Was wäre die größtmögliche männliche Fremdschämerfahrung? Richtig, wenn sich eine Frau wie ein Macho benehmen würde. Die Miniserie "Sexuell verfügbar" nach Caroline Rosales' gleichnamigen Bestseller inszeniert diese Idee mit Laura Tonke in der Hauptrolle. Gelungen?
"Sexuell verfügbar" ist ein 2019 erschienener autobiografischer Bestseller-Roman der Journalistin Caroline Rosales, die nun auch das Drehbuch zur gleichnamigen Serie schrieb. Laura Tonke, die absolute Wunschbesetzung der Autorin, spielt in den fünf knapp halbstündigen Episoden (ab 8. März, dem Weltfrauentag, in der ARD-Mediathek) die alleinerziehende Miki. Von einem böswilligen One-Night-Stand (Hanno Koffler) wird sie der Vergewaltigung mit Hilfe eines Strap-ons (ein Kunststoff-Penis zum Umschnallen) bezichtigt und verhaftet. Glücklicherweise gibt es da noch Mikis guten Engel in Form ihres Jugendfreundes und Anwalts Ben (Florian Stetter). Der legt nicht nur die Kaution aus und holt seine große On-Off-Liebe aus dem Knast, er "coacht" Miki auch für den anstehenden Prozess. In diesem soll "Deutschlands einzige Vergewaltigerin", wie es in der Öffentlichkeit heißt, auf der Anklagebank sitzen.
Wird Miki, deren Leben scheinbar chaotisch und stets am Rande der sexuellen Provokation verläuft, die Anfeindungen von Staat und Gesellschaft überstehen? Ihre Freiheit und ihre Kinder stehen auf dem Spiel, die ihr der verhasste Ex-Mann (Arnd Klawitter) unbedingt wegnehmen will. Leicht wird es nicht, Miki einzunorden, stellt Ben fest. Alleine ihre Wohnsituation mit dem genderfluiden Lover Heini (Merlin Sandmeyer) und ihrem verpeilten Schnorrer-Vater (Klaus Huhle) ist nicht gerade das, was man stabile Verhältnisse nennt.
Doch nicht nur Ben redet Miki ins Gewissen, sich endlich mal solide – das heißt angepasst – zu verhalten. Mehr oder weniger feministische Promis wie Lilo Wanders, Lady Bitch Ray oder Ines Anioli erscheinen der Delinquentin auf der Toilette als Geister und verfolgen sie auf der Straße oder bei ihrem Job als Porno-Regisseurin für Produzent Heiko (Oliver Polak). Tatsächlich hängen Mikis Freiheit und das Sorgerecht für die Kinder am seidenen Faden. Provoziert diese Frau einfach zu sehr?
Was wäre die größtmögliche männliche Fremdschämerfahrung? Richtig, wenn sich eine Frau wie ein Macho benehmen würde. So oder so ähnlich lautete wohl die Arbeitshypothese von Caroline Rosales, aus der sie den satirisch-feministischen Roman und die Serie "Sexuell verfügbar" (Regie: Ulrike Kofler) entwickelte. Schon der Roman spaltete die Kritik und sorgte für Jubel über weibliche Selbstermächtigung und den berühmten Spiegel, den die – immer noch – patriarchalische Gesellschaft vors Gesicht gehalten bekommt. Doch es wurden eben auch Stimmen laut, die fragten: Bringt es uns weiter, wenn sich Frauen einfach dasselbe rausnehmen, wie egozentrische Ich-mach-mein-Ding-Raubtiermänner?
Auch das TV-Serienprodukt, linear vorsichtshalber im Nachtprogramm versteckt, wird die Gemüter spalten. Laura Tonke, die wie kaum eine zweite deutsche Schauspielerin sensibel gebrochene Frauenrollen verkörpern kann ("Hedi Schneider steckt fest") überzeugt auch in dieser deutlich lauteren Rolle. An ihrer Seite spielen zahlreiche Stars der Fiction wie auch der realen Welt, die den provokanten Stoff unterstützen wollten. "Sexuell verfügbar", das in kurzen Einspieler-Sequenzen immer wieder auch die Sozialisation junger Mädchen und Frauen zum Gehorsam und zur Anpassung an eine männlich geprägte Gesellschaft aufs Korn nimmt, wird nicht jedem und jeder gefallen.
Und das nicht nur wegen der ausgeführten Thesen, sondern auch wegen der grellbunten, reichlich überspitzten satirischen Erzählweise. Den Charakteren der Serie kommt man dadurch nur in wenigen sensiblen Momenten nahe. Hier regiert eher das grobe und knallbunte Besteck. Etwa dann, wenn Miki als Porno-Regisseurin mit Penisattrappe sehr männlich barsch ein paar neunmalkluge Rapper zurechtweist, die mit Plastikwaffen und Bitch-Attitüde eine Mischung aus Musikvideo und Nazi-Porno drehen.
Laut ist nicht immer gut, denkt man mitunter. Aber zwischen den vielen Ausrufezeichen regt diese Serie auch immer wieder klug zum Nachdenken an: über die Art und Weise, wie Vater (!) Staat und männlich tradierte Sichtweisen den weiblichen Teil der Bevölkerung in Schach halten. Nicht nur früher und vor MeToo, sondern, subtiler, auch heute.
Sexuell verfügbar – Sa. 16.03. – ARD: 23.55 Uhr