Tatort
14.02.2021 • 20:15 - 21:45 Uhr
Serie, Krimireihe
Lesermeinung
Maria Karich (Anna Herrmann).
Vergrößern
Lena Odenthal (Ulrike Folkerts).
Vergrößern
POK Katja Winter (Petra Mott) ahnt nicht, wie gefährlich die Fahndung ist, zu der sie abkommandiert wird.
Vergrößern
Jim Takke (Sebastian Fräsdorf, r.) bereitet gerade ein Konzert mit Clueso (l.) vor, als er die Nachricht vom Mord an seinem Freund bekommt.
Vergrößern
Produktionsland
D
Produktionsdatum
2021
Altersfreigabe
12+
Serie, Krimireihe

SOKO Ludwigshafen

Von Eric Leimann

In Ludwigshafen wird ein streitbarer "Rock gegen Rechts"-Konzertveranstalter erschossen. Die Neonazi-Szene hatte ihn im Visier. Kaum haben die Kommissarinnen Odenthal (Ulrike Folkerts) und Stern (Lisa Bitter) mit ihren Ermittlungen begonnen, steht der Verfassungsschutz vor der Tür.

Den Kommissarinnen Odenthal (Ulrike Folkerts) und Stern (Lisa Bitter) bleibt auch keine Systemkrise erspart. Kaum haben sie in ihrer Weihnachtsfolge "Unter Wölfen" den Rechtsstaat vor der Übernahme durch die Türsteher-Szene bewahrt, kommen die Nazis in Spiel. "Revenge 88" heißt nicht nur eine belgische Punkrockband aus den 80-ern, sondern auch jene fiktive rechte Terrorzelle, deren im "Tatort" sichtbare Mitglieder das Nazi-Pärchen Ludger Reents (Daniel Noël Fleischmann) und Hedwig Jörges (Anne-Marie Lux) bilden. Sie haben es auf den langhaarig-linken Konzertveranstalter Tillmann Meinecke abgesehen. Dessen Schauspieler (Tom Sommerlatte) darf im "Tatort" konsequenterweise auch nur einen Satz von sich geben: "Hey Alingi, spiele Indie-Musik!". Adressat des Wunsches zum letzten morgendlichen Kaffee ist sein Alexa-ähnlicher Sprachassistent, der beim ARD-"Tatort" natürlich nicht Alexa heißen darf. Wenig später wird Meinecke am Rheinufer während eines Jogging-Laufs erschossen.

Als sie zum Tatort gerufen wird, macht sich Lena Odenthal schwere Vorwürfe. Meinecke hatte mehrfach um Polizeischutz gebeten, weil er von den Rechten bedroht wurde. Doch sein Begehr, das über Odenthals Schreibtisch ging, wurde abgelehnt. Als sich Meineckes Freundin, die Studentin Maria (Anna Herrmann), gerade aus dem Bett schält, ist sie verwundert über das laute Polizeisirenengeheul in der Stadt. Noch weiß sie nichts vom Tod ihres sportlichen Freundes.

PRISMA EMPFIEHLT
Täglich das Beste aus der Unterhaltungswelt bequem in Ihr Mail-Postfach? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter "PRISMA EMPFIEHLT" und erhalten ab sofort die TV-Tipps des Tages sowie ausgewählte Streaming- und Kino-Highlights.

Derweil läuft eine Großfahndung nach den "Revenge 88"-Terroristen – und das nervöse Pärchen Reents und Jörges geht ihr auch tatsächlich ins Netz. Allerdings erschießt Reents dabei eine Polizistin. Er wird verhaftet, während seine Freundin zu Fuß fliehen kann. Bei der Vernehmung gibt der Rechtsterrorist zu, den Mord an Meinecke für diesen Morgen geplant zu haben. Allerdings habe er den verhassten Links-Aktivisten bereits erschossen am Rheinufer vorgefunden. Der Verfassungsschutz in Person des arroganten Ermittlers Thomas Leonhardt (Oliver Stritzel) schaltet sich ein.

"Tatort"-Gastauftritt von Musiker Clueso

Seit im Rahmen der NSU-Morde unfassbare Querverbindungen zwischen Verfassungsschutzorganen, verdeckten Ermittlern und rechter Szene offenkundig wurden, beflügelt die fehlende Trennschärfe zwischen Staatsschutz und rechtem Terror auch die Fantasie von Filmschaffenden. Die ambitionierte NSU-Filmtrilogie der ARD widmete dem Thema eine Folge ("Mitten in Deutschland: NSU – Die Ermittler: Nur für den Dienstgebrauch", 2016). Arthaus-Regisseur Jan Bonny schuf 2018 den komplexen Matthias Brandt-Polizeiruf "Das Gespenst der Freiheit". Im neuen Ludwigshafener "Tatort" wird das Thema nun auf Einsteiger-Niveau heruntergebrochen – mit vielen Erklär-Bär-Drehbuchsätzen und der These, dass es die Nazis vielleicht gar nicht gewesen sind.

Letztere Möglichkeit gefällt der aufrecht linksliberalen Lena Odenthal keineswegs. Weil sie die Nazis, zumal Polizistenmörder, natürlich drankriegen will. Doch wo es Stoff für Zwiespalt und moralische Abgründe der Ermittlerin gegeben hätte, bleiben Drehbuch und Regie des Ludwigshafener Stammregisseurs Tom Bohn an der Krimi-Oberfläche. Odenthal und Stern durchleuchten den Charakter des Toten, treffen dabei dessen Ex-Partner Takke (Sebastian Fräsdorf) und dessen gut situierte Schwiegermutter in spe (Valerie Niehaus). Sogar für einen Gastauftritt (überzeugend!) des Musikers Clueso ist Zeit, schließlich spielt das Ganze in der Musikszene. Was dem arg konventionell gestrickten "Tatort" jedoch gänzlich abgeht, ist die spannende Vertiefung eines seiner Themen.

"Hetzjagd" und nicht "Herzjagd"

Einmal versucht es der Film, als sich die Freundin des Toten und jene des mutmaßlichen Nazi-Täters während einer durchstreunten, ruhelosen Nacht in Ludwigshafen zufällig kennenlernen – ohne die wahre Identität der anderen zu erahnen. Zwei junge Frauen in der Nacht, die das Potenzial hätten, Freundinnen zu werden. An dieser Stelle fängt der "Tatort" wenigstens ein bisschen zu träumen an, gut so.

Insgesamt bleibt nach 90 Minuten – inklusive durchschaubarer Auflösung – ein sehr schales Krimigefühl zurück. "Hetzjagd", übrigens nicht zu verwechseln mit einem WDR-"Tatort" namens "Herzjagd" von 1980 (mit dem einzigen Fall Willy Semmelrogges als Kommissar Kreutzer als Urlaubsvertretung Kommissar Haferkamps, gespielt von Hansjörg Felmy), ist leider einer der schwächsten Filme aus dem Ludwigshafener Revier der letzten Jahre. Dass Krimi hier noch eher traditionell gedacht wird, wenn nicht gerade Impro-Zeit mit Filmemacher Axel Ranisch ("Tatort: Babbeldasch") angesagt ist, sollte niemand kritisieren. Gut gemachte konventionelle Ludwigshafen-"Tatorte" mit inhaltlichen Ambitionen, wie zuletzt "Unter Wölfen", "Leonessa" oder "Maleficius", haben einen eigenen Unterhaltungswert. "Hetzjagd" ist in Sachen Plot und Charakterentwicklung allerdings ein Krimi, der das Vorabendniveau kaum übertrifft. Ob das ZDF wohl noch Platz für eine SOKO Ludwigshafen frei hätte?

Tatort: Hetzjagd – So. 14.02. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Top stars

Das beste aus dem magazin

Harald Lesch im Interview.
HALLO!

Harald Lesch: "Ein kapitalistisches Weltbild hingegen gefährdet unsere Lebensbedingungen"

Harald Lesch bringt seit Jahren dem TV-Publikum unsere faszinierende Welt und wissenschaftliche Erkenntnisse näher. Im Interview spricht der Astrophysiker unter anderem über kommende Generationen, seine Lehrtätigkeit in München und wie Religion und Wissenschaft für ihn zusammenpassen.
Das „phaeno“ in Wolfsburg.
Reise

Wenn Architektur eine Stadt verändert

Viele Museen sind von außen genauso imposant wie von innen. Ein gutes Beispiel ist das Guggenheim-Museum, das in Bilbao zu einem wirtschaftlichen Boom geführt hat. Doch nicht nur die nordspanische Stadt profitiert vom „Bilbao-Effekt“.
Dr. Julia Fischer moderiert montags die SWRGesundheitssendung „Doc Fischer“, ist Buchautorin („Medizin der Gefühle“) und medizinische Expertin in Talkshows wie „hart aber fair“ (ARD). Als Host des neuen ARD Gesund Youtube-Kanals erklärt sie anschaulich medizinische Themen.
Gesundheit

Demenz verhindern – durch die richtige Prävention

Die Diagnose Demenz ist ein Schock für Betroffene. Doch mindestens ein Drittel aller Fälle könnte verhindert werden – mit der richtigen Prävention. Dr. Julia Fischer gibt in der Arzt-Kolumne Informationen und Ratschläge zum Thema.
Claudia Michaelsen ist als "Polizeiruf 110"-Kommissarin zu sehen.
HALLO!

Claudia Michelsen: "Es geht um zunehmend verloren gehende Empathie"

"Polizeiruf"-Kommissarin Claudia Michelsen spricht im Interview über ihre Figur, Moral in Krimis und ihre kommenden Projekte.
Stefan Fink ist Leiter einer Apotheke in Weimar 
und Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands des Deutschen 
Apothekerverbands.
Weitere Themen aus dem Magazin

Haarausfall – was hilft?

Stefan Fink ist Fachmann für das Thema Haarausfall. In der Arzt-Kolumne gibt der Apotheker Tipps für eine Behandlung.
Michael Kaeshammer ist ab Mitte Mai auf Deutschland-Tournee.
Weitere Themen aus dem Magazin

Michael Kaeshammer: „Wenn man nichts zu sagen hat, kann man nichts Echtes kreieren“

Michael Kaeshammer füllt in Nordamerika große Säle und hat im kanadischen TV sogar seine eigene Kochshow namens „Kaeshammer‘s Kitchen“. Seine Musik, natürlich vom Jazz beeinflusst, vereint Pop, Blues und Rock’n‘Roll - und überzeugt nicht zuletzt durch Kaeshammers einzigartigen und mitreißenden „Crossover Style“. Mit seinem neuen Album „Turn It Up“ möchte der gebürtige Offenburger, der in jungen Jahren ausgewandert ist, auch in Deutschland den Durchbruch schaffen. prisma hat mit dem Musiker gesprochen.