Tatort
19.05.2024 • 20:15 - 21:45 Uhr
Serie, Krimireihe
Lesermeinung
Vergrößern
Vergrößern
Vergrößern
Vergrößern
Produktionsland
D
Produktionsdatum
2022
Altersfreigabe
12+
Serie, Krimireihe

Hitzschlag unterm Aluhut

Von Jens Szameit

Bislang waren beim Münster-"Tatort" nur die Einschaltquoten außerirdisch. Doch jetzt erobern Reptiloide die Fahrradstadt. Eine lustvoll bis an die Schmerzgrenze gedehnte Krimi-Farce zwischen Deepfake, Aluhut und Prepperszene.

Nach über 20 Jahren im Kriminaldauerdienst ist der Münster-"Tatort" aus der kulturellen Statik des Landes wohl nicht mehr schadlos herauszulösen. Wenn es dann irgendwann doch zum Unvermeidlichen kommt, wird das Abdanken der TV-Ermittler Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) unter dem Großen Zapfenstreich kaum abgehen. Sogar den umstrittenen Freiheitsaktivismus seines Hauptdarstellers zu Hochinzidenzzeiten hat der kriminell hochtourige Quotendampfer ohne erkennbare Image-Schrammen überstanden – zwischen elf und 14 Millionen waren in den letzten Folgen dabei.

Bei der Erstausstrahlung des 41. Falls "Propheteus" im März 2022 stießen jedoch auch Fans der bisweilen skurrilen Krimireihe an ihre Grenzen: Auf X (damals noch Twitter) war vom "schlechtesten 'Tatort' aus Münster" die Rede. Das Erste zeigt den Film von Sven Halfar (Regie) und Astrid Ströher (Buch) dennoch erneut zur besten Sendezeit.

Früh begegnen einem früh zwei Verfassungsschützerinnen mit Pagenschnitt, die aussehen, als hätten die Coen-Brüder eine "Men in Black"-Neuauflage in Westfalen gedreht. Professor Boerne erwidert deren Auskunftsbegehr mit beißender Ironie: "Ich bin meinem Staat immer gerne zu Diensten. Ich habe nur noch nicht verstanden, was er eigentlich von mir will." Ein Schuft, der hier den Sound der Lieferschen "Maßnahmenkritik" heraushört.

Gegen die "Versklavung und Ausrottung der gesamten Menschheit"

Apropos Ironie. Die will es, dass Jan Josef Liefers im "Tatort" die Stimme der Wissenschaft intoniert. "Es geht mir um die Fakten", doziert er als eitler Professor über den in unablässiger Veränderung dahinströmenden "Fluss der Erkenntnis". Doch er lässt auch aufhorchen. Über die Jahrtausende seien "so viele Beweise verloren gegangen oder absichtlich vernichtet worden", öffnet der Rechtsmediziner der Verschwörungstheorie einen Spalt, durch den ein Reptiloid schlüpfen könnte. Um solche echsenartigen Aliens, die in Menschengestalt getarnt unsere Gesellschaft unterwandern, geht es im Fall "Prophetheus".

Zumindest geht es um eine Gruppe Bowling spielender Verschwörungsgläubiger, die die "Versklavung und Ausrottung der gesamten Menschheit" befürchten und "Kollaborateure der außerirdischen Besatzungsmacht" zur Rechenschaft ziehen wollen. Ein zum Beweis vorgeführtes Internetvideo entlarvt Angela Merkel, wie sie schnarrenden Echsen die "Machtübergabe" zusichert, im Gegenzug für einen Alterssitz in Paraguay. Eine Fälschung, vermutet messerscharf Kommissar Thiel, der sich unter lauter Schwerstgestörten bald selbst vorkommt wie ein Alien in der eigenen Stadt.

Wenn der Big Lebowski Erich von Däniken liest

Zählen kann Thiel immerhin auf einen allzeit hilfsbereiten Jack-Russell-Terrier mit mysteriöser Herkunft und tragender Rolle. "Banane" heißt er, und das ist auch ein gutes Stichwort für das Wesen manches Handlungsgangs. So konsequent zur Farce gestreckt hat sich selbst der notorische Humorkrimi aus Münster selten einmal. Hinzu kommt, dass sich die grell zugespitzte Bildsprache (Kamera: Timo Moritz) auf zwei parallel entwickelte Zeitebenen verteilt.

Auf der einen ist ein Mitglied der Verschwörungsaufdeckungsgruppe ermordet worden, auf der anderen unternimmt wenige Wochen nach der Tat ein bankrott gegangener Metzger einen Anschlagsversuch. Ein Mann, der einem mit Plauze, Slip und Bademantel begegnet wie ein Erich von Däniken lesender Wiedergänger des Big Lebowski.

Zwischen Deepfake, Chip-Implantat und Prepperszene dampft es hier gehörig unterm Aluhut. Dazu bedienen sich die Macher auch noch mit vollen Händen aus der Zitatebox der Filmgeschichte. Da darf man das geseufzte Schlusswort der Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann) glatt als Eingeständnis werten: "Ihr habt alle zu viel ferngesehen." Der Satz stimmt ja ohnehin in fast jeder Lebenslage. Mit diesem wie auf Droge irrlichternden "Tatort" macht man trotzdem nicht viel falsch. Ein 46. Fall aus Münster befindet sich unter dem Arbeitstitel "Der Fluch der Grabmaske" derzeit in der Produktion.

Tatort: Propheteus – So. 19.05. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das beste aus dem magazin

Dr. David Kubosch
Gesundheit

Wenn Atmen, Bücken oder Drehen zum Problem werden

Rundrücken durch ständiges Sitzen? Wie sich der Rücken auf den ganzen Körper auswirkt und welche Maßnahmen helfen, erklärt ein Experte für Rückengesundheit.
Die Vulkaninsel La Réunion.
Reise

Sehnsuchtsorte im Jahr 2026

prisma stellt mögliche Reiseziele fürs nächste Jahr vor und verrät, an welchen Orten besondere Erlebnisse auf Urlauber warten.
Johannes B. Kerner steht auf einer Treppe.
HALLO!

Johannes B. Kerner über das Weihnachtsfest: "Familie geht über alles"

Johannes B. Kerner moderiert rund um Weihnachten drei Sendungen. Mit prisma hat er über deren Besonderheiten gesprochen und erklärt, warum ihm die Jahreszeit so gut gefällt.
Dr. med. Heinz-Wilhelm Esser ist Oberarzt und Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Kardiologie am Sana-Klinikum Remscheid und bekannt als "Doc Esser" in TV und Hörfunk sowie als Buchautor.
Gesundheit

Adventszeit: Genießen mit gesunder Gelassenheit

Die Weihnachtszeit muss nicht ungesund sein. Mit ein paar einfachen Tipps kann man die Adventszeit genießen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Entscheidend ist, was man das ganze Jahr über macht.
Oliver Mommsen vor einem Weihnachtsbaum.
HALLO!

Oliver Mommsen über seine Rolle in "Eine fast perfekte Bescherung"

Im Weihnachtsfilm „Eine fast perfekte Bescherung“ müssen die Anwohner eines Berliner Viertels an Weihnachten ihre Wohnungen verlassen, weil eine Weltkriegsbombe entschärft wird. In einer Turnhalle findet sich eine bunt gemischte Truppe zusammen, die nun mit dieser Situation umgehen muss. Oliver Mommsen spielt Pfarrer Klaus Meier. Mit prisma hat er über den Film und über Weihnachten gesprochen
Carsten Henn lehnt an einer Wand.
HALLO!

Carsten Henn: „Wein ist ein bodenständiges Produkt“

Bestsellerautor Carsten Henn ist thematisch breit aufgestellt. Neben seinen Bestsellern wie „Der Buchspazierer“ und „Sonnenaufgang Nr. 5“ hat er sich einen Namen als Verfasser kulinarischer Kriminalromane gemacht. Da blitzte seine Liebe für den Wein schon hier und da auf. In seinem neuen Weinbuch schenkt der renommierte Weinjournalist und Weinbauer sein fundiertes fachliches Know-how nun einzigartig praktisch und unterhaltsam ein: Mit 66 wohldosierten und klug ausgewählten Fragen nimmt er seine Leser in „Simply Wine“, erschienen bei ZS, mit in die Welt des Weins. prisma hat mit ihm über sein neues Buch gesprochen.