Die Deutschen müssen sich beim "Eurovision Song Contest 2023" von Kommentator Peter Urban verabschieden und stellen sich zum ersten Mal mit einem Metal-Song dem Wettbewerb. Und wer gewinnt? Eine verführerische Schwedin oder doch der rappende Rammstein-Freak aus Finnland?
Zumindest der Ablauf eines eher ungewöhnlichen Eurovisons-Abende im Ersten bleibt gleich: Mit "ESC – Der Countdown", ab 20.15 Uhr, moderiert von Barbara Schöneberger "live" aus Liverpool, wird der größte europäische Gesangswettbewerb eingeleitet. Gäste wie Max Mutzke, Sylvie Meis, Cesár Sampson und Luca Hänni sollen das Publikum gemeinsam mit der Moderatorin einstimmen. Um 21 Uhr, unterbrochen von fünf Minuten "Das Wort zum Sonntag" (20.55 Uhr), kommt dann der tatsächliche Wettbewerb in Gang: 37 Länder und ihre Lieder streiten um den Siegertitel in der Sendung "Eurovision Song Contest 2023 – Finale aus Liverpool". 2023 wird die Megashow zum 25. und letzten Mal vom mittlerweile 75 Jahre alte Musikexperten Peter Urban kommentiert. Nach Stimmabgabe und dem nochmaligen "Abfeiern" des Siegertitels klingt der Abend ab 0.45 Uhr mit "ESC – Die Aftershow" aus. Dann wird unter dem "therapeutischen Beistand" von Barbara Schöneberger aus Liverpool den Ergebnissen des Abends nachgespürt. Vielleicht heißt es aus deutscher Sicht dann wieder: Wunden lecken! Oder eben nicht. Wer weiß das schon!
Doch kommen wir zu den Besonderheiten: Im Mai 2022, einige Wochen nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, gewann in Turin die ukrainische Band Kalush Orchestra mit dem Lied "Stefania". Ein ESC-Wettbewerb 2023 in der Ukraine wäre aufgrund des nach wie vor andauernden Krieges jedoch nicht möglich gewesen. Die britische BBC sprang ein – Großbritannien hatte 2022 mit Sam Ryder Platz zwei belegt – und wählte als Austragungsort die Liverpool Arena. Eine Halle, die normalerweise 11.000 Plätze bietet. Wegen der großen Bühne gibt es an diesem Abend jedoch nur etwa 6.000 Plätze. 3.000 Tickets sollen für Ukrainerinnen und Ukrainer reserviert bleiben, die mit einem Visum in Großbritannien leben. Moderiert wird die Show von BBC-Ikone Graham Norton, "Ted Lasso"-Schauspielerin Hannah Waddingham, der englischen Pop-Sängerin Alesha Dixon und ihrer ukrainischen Kollegin Julia Sanina.
Ungewöhnlich könnte es 2023 allerdings nicht nur wegen des Ukraine/UK-Veranstalter-Mixes werden. Auch musikalisch wird ein relativ offenes Rennen erwartet: Jene Zeiten, in denen man vorher schon wusste, welche Art von Musik das Rennen machen würde, scheinen endgültig vorbei, weil es keinen typischen ESC-Stil mehr gibt. Vom sanften portugiesischen Jazzsong eines Salvador Sobral (Sieger 2017) bis hin zum schrillen Sieger-Hardrock der italienischen Måneskin (2021) ist tatsächlich alles möglich. 2023 versucht es auch Deutschland mit neuen Klägen: die Hamburger Band Lord Of the Lost gilt bei den Buchmachern mit ihrem Glam Metal-Song "Blood & Glitter" zwar als Außenseiter, doch immerhin probiert man aus deutscher Sicht mal etwas Neues.
Mit am höchsten gehandelt wird von den Wettanbietern übrigens die schwedische Vertreterin Loreen mit ihrem Lied "Tattoo", das auf ABBA-Melodien, Elektrobeats und eine hymnische Melodie setzt. Eine sozusagen klassische ESC-Bewerbung. Ganz anders der Finne Käärijä mit dem abgedrehten, aber auch mitreißenden "Cha Cha Cha" – eine Mischung aus Rammstein-Wucht und Elektro-Rap. Auch dieser Song wird hoch gehandelt. Außerdem in erweiterten Favoritenkreis und vielleicht das beste Gesamtpaket: die armenische Sängerin Brunette mit ihrem hymnisch-geheimnisvollen "Future Lover".
Musikalisch erstaunlich und deshalb beachtenswert sind außerdem: Österreich mit einer sehr skurrilen weiblichen Dance-Pop Hommage an Edgar Allen Poe (Teya & Salena mit "Who The Hell Is Edgar?"), Spanien mit der starken Modern Flamenco-Nummer "EAEA" von Blanca Paloma oder die mal wieder sehr (kunst)ambitionierten Tschechen (Vesna mit "My Sister's Crown"). Fest steht, die Genre-Vielfalt eines Musikwettbewerbs war selten so groß wie beim ESC 2023 – wobei mindestens die halbe Miete mal wieder die optische Wucht der Bühnenauftritte in der Beatles-Stadt Liverpool ausmachen dürfte. Ob Deutschland trotz aller Bemühungen 2023 mal wieder den letzten Platz belegt – was bisher 1964, 1965, 1974, 1995, 2005, 2015, 2016 und 2022 der Fall war? ESC-Stimme Peter Urban wäre dies zu seinem Abschied definitiv nicht zu wünschen.
"Ich sehe keine Ausnahme-Nummern, die alles wegfegen. Insofern wird es eine spannende Angelegenheit", glaubt Urgestein Peter Urban vor seinem großen ESC-Finale. Zu seinem Abschied sagt er im teleschau-Interview: "Mich hat niemand dazu gedrängt. Ich habe im letzten Jahr meine Autobiografie geschrieben und dabei ein dreiviertel Jahr über mein Leben nachgedacht. Im Frühjahr bin ich 75 geworden, und ich kommentiere meinen 25. ESC. Diese Zahlen sprechen für eine runde Sache. Außerdem hätte ich keine Lust auf Kommentare wie: 'Wann hört der alte Zausel endlich auf?" Urban: "Man hört dann auf, wenn noch alles gut ist."
Eurovision Song Contest 2023 – Sa. 13.05. – ARD: 20.15 Uhr