Tatort
07.03.2021 • 20:15 - 21:45 Uhr
Serie, Krimireihe
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Produktionsland
D
Produktionsdatum
2021
Altersfreigabe
12+
Serie, Krimireihe

Explosion in der Echokammer

Von Eric Leimann

Die rechten Attentäter von Halle und Hanau wurden von der ausländischen Presse schnell als INCELs enttarnt – als Frauenhasser, die im "unfreiwilligen Zölibat" leben. Nun widmet der "Tatort" dem in Deutschland noch wenig bekannten Phänomen einen Film zum Weltfrauentag am 8. März. Funktioniert das?

Die Bewegung INCEL kommt aus Amerika. Ihre Mitglieder – männlich, weiß und von Frauen ignoriert – sehen sich im "involuntary celibate", also einem unfreiwilligen Zölibat lebend. Vom rechten, Trump-affinen "Proud Boys"-Mob werden INCEL-Männer zwar verhöhnt, trotzdem teilt man ein ähnliches Gedankengut: Schuld an der Misere des Landes und des eigenen Lebens sind Liberale, Intellektuelle, Juden und Frauen, insbesondere Feministinnen. Zum Internationalen Frauentag am 8. März greift nun der Kieler "Tatort" das Thema auf.

Der junge Parkhauswächter Mario Lohse (stark: Joseph Bundschuh) ist ein verschüchtert wirkender Außenseiter. Kraft für seine Diskobesuche, bei denen er ein Mädchen kennenlernen will, holt er sich durch Online-Schulungen des Männer-Coaches Hank Massmann (Arnd Klawitter). Massmann ist ein sogenannter Pick-Up Artist, also ein Aufreiß-Künstler. Über Bücher, Seminare und eben Online-Schulungen bestärkt er frustrierte Männer in einem aggressiv-dominanten Auftreten gegenüber Frauen – so stelle sich "der Erfolg" automatisch ein.

Halle, Hanau, Christchurch und Oslo: Ein Tätermuster war Frauenhass

Als Mario – eigentlich ein Typ, den man spontan in den Arm nehmen und trösten will – eine junge Frau an der Disco-Bar anspricht, wird er im Nachgang von einer Überwachungskamera identifiziert. Die Auswertung der Kamerabilder wird von den Kieler Kommissaren Borowski (Axel Milberg) und Sahin (Almila Bagriacik) vorgenommen, weil besagte junge Frau in der Nacht nach dem Tanzen schwer misshandelt und ermordet in der Nähe des Clubs tot aufgefunden wird. Mario Lohse besitzt kein Alibi. Er wird verhaftet und verhört. Klaus Borowski entdeckt ein Erkennungssymbol amerikanischer Neonazis am Tatort. Und Mila Sahin findet heraus, dass auf Hass-Listen im Internet weitere Attacken auf Frauen in Kiel propagiert werden. Offenbar akut bedroht ist Politikerin Birte Reimers (Jördis Triebel) ...

Halle, Hanau, Christchurch und Oslo – überall war der Hass auf Frauen ein Motiv der einsamen, männlichen und weißen Täter. "Antifeminismus ist quasi eine weitere Baustelle der rechtsextremen Szene, gehört bei den meisten Radikalen sozusagen mit ins Portfolio", sagt Regisseurin Nicole Weegmann ("Ein Teil von uns", "Das Leben danach"). Natürlich spielen Internet-Foren eine entscheidende Rolle bei der Radikalisierung der Frauenhasser, die sich in derlei Echokammern gegenseitig befeuern und zu Taten anstacheln. Auch in Marios Fall ist es so, dass gegenseitiges Beleidigen, das Hochladen "krasser" Bilder im Forum und der Wunsch nach Anerkennung durch die Gruppe ein unseliges Gefahren-Potpourri bilden. Doch ist der scheue Mario tatsächlich in der Lage dazu, einen so brutalen Mord auszuführen?

Auch Frauen können "männlich dominant" sein

Peter Probst, übrigens Ehemann der Schriftstellerin und ehemaligen TV-Moderatorin Amelie Fried, hat sich diesen "Tatort" ausgedacht. Probst schrieb zuletzt die gelungene Komödie "Schönes Schlamassel" um jüdisches Liebesleben in Deutschland und vor über zehn Jahren den tollen Historien-Fernsehfilm "Die Hebamme – Auf Leben und Tod" mit Brigitte Hobmeier. Bei seinem neuen "Tatort" war auch noch Daniel Nocke ("Meine fremde Freundin") als "Drehbuchbearbeiter" mit im Boot, vielleicht weil Nocke schon einige Kieler "Tatorte" geschrieben hat. Das potenzielle Problem dieses Krimis ist klar: Bei so viel Theorie rund um Anti-Feminismus und rechte Gewalt könnte der Film schnell zur blutarmen Themen-Sprechstunde verkommen.

Diese Gefahr wurde jedoch recht gekonnt umschifft. Den Zuschauer hält es emotional bei der Stange, weil man mit Mario irgendwie mitleidet und hofft, dass die gute Seite in ihm gegen die "Hater" und Anstachler seiner Frustration gewinnt. Gleichzeitig schleicht sich Borowski "undercover" in die Kreise der johlenden Männer rund um Pick-Up-Coach Hank Massmann ein. Auch das erzeugt Spannung, die dem Krimi guttut.

Und noch ein weiteres Plus gibt es beim "Tatort" zum Weltfrauentag: In kleinen Szenen wie mit Marios ihn demütigenden Parkhaus-Chefin oder einer Begegnung Mila Sahins mit ihrem ehemaligen Chef beim Verfassungsschutz, der sie konsequent mit "Liebste" anredet und nur ihren männlichen Kollegen Borowski anschaut, werden subtil "kleinere" machistisch-dominante Verhaltensweisen abseits des Kriminalfalles identifiziert. Einige davon gar mit Frauen als "Täter", was dem Film zusätzliche Facetten verleiht. Auch die von Jördis Triebel gespielte Politikerin, die ihren weiblichen Stab und das eigene Leben mit harter Hand führt, ist gewissermaßen eine Reizfigur in diesem sicher nicht einfach zu konzipierenden, aber gelungenen Themen-"Tatort".

Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer – So. 07.03. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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