Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein
18.04.2021 • 23:35 - 01:45 Uhr
Spielfilm, Drama
Lesermeinung
Vergrößern
Vergrößern
Vergrößern
Vergrößern
Originaltitel
Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein
Produktionsland
D, A
Produktionsdatum
2019
Altersfreigabe
12+
Spielfilm, Drama

Öffnet die Augen und den Geist!

Von Jan Treber

"Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein" ist eine knallbunte Wundertüte, die mal berührt, mal zum Lachen verführt, höchst eigenwillig ist und den Zuschauer ein ums andere Mal überrascht. Pate für den Film stand das Leben von André Heller.

In vielen Filmen gibt es diesen einen Moment, der die Geschichte definiert. Der den Zuschauer nicht nur für die Hauptfigur einnimmt, sondern sie auf eine tiefer gehende Art und Weise verstehen lässt. Im österreichischen Film "Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein" (2018) gibt es gleich mehrere solcher Momente, weil der Übergang vom Fantasierten zum Realen immer wieder fließend ist. Als der zwölfjährige Paul Silberstein (Valentin Hagg) erst mit seiner Mutter streitet, dann mit dem Bruder diskutiert und schließlich seinen Willen erhält, ist das so ein Moment. "Wenn der Vater tot ist, darf man alles", jubiliert der kleine Paul und fängt an zu tanzen.

Paul wächst im Wien der 1950er-Jahre in einem vermögenden Haushalt auf. Materiell mangelt es ihm an nichts. Emotional sieht das jedoch anders aus. Denn sein Vater (Karl Markovics), ein reich gewordener Zuckerbäcker, der einst als Jude Österreich verließ und als konvertierter Katholik zurückkehrte, ist ein kalter, unnahbarer Mann. Er schickt Paul auf ein Internat, wo ihm die Pfarrer Zucht und Ordnung beibringen sollen. Aber einen Jungen von solch formidabler Fantasie und Eloquenz kann man nicht zähmen. Das kann der Junge nicht mal selbst. Paul kann seinen Fokus nur auf etwas richten und dem mit ganzer Hingabe folgen. Etwa einem Mädchen, das er nur aus der Ferne kennt, in das er aber unsterblich verliebt ist.

PRISMA EMPFIEHLT
Täglich das Beste aus der Unterhaltungswelt bequem in Ihr Mail-Postfach? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter "PRISMA EMPFIEHLT" und erhalten ab sofort die TV-Tipps des Tages sowie ausgewählte Streaming- und Kino-Highlights.

Wie einst bei Tim Burton

"Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein" ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von André Heller, des Dichters, Schauspielers, Chansonniers und Aktionskünstlers, der auch autobiografische Züge in die Geschichte einfließen ließ. Der Film feiert das Ungewöhnliche, das Merkwürdige, das Unangepasste. Er ist ein flammendes Plädoyer dafür, sich der Normalität zu entziehen, weil die Welt so viel mehr zu bieten hat, wenn man nur die Augen, vor allem aber auch den Geist öffnet. Dadurch erlangt Rupert Hennings Film eine geradezu märchenhafte, bildgewaltige, mitunter aber auch grimmige Qualität, die an die Frühwerke eines Tim Burton erinnert, während die opulente, ausufernde Optik oft Luchino Viscontis Filmen ähnelt. Das ist natürlich eine ungewöhnliche Mixtur, aber eine, die funktioniert.

In gut zweieinhalb Stunden packt der Film unendlich viele Details. Die Struktur ist dabei teils episodisch, aber immer reizvoll. Etwa dann, wenn der kleine Paul auf die drei Brüder seines Vaters trifft. Der eine bringt ihn mit seinen Erzählungen zurück in eine Zeit, als die Synagogen brannten, der andere versucht zu erläutern, wie man den perfekten Orgasmus haben kann, und der Dritte leidet an dem, was alle Silbersteins befällt: dem Hang zum Übertreiben. Das ist eine Charaktereigenschaft, von der Pauls Mutter hofft, dass sie an ihrem Sohn vorbeigegangen ist. Aber letztlich kennt sie ihn nicht gut genug. Denn wenn Paul etwas kann, dann ist es Übertreiben.

Feier des Absurden

Das wiederum packt Regisseur Henning in fabulöse Bilder, die den unbedingten Willen zur Skurrilität verraten. Denn wenn dieser Film eines sein will, dann ist das eine Feier des Absurden, das sich in Bildern manifestiert, die bunt und schrill sind – und das gilt längst nicht nur für Pauls Eskapaden, die er als Zirkusdirektor erleben wird.

"Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein" ist im Kern eine Coming-of-Age-Geschichte, die aber auf eine Art erzählt ist, wie man sie im deutschsprachigen Kino nur selten zu sehen bekommt. Weil sie außergewöhnlich verspielt ist und das Kunststück schafft, vor prachtvoller Kulisse die richtige Mischung aus Komödie und Tragödie zu finden. Es gibt viel zu lachen, zu staunen und zu betrauern, während man zusieht, wie aus einem Jungen ein Mann wird, der der Welt mit seiner eigenen Merkwürdigkeit einen Zerrspiegel vorhält. Es ist die pure Freude, in Pauls Welt einzutauchen und sich wieder wie ein Kind zu fühlen.

Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein – So. 18.04. – ARD: 23.35 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Darsteller

Auch international bekannt: Karl Markovics.
Karl Markovics
Lesermeinung
Sabine Timoteo
Lesermeinung
Udo Samel
Lesermeinung
Weitere Darsteller

Top stars

Das beste aus dem magazin

Ian Hill von Judas Priest!
Star-News

Ian Hill: "Kein Wunder, dass damals so ziemlich jeder übergeschnappt ist"

Ian Hill ist der Bassist der Heavy-Metal-Band Judas Priest. Im Interview spricht der Engländer über die wilden 80er, wie ihre Musik geprägt hat und über vieles mehr.
Professor Dr. Sven Ostermeier
ist Facharzt für Orthopädie und 
Unfallchirurgie, Sportmedizin, 
Chirotherapie und spezielle 
orthopädische Chirurgie. Der 
Schulter- und Knie-Experte arbeitet als leitender Orthopäde 
der Gelenk-Klinik Gundelfingen. 
Außerdem ist er Instruktor der  Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie (AGA).
Weitere Themen aus dem Magazin

Sportlich fit bis ins hohe Alter – so geht´s

Welche Sportarten Best Ager ab 55 Jahren starten können und welche besser nicht, hat prisma Sportmediziner Dr. Sven Ostermeier im zweiten Teil der Serie „Sport im Alter“ gefragt.
Dr. Melanie Ahaus 
ist niedergelassene Kinder- und Jugendärztin in Leipzig und Sprecherin 
des Berufsverbandes der Kinder- und 
Jugendärzt*innen 
in Sachsen.
Weitere Themen aus dem Magazin

Dellwarzen – lästiges Mitbringsel aus dem Schwimmbad

Dellwarzen sind ein lästiges Mitbringsel aus dem Schwimmbad. Dr. Melanie Ahaus erklärt in der prisma Arzt-Kolumne, was am besten dagegen hilft.
Katharina Wackernagel spielt in „Mord mit Aussicht“ Marie Babler.
Weitere Themen aus dem Magazin

Katharina Wackernagel: „An die Stelle von Skepsis ist Vorfreude getreten“

Fans des fiktiven Eifel-Örtchens Hengasch können sich freuen: Ab Dienstag, 16. April, läuft die fünfte Staffel der Erfolgsserie "Mord mit Aussicht" immer dienstags um 20.15 Uhr in der ARD. prisma hat mit Hauptdarstellerin Katharina Wackernagel anlässlich dieses Starts gesprochen.
"Reisen Reisen" ist Deutschlands beliebtester Reise-Podcast.
Reise

Reise-Tipp fürs Wochenende: Utrecht

Wer auf der Suche nach Inspiration rund ums Verreisen ist, kommt an Deutschlands beliebtestem Reise-Podcast „Reisen Reisen“ nicht vorbei. Jochen Schliemann und Michael Dietz nehmen Euch mit zu Zielen, die „um die Ecke“ oder am Ende der Welt liegen. Einer ihrer Lieblinge in den Niederlanden: Utrecht!
Dr. med. Heinz-Wilhelm Esser ist Oberarzt und Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Kardiologie, Buchautor und bekannt als „Doc Esser“ in TV und Hörfunk.
Gesundheit

In wenigen Tagen den Darm auf Trab bringen

Rund 20% aller Menschen in Deutschland leiden unter Verstopfung. Doc Esser verrät, was wirklich hilft.