Gefangen
30.10.2024 • 20:15 - 21:45 Uhr
Fernsehfilm, Drama
Lesermeinung
Vergrößern
Vergrößern
Vergrößern
Vergrößern
Originaltitel
Gefangen
Produktionsland
D, SRB
Produktionsdatum
2021
Fernsehfilm, Drama

Wann ist es Zeit für die Liebe?

Von Frank Rauscher

Kein Film über "gute Nazis", sondern die vielleicht anrührendste Liebesgeschichte der letzten Jahre: Kate Winslet und das deutsche Talent David Kross brillieren in Stephen Daldrys Adaption des Weltbestsellers "Der Vorleser" von Bernhard Schlink. ARTE wiederholt den Film im Rahmen eines Themenabends.

Darf man das, muss das sein, und gibt es gute Nazis? – Es wurde viel diskutiert vor dem Kinostart von "Der Vorleser" (2008), wie eigentlich immer, wenn im Film versucht wird, dem gewaltigsten aller Verbrechen "ein Gesicht" zu geben. Dabei verstand sich schon der zu Grunde liegende Roman, Bernhard Schlinks Welterfolg, in keinster Weise als dokumentarische Holocaust-Aufarbeitung, sondern vor allem als ergreifende Liebesgeschichte vor problembehafteter Nachkriegskulisse. Stephen Daldrys Adaption, die sich eng am Roman hält, sollte nun ebenfalls nicht als das bewertet werden, was sie gar nicht sein will. "Der Vorleser" ist perfekt gefilmtes, wohldosiertes Gefühlskino – nicht mehr, nicht weniger, und nun auch in der um rund zehn Minuten gekürzten, 115-minütigen TV-Wiederholung ein geradezu ergreifendes Filmerlebnis.

Eine Affäre ohne Zukunft

Die finstere Vergangenheit liegt nicht hinter, sondern noch schwer über dieser Geschichte, die im zerstörten Deutschland der frühen 50er-Jahre ihren Anfang nimmt. Nazis, Weltkrieg, Judenvernichtung – so sehr die Wiederaufbaugesellschaft sich auch dagegen stemmt, die Dämonen sind längst nicht besiegt, sie stecken wie ein giftiger Stachel in der Seele des Landes. Aber ist es nicht endlich Zeit für die Liebe?

Der 15-jährige Schüler Michael (was für eine Entdeckung: David Kross) erlebt sie. Zum ersten Mal und mit einer rätselhaften wie schönen Frau aus seiner Stadt, der Mittdreißigerin Hanna Schmitz (Kate Winslet). Sie zeigt ihm, was Zärtlichkeit bedeutet, er liest ihr als Gegenleistung aus Romanen vor. Behutsam werden das Knistern und die beinahe verzweifelt gierige Erotik zwischen den ungleichen Protagonisten vermittelt. Eine Liebe, die es eigentlich nicht geben darf, erscheint plötzlich stimmig und wunderschön. Der Zauber ist vorbei, als Hanna eines Tages völlig unvermittelt verschwindet. Es ist das Ende einer Affäre, die ohnehin keine Zukunft hatte, aber zugleich auch der Beginn einer lebenslangen, geradezu magischen Verbindung: Vor Gericht sehen sich beide viele Jahre später wieder. Er ist ein hoffnungsvoller Jurastudent, sie sitzt in einem Holocaustprozess auf der Angeklagebank.

Kate Winslet begeistert

Es sei ein "Film über Schuld und Bewältigung", sagt Regisseur Stephen Daldry zwar, aber vor allem ist "Der Vorleser", die werktreue Adaption des Schlink-Bestsellers, eine tieftraurige, mitunter prickelnd erotische Liebesgeschichte, die in gleichem Maße ans Herz greift wie der Roman. "Der Vorleser" ist also weder "Nazi-Film" noch Befeuerung der Diskussion, ob das Kino nun von "guten Nazis" erzählen darf oder nicht.

Wohl dem, der so einen Star hat: Die Kamera feiert die spröde Schönheit und schauspielerische Extraklasse von Kate Winslet ab, dass es eine Freude ist. Sie trägt gemeinsam mit dem deutschen Jungtalent David Kross eine der anrührendsten Liebesgeschichten der letzten Jahre. Kate Winslet, die dafür sowohl den Oscar als auch den Golden Globe erhielt, spielt beides mit unglaublicher Intensität: erst reife Liebhaberin eines 15-jährigen Jungen, dann angeklagtes SS-Monster, schließlich (mit nicht ganz geglückter Maskerade) eine alte Frau im Gefängnis. Eine gewaltige, melancholische Rolle, wie sie auch ein Hollywoodstar nicht alle Tage bekommt. Kate Winslet legte alles hinein: Ohne viele Worte, dafür mit größtem mimischen und körperlichen Einsatz verleiht sie dieser tragischen Figur Wucht.

Ein Abend für Kate Winslet

An ihrer Seite brilliert in einem großartigen Ensemble (Ralph Fiennes, dazu deutsche Stars wie Bruno Ganz, Alexandra Maria Lara, Jürgen Tarrach, Hannah Herzsprung und Burghart Klaußner) der damals 18-jährige David Kross. Er verkörpert glaubhaft den aufgeregten Jungen, der sich in Hanna verliebt, ihr aus Büchern vorliest und, auch wenn die Liebe nur einen Sommer hält, für immer mit ihr, der unglücklichen Analphabetin, leidenschaftlichen Geliebten und verurteilten KZ-Mörderin, verbunden bleibt. Ein stiller Film mit lange anhaltender, bedrückender Wirkung.

ARTE wiederholt das bewegende Drama im Rahmen eines Themenabends über die inzwischen 49-jährige britische Schauspielerin Kate Winslet. Direkt im Anschluss, um 22.10 Uhr, zeigt der Sender die Dokumentation "Kate Winslet, entschieden authentisch" als Erstausstrahlung. Die französische Filmemacherin Claire Duguet porträtiert darin das willensstarke Mädchen aus einer englischen Arbeiterfamilie, das später zur gefragten Schauspielerin und einem "Vorbild ohne Filter und Retusche" wurde.

Der Vorleser – Mi. 30.10. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das beste aus dem magazin

Dr. David Kubosch
Gesundheit

Wenn Atmen, Bücken oder Drehen zum Problem werden

Rundrücken durch ständiges Sitzen? Wie sich der Rücken auf den ganzen Körper auswirkt und welche Maßnahmen helfen, erklärt ein Experte für Rückengesundheit.
Die Vulkaninsel La Réunion.
Reise

Sehnsuchtsorte im Jahr 2026

prisma stellt mögliche Reiseziele fürs nächste Jahr vor und verrät, an welchen Orten besondere Erlebnisse auf Urlauber warten.
Johannes B. Kerner steht auf einer Treppe.
HALLO!

Johannes B. Kerner über das Weihnachtsfest: "Familie geht über alles"

Johannes B. Kerner moderiert rund um Weihnachten drei Sendungen. Mit prisma hat er über deren Besonderheiten gesprochen und erklärt, warum ihm die Jahreszeit so gut gefällt.
Dr. med. Heinz-Wilhelm Esser ist Oberarzt und Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Kardiologie am Sana-Klinikum Remscheid und bekannt als "Doc Esser" in TV und Hörfunk sowie als Buchautor.
Gesundheit

Adventszeit: Genießen mit gesunder Gelassenheit

Die Weihnachtszeit muss nicht ungesund sein. Mit ein paar einfachen Tipps kann man die Adventszeit genießen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Entscheidend ist, was man das ganze Jahr über macht.
Oliver Mommsen vor einem Weihnachtsbaum.
HALLO!

Oliver Mommsen über seine Rolle in "Eine fast perfekte Bescherung"

Im Weihnachtsfilm „Eine fast perfekte Bescherung“ müssen die Anwohner eines Berliner Viertels an Weihnachten ihre Wohnungen verlassen, weil eine Weltkriegsbombe entschärft wird. In einer Turnhalle findet sich eine bunt gemischte Truppe zusammen, die nun mit dieser Situation umgehen muss. Oliver Mommsen spielt Pfarrer Klaus Meier. Mit prisma hat er über den Film und über Weihnachten gesprochen
Carsten Henn lehnt an einer Wand.
HALLO!

Carsten Henn: „Wein ist ein bodenständiges Produkt“

Bestsellerautor Carsten Henn ist thematisch breit aufgestellt. Neben seinen Bestsellern wie „Der Buchspazierer“ und „Sonnenaufgang Nr. 5“ hat er sich einen Namen als Verfasser kulinarischer Kriminalromane gemacht. Da blitzte seine Liebe für den Wein schon hier und da auf. In seinem neuen Weinbuch schenkt der renommierte Weinjournalist und Weinbauer sein fundiertes fachliches Know-how nun einzigartig praktisch und unterhaltsam ein: Mit 66 wohldosierten und klug ausgewählten Fragen nimmt er seine Leser in „Simply Wine“, erschienen bei ZS, mit in die Welt des Weins. prisma hat mit ihm über sein neues Buch gesprochen.