Was passiert, wenn polnische und deutsche Nationalisten im Streit um Heimat und Grenzen aufeinandertreffen? Jedenfalls selten etwas Angenehmes, wie der "Polizeiruf 110: Heimatliebe" zu berichten weiß.
Dem Klischee nach hat die ostdeutsche Provinz nicht nur wunderschöne Landschaften zu bieten, sondern bisweilen auch recht engstirnige Einwohner. Betrachtet man nun die Themenwahl des "Polizeirufs" als Gradmesser für den Wahrheitsgehalt jener Vorurteile, dann müssten sich im Osten tatsächlich zahlreiche fremdenfeindlichen Hinterwäldler und gewaltbereite Ewiggestrige tummeln: Blickte die letzte Folge der Krimireihe auf eine "Mörderische Dorfgemeinschaft" nahe Magdeburg, widmet sich der aktuelle Fall der Brandenburger Ermittler den patriotischen Gebaren zwielichtiger Heimatschützer.
Und das gleich zweifach: Im Mittelpunkt des "Polizeiruf 110: Heimatliebe" stehen polnische Nationalisten und – nun ja – sich als preußisch verstehende Reichsbürger-Verschnitte, die allesamt in einen grenzüberschreitenden Mordfall verwickelt werden. Wobei "Grenze" in diesem hintergründigen "Polizeiruf" ein ebenso zentraler wie dehnbarer Begriff ist. So lernt der Zuschauer den verschrobenen Bernd Jaschke (Waldemar Kobus) kennen, der die Verfassung der Bundesrepublik nicht anerkennt, entsprechend keine Steuern zahlt und sich bewaffnet auf seinem Hof mit Grenzschild der preußischen "Provinz Brandenburg" verbarrikadiert. Das (diesmal variierte) Reichsbürger-Thema – es scheint die Krimi-Schreiber nicht loszulassen.
Auf der anderen, der polnischen Seite der Oder hingegen leben auf einem Bauernhof Wojciech Sekula (Grzegorz Stosz), dessen Sohn Tomasz (Joshio Marlon) und seine deutsche Frau Jenny (Anna König), die den ihr nicht wohlgesonnenen Ort gern wieder verlassen würde. Der Hofbesitzer plant, das Gut zu verkaufen – doch dann überschlagen sich die Ereignisse: Der Kuhstall brennt vollständig ab, auf einem nahen Feld finden Kinder einen abgetrennter Finger – und schließlich wird der Hof überfallen und Wojciech ermordet. Für die Kommissare Kommissare Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) stehen harte Ermittlungen in feindseliger Umgebung an.
Große Fragen
Verdächtigt wird vor allem Andrzej Sekula (Marcin Pietowski), der vom Vater enterbte Bruder des Toten. Er gehört einer ultranationalistischen Gruppierung an, die das polnische Volk gegen Fremde verteidigen will. Martialisch, homophob, rassistisch und gewaltbereit hasst er auch alles Deutsche – so auch die deutsche Frau seines Bruders, die er des schlechten Einflusses und Mordes beschuldigt. Wie kompliziert das deutsch-polnische Verhältnis wirklich ist, vermag der herausragen geschriebene "Polizeiruf" natürlich nur anzudeuten. Allein die Tatsache, dass der chauvinistische Nationalist Andrzej die Ermittlerin Lenski als "Nazi-Schlampe" beschimpft, spricht Bände über die Komplexität des Themas. Wenig wundert es, dass die Kommissarin fast das Handtuch werfen will: "Ich hab keinen Bock mehr, sollen die Idioten sich alleine abknallen".
Recht bald wird in dem von Christian Bach verfassten und inszenierten Grenz-Krimi klar, dass es nicht nur um Streitigkeiten über einen Hof und belächelnswerte Spinner geht. Dahinter stehen große Fragen nach historischer Schuld und patriotischem Stolz, nach Bodenspekulation und Enteignung. Die in der Handlung lange rätselhaft bleibende Rolle des vermittelnden Bürgermeisters Roland von Seedow-Winterfeld (Hanns Zischler) und dessen adligstämmiger Mutter verweist auf eine gern vergessene Tatsache: Die engstirnigen Provinzler und gewalttätigen Nationalisten werden von den vorgeblich zivilisiertenen Mächtigen mit Einfluss gern für die schmutzige Arbeit vorangeschickt. Ein Mechanismus, der aktuell in Deutschland und vielen Ländern Europas zu beobachten ist.