"Tatort" kuscht vor "Traumschiff": Am Ostersonntag gibt es eine Krimi-Wiederholung, weil das ZDF für eine Kreuzfahrt in See sticht. Wer die Münchener Klasse-Episode noch nicht gesehen hat, darf sich freuen: "Die Liebe, ein seltsames Spiel" machte im Mai 2017 die Polyamorie in Deutschland bekannt.
Müßig, darüber nachzudenken, was die erotisch-sexuelle Antriebsfeder des Münchner Erfolgsarchitekten Thomas Jacobi (Martin Feifel) ist. Allenfalls sieht er aus wie einer der 50 zweitschönsten Männer Münchens. Der Westentaschen-Casanova mit den gut organisierten Langzeit-Lieben ist im Beruf mindestens so erfolgreich wie bei den Frauen. Bei jeder seiner Geliebten – und von denen hat er viele – stellt er eine Glasplastik mit seinem Konterfei auf. Ein so deutliches wie geschmackloses Zeichen der Eitelkeit.
Zwei Tote unter den Damen des Architekten – da fällt in der "Tatort"-Wiederholung "Die Liebe, ein seltsames Spiel" leicht mal der Verdacht auf jenen Thomas Jacobi. All die "Schatzi"-Nachrichten auf dessen Handy weisen den Kommissaren Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayr (Udo Wachtveitl) nur zu eindeutig den Weg. Frauenversteher Jacobi könnte der Täter gewesen sein, denn die Tote erwartete von ihm ein Kind.
Die ergrauten und doch immer wieder so frisch wirkenden Kommissare Batic und Leitmayr spielten in diesem Fall vom Mai 2017 mal wieder auf der Höhe ihres Schaffens, Auch sie durften ganz ohne Frage ihre Erfahrungen mit Frauen sammeln – und tun es auch in jener Folge: Leitmayr, der beim Umzug des Assistenten Kalli (Ferdinand Hofer) geholfen hat, wird von dessen Mutter angeschwärmt. Und Batic? Ist im wahrsten Sinne des Wortes "sichtlich" in eine verheiratete Frau verliebt. Für die kocht er scharfe Paprika und besorgt Rotwein für 40 Euro die Flasche (wobei er sich 20 von Leitmayr leiht).
Polyamoröser "Tatort" von 2017: Provokation, Komödie oder beides?
Schon bald nach der ersten Toten liegt eine weitere Frauenleiche herum. Es ist die Hausärztin des Architekten und zugleich die Dauergeliebte. Jene Dame (Juliane Köhler) gab Jacobi beim ersten Mord ein Alibi. "Mein Mann", sagt sie, wenn sie von Jacobi spricht und erklärt den darob verdutzten Kommissaren: "Wir wohnen nicht zusammen." Langsam erahnen die Ermittler, dass die Sache mit Jacobi und den Frauen den üblichen Umfang amouröser Verstrickungen überschreitet. Das subtil ungemein witzige Drehbuch von Katrin Bühlig (schrieb 2018 auch den bitterernsten Bremer Pflege-"Tatort: Im toten Winkel") brachte mit der Erst-Ausstrahlung im Mai 2017 den Begriff Polyamorie auf die Landkarte des deutschen Mainstream-Wissens: Polyamoröse Menschen unterhalten einvernehmliche Liebesbeziehungen mit mehreren Partnern.
Dass es so etwas gibt, reizt selbstredend den Beziehungsspießer im Kommissar und Zuschauer. Frauenbefragungen im "Tatort" werden darüber hinaus zum Kriminalisten-Flirt. Jegliche Form der freien Liebe dekliniert dieser "Tatort" durch – bis hin zu jenem Gipfel, den die Psychotherapeutin im Damenflor erklimmt: Ihre Beziehung zu Jacobi sei offen – alle Beteiligten wüssten davon. "Ich bin polyamor", lässt sie wissen, und drückt Batic quasi als Begründung ein Messband in die Hand, an dem er sich den statistischen Rest seines (Liebes)lebens abschneiden kann. Da bleibt nicht mehr viel, wie Batic später Leitmayr unzweideutig demonstriert – außer einem außergewöhnlich guten Sonntagabendkrimi voll ambivalenter Gefühle zwischen Tragik, Komik und fast französisch leichter Philosophie. Die Pointen sitzen, die Handlung ist bis ins Detail fein ausbalanciert, alle Rollen stimmen wie selten bis in die letzte Bank hinein. Da lassen sich selbst ein paar Münchner Postkartenbilder (Regie: Rainer Kaufmann) gut verschmerzen.
Weil im ZDF das "Traumschiff" in See sticht, gibt es im Ersten am Ostersonntag nur eine "Tatort"-Wiederholung. Dafür feiert 24 Stunden später das altgediente Bremer Ermittler-Duo (Sabine Postel, Ingo Mommsen) mit "Wo ist nur mein Schatz geblieben" seinen Abschied nach 18 gemeinsamen Dienstjahren.