Jubiläum im neuen Kölner "Tatort: Der Tod der Anderen": Ballauf und Schenk zelebrieren ihren 80. Fall als furiose Entführungsgeschichte – und zugleich als Wirtschaftskrimi mit hochinteressantem Ost-West-Bezug.
1997 trafen die Kölner "Tatort"-Kommissare Freddy Schenk und Max Ballauf erstmals aufeinander. Seit der Premiere des beliebten Zoff-Duos ist viel Wasser den Rhein hinabgeflossen: Bereits zum 80. Mal ermitteln Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt im aktuellen Krimi aus der Domstadt gemeinsam. Wobei der Fall unter dem Titel "Der Tod der Anderen" auch anderweitig als Jubiläumsfolge verstanden werden darf. Mit der Ausstrahlung im neuen Jahr kommen die filmischen Feierlichkeiten zwar ein paar Wochen zu spät – doch sind die Anspielungen auf das 50-Jahre-Jubiläum des "Tatort" ebenso wenig zu übersehen wie die nachträglichen Glückwünsche zu drei Jahrzehnten deutscher Wiedervereinigung. In einem außergewöhnlichen Ost-West-Fall unter Regie von Torsten C. Fischer wird nicht nur die DDR-Vergangenheit aufgerollt, sondern auch das gegenseitige Vertrauen der beiden Ermittler auf die Probe gestellt.
Die furiose Folge beginnt mit dem schockierenden Tod einer Frau in einem Luxushotel: Hatte sie kurz zuvor noch mit einem Mann an der Bar geflirtet und die Hotelbesitzerin subtil bedroht, wird die 60-Jährige plötzlich erhängt in ihrem Zimmer aufgefunden. Was auf den ersten Blick wie ein Suizid aussieht, könnte sich nach eingehender Betrachtung durch Schenk und Ballauf als grausamer Mord erweisen – schließlich hatte man Kathrin Kampe (Eva Weißenborn), so der Name des Opfers, an Füßen, Händen und Mund mit Klebeband gefesselt. Zeugen und ein ominöser Brief machen die Inhaberin des exklusiven Hotels "Rheinpalais", Bettina Mai (Ulrike Krumbiegel), zur Hauptverdächtigen. Sie soll zwielichtige Verbindungen zur Toten gehabt haben.
Würden an dieser Stelle normalerweise die üblichen Ermittlungen und Widersprüchlichkeiten folgen, dreht der "Tatort: Der Tod der Anderen" lieber vollends auf: Die Verdächtige bedroht Schenk kurzerhand mit einer Waffe, entführt den Kommissar im Auto – und begibt sich mit ihm in Richtung Provinz. Damit der Ermittler auch spurt, hat sie zusätzlich den bemitleidenswerten Kommissariats-Kollegen Norbert Jütte (Roland Riebeling) gekidnappt und mit Verpflegung für fünf Tage in ein Kellerverlies gesperrt – wo er nach Ablauf der Zeit jämmerlich zu sterben droht, was der "Tatort" in bisweilen harten Szenen begleitet. All das, wohlgemerkt, weil Mai ihre Unschuld im Mordfall Kampe beweisen und den wahren Täter ausfindig machen will.
Während Schenk als ungewöhnliche Geisel mit seiner Entführerin in einer Pension übernachtet, Verdächtige wie "den schönen Jens" gewaltvoll verhört und Anzeichen eines veritablen Stockholm-Syndroms entwickelt, kommt die gesamte Dimension der eigenartigen Affäre ans Tageslicht. Die Spur führt in den Osten – und in die DDR-Vergangenheit. Damals verdingten sich Kampe und Mai als Prostituierte im "größten Bordell Europas", als welches die Stadt Leipzig zu Messezeiten galt. Vor allem westdeutsche Geschäftsmänner vergnügten sich damals hinter dem Eisernen Vorhang. Unter ihnen auch Peter Wagner alias "Porno-Peter" (Bernhard Schütz) und Frank Heldt (Rolf Kanies), die der Toten einst offensichtlich das Blaue vom Himmel versprachen. Heute, so die historisch informierte und komplexe "Tatort"-Handlung, bewerben sich die beiden Vorzeige-Besserwessis als NRW-Wirtschaftsminister respektive Staatssekretär. Ihre damaligen "legalen und weniger legalen" Devisen-Geschäfte würden beim Wahlvolk jedenfalls nicht gut ankommen.
Fortan entwickelt sich der "Tatort" zum spannenden Entführungsfall und historischen Wirtschaftskrimi zugleich. Neben Ossi-Plattitüden ("Wir hatten alle Arbeit"), Ossi-Witzen ("Der ist ins Ausland gegangen – ins Sauerland") und Ossi-Neuzugang Natalie Förster (Tinka Fürst) als Kriminaltechnikerin mit Hang zum Klischee ("Da hat der Micha schon wieder den Farbfilm vergessen"), gibt es viel kritisches Beiwerk: Über schädliche Arbeitsbedingungen in den quecksilberverseuchten Buna-Werken in Schkopau ("Plaste und Elaste") und die IM-Spitzeltätigkeiten so genannter Romeos und Julias ("Ficken fürs Vaterland") erfahren Ermittler und Zuschauer viel Wissenswertes. Ebenso über die westdeutschen Nutznießer, "die wie in einen Selbstbedienungsladen bei uns eingefallen sind", wie Kidnapperin Mai es in einem eindrücklichen Monolog beschreibt (nicht ohne "die Ostler, die das Scheißspiel mitgespielt haben" zu erwähnen).
Passend spielt nicht nur der Titel "Der Tod der Anderen" auf das oscarprämierte Stasi-Drama "Das Leben der Anderen" an. Auch kontaktieren die Ermittler einen sächselnden Taxi-Fahrer vor dem Leipziger Hauptbahnhof und erweisen damit offensichtlich dem ersten "Tatort: Taxi nach Leipzig" von 1970 die Ehre. Doch auch das 80-Folgen-Jubiläum der Kölner Ermittler kommt nicht zu kurz: Bauchpinseln sich beide anfangs noch ironisch ("Schon wieder einer Meinung. Wir sollten öfter zusammen arbeiten"), lügt Schenk seinen zu Recht stinksauren Kollegen Ballauf ("Ich bin beschissen scheiße drauf!") über seinen Verbleib zwischenzeitlich gar absichtlich an. Selten stand die hart-herzliche Beziehung beider mehr auf der Probe – besser feiern kann man den runden Fall der Kölner allerdings auch kaum.
Tatort: Der Tod der Anderen – So. 10.01. – ARD: 20.15 Uhr