Endlich wieder intensive Konflikte: Die Kölner Kommissare Schenk und Ballauf stoßen im "Tatort: Mitgehangen" in ein familiäres Wespennest. Und streiten sich so schön wie lange nicht.
Ach, die liebe Familie. Meist liebt man sie, oft hasst man sie, manchmal ermordet man sie auch oder lügt und tötet für sie. Welch komplizierte Familien-Verflechtungen einen Menschen letztlich zum Äußersten treiben können, vor allem wenn es auch noch ums Geschäft geht, zeigt der aktuelle Kölner "Tatort" unter dem schönen Titel "Mitgehangen". Regisseur Sebastian Ko, der im vergangenen Jahr den gelobten Bürgerwehr-"Tatort" "Wacht am Rhein" inszenierte, setzt in einem konventionellen, doch gut durchdachten Krimi nach einem Drehbuch von Johannes Rotter auf konfliktreiche Dialoge, starke Bildsprache einen tollen Soundtrack – und auf Gaststar Lavinia Wilson. Während die Kommissare Schenk und Ballauf mit fragwürdiger Hilfe ihres neuen Assistenten zwischen Reifenwerkstatt und Familienbande ermitteln, geraten sie in Sachen Familienproblematik selbst aneinander.
Der Kölner "Tatort" beginnt mit dem guten alten Standardbild US-amerikanischer Krimi-Thriller: einer Leiche im Kofferraum eines versenkten Autos. Schauplatz ist ein Baggersee; und das erste Wort, das im neuen Fall von Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) fällt ist ein zünftiges "Scheiße". Der Tote: ein junger Mann namens Florin Baciu, seines Zeichens autoverrückter Tuning-Fan und frischer Teilhaber eines Reifenhandels.
In jener Reifen-Werkstatt beginnen die Kölner Kommissare sogleich zu ermitteln – unter noch sehr holpriger Unterstützung des neuen Assistenten Norbert Jütte (Roland Riebeling), der den abgetretenen Publikumsliebling Tobias Reisser (Patrick Abozen) ersetzt. Und siehe da: Der Familienbetrieb von Matthes Grevel (Moritz Grove) verzeichnete dank der reichhaltigen Kontakte des Opfers in die Tuning-Szene jede Menge Gewinn. Vor allem aber auch, weil Baciu dabei nicht immer ganz legal vorging. Bei den Mitarbeitern galt er als wenig beliebt. Wen wundert es da noch, dass die Ermittler herausbekommen, dass der Tote offensichtlich in der Werkstatt getötet wurde?
Ja, die Geschichte des aktuellen Falls ist so konventionell, dass dem konservativsten "Tatort"-Liebhaber das Herz aufgeht: Keine Visionen, keine Politik, keine Experimente! Aber: In seiner Konventionalität ist "Mitgehangen" konsequent und überzeugend inszeniert. Insbesondere, weil der eher lahme Kriminalfall schnell mit einem wahren Familiendrama verknüpft wird. Denn Firmenchef und Familienvater Grevel, dessen Geschäftspartner das Opfer war, gerät schnell unter Mordverdacht und kommt in Untersuchungshaft.
Die Familie des Verdächtigen begibt sich fortan in eine emotionale Tour-de-Force, bei der Kinostar Lavinia Wilson als Mutter der Familie ebenso zu überzeugen weiß wie Alvar Goetze als Sohn Simon und vor allem die fantastische Nachwuchsdarstellerin Letizia Caldi, die als Tochter der Familie einige wundervolle Ausbrüche spielt. Jedes Detail in diesem "Tatort" klingt klischeehaft – ist aber nachvollziehbar eingebettet: geleakte Pornoaufnahmen der Ehefrau, Korruption im Knast, Kindeserpressung.
Zu überzeugen wissen aber vor allem die dargestellten Konflikte und Dialoge der Protagonisten, die sich emotional laufend am Abgrund bewegen. Und vor allem in einer Tour ausrasten: "Halt die Fresse, halt die Fresse", brüllt der Verdächtige seinen Anwalt an. Sein Sohn gibt sich "subtiler": "Wir sind scheißnormale Leute", schreit er die Ermittler an, nachdem er einen Typen von der Leiter gestoßen hat.
Und auch Schenk und Ballauf werden von der familiären Verzweiflung mitgerissen; zoffen sich so schön wie lange nicht mehr. Beispiel gefällig? Schenk erwähnt gegenüber dem Verdächtigen, dass Ballauf keine Familie hat. Die Antwort folgt prompt: "Muss man jetzt Frau und Kinder haben, um vernehmen zu dürfen?" Zur Versöhnung hilft – konventionell wie wunderbar – die Currywurst. Und die große Einigkeit darüber, dass der neue Assistent eine ziemliche Null ist.