Solo für Borowski: In seinem 31. Fall ermittelt der Kieler Kommissar auf einer Nordseeinsel. Dort trifft er eine ebenso erotische wie rätselhafte Frau.
Es geht um das Erinnern, das Vergessen und um die Liebe in Bertolt Brechts Gedicht "Erinnerungen an die Marie A." – genau jene Themen des Lebens, die auch im neuen NDR-"Tatort" mit dem etwas spröden Titel "Borowski und das Land zwischen den Meeren" behandelt werden. Im Film spielt auch Brechts Werk eine ganz entscheidende Rolle. Wie auch Theodor Storms Novelle "Eine Halligfahrt", in der der Untergang der nordfriesischen Küstenstadt Rungholt beschrieben wird. Eine Insel der Sünder, zerstört von einer Sturmflut im Jahre 1362. Hobby-Literaten sind demnach bei diesem Ausflug des Kieler Kommissars Klaus Borowski (Axel Milberg) auf die kleine fiktive Nordseeinsel Suunholt klar im Vorteil. Aber auch alle anderen Krimifreunde sollten ihre Freude an Borowskis 31. Fall haben, der zu seinen besten, weil zugänglichsten gehört. Aber auch, weil ihn der großartige Regisseur Sven Bohse ungeheuer gefühlvoll inszeniert hat.
Nachdem Sibel Kekilli (Sarah Brandt) auf eigenen Wunsch den "Tatort" verlassen hat, ermittelt Borowski diesmal alleine. Auf Suunholt wurde Oliver Teuber (Beat Marti) aufgefunden – ertrunken in der Badewanne. Dort entdeckt hat ihn, nach einem morgendlichen Bad im Meer, seine Lebensgefährtin Famke Oejen (Christiane Paul). Borowski wird eingeschaltet, nachdem Teuber bei der Kieler Polizei kein Unbekannter war.
Nachdem er beim Bauamt 300.000 Euro unterschlagen hatte, verschwand er spurlos. Seine Familie und auch die Polizei hielten ihn für tot. Nun tauchte Teuber gerade erst wieder auf und dann schon wieder ab im Wasser von Famkes Badewanne. Es brauchte, das steht fest, schon eine ganze Menge Kraft, um den Mann zu ertränken. Denn dass es Mord war, danach besteht schon nach den ersten Untersuchungen der Gerichtsmedizin kein Zweifel mehr.
Es ist schon ein echter Inselkrimi, den Peter Bender, Ben Braeunlich und Regisseur Sven Bohse da geschrieben haben. Mit den üblichen Ingredienzien: Ein jeder kennt jeden. Die meisten Einheimischen wirken irgendwie krude und verschlossen. Und die Moderne scheint noch so gar nicht eingezogen zu sein auf dem Eiland, das voll von Vorurteilen und Gerüchten ist. Eines von letzten besagt: Famke Oejen lässt bei den Männern nichts anbrennen. Die streng gläubige Margot (Heike Hanold-Lynchl) formuliert es so: "Sie ist ein zutiefst verdorbenes Weib."
"Femme fatale" nennt sie der Regisseur und Autor des Films: "Sie trägt die geheimnisvolle, raue Aura der Insel Suunholt in sich." Famke gibt Borowski gegenüber vor, nichts von der Vergangenheit ihres Freundes gewusst zu haben. Vor einem halben Jahr sei er "vom Himmel gefallen", und sie habe nie etwas über ihn wissen wollen – "weil wir glücklich waren". Borowski hat so seine Zweifel daran. Doch er mag der schönen, rätselhaften Frau Glauben schenken, fühlt sich der sonst eher abweisende Kriminaler doch in besonderer Weise zu ihr hingezogen. Beide verbringen gar eine Nacht miteinander. Was dabei jedoch geschah, bleibt lange unklar.
Obwohl der Krimi am Ende ein wenig hektisch und wirr daherkommt, ist Sven Bohse hier ein beachtliches Sonntagabend-Erlebnis gelungen. Auch dank einer bis in die Nebenrollen hinein ausnehmend starken Besetzung, angeführt von Axel Milberg und Christiane Paul. Letzterer bietet der Film eine großartige Bühne, die sie mit bestem Timing, ohne zu überziehen, glänzend bespielt.
Im nächsten "Tatort" wird Klaus Borowski wieder eine Partnerin an der Seite haben. Die 27-jährige Almila Bagriacik ermittelt dann als Kommissarin Mila Sahin. Der Fall führt Borowski zurück in seine eigene Vergangenheit.