugenden auch haben und das Geld nicht verdienen?"
Der Chef erhält Unsummen, die Angestellten nur einen Bruchteil davon: Dass das nicht zwingend so sein muss, zeigt die Dokumentation am Beispiel Norwegens – ein Schauplatz, der im Film als Kontrastfolie zu den deutschen Verhältnissen dient. Auch hier sprach Sarah Tacke mit Menschen, die verschieden viel verdienen. Mit dem großen Unterschied, dass die Fallhöhe hier viel geringer ausfällt. Dazu beitragen könnte laut Ansicht der Filmemacher ein simpler Mechanismus: Alle Gehälter in Norwegen können online von jedem völlig legal eingesehen werden. Jeder weiß hier, was der andere verdient, kurzum: totale Transparenz.
Und so ist in Norwegen auch das Gehalt von Ståle Kyllingstad allgemein bekannt, seines Zeichens CEO eines Öl- und Gaskonzerns in Stavanger. Dass seine Landsleute wissen, dass er fünf Millionen Euro verdient, tangiert ihn allerdings nur wenig, wie er im Gespräch mit Sarah Tacke sagt: "Für mich ist das kein Problem, das macht mir nichts aus. Wenn Leute hinter meinem Rücken tuscheln, kann ich damit umgehen. Und ehrlich gesagt, es ist mir auch ziemlich egal."
Die Wahrheit über Arbeit und Geld – Di. 02.09. – ZDF: 20.15 Uhr