Impfen in Corona-Zeiten

Welche Impfungen es gibt und welche sinnvoll sind

Von Annette Bulut
Ein lückenloser Standard-Impfschutz ist eine besonders empfehlenswerte Gesundheitsvorsorge.
Ein lückenloser Standard-Impfschutz ist eine besonders empfehlenswerte Gesundheitsvorsorge. Fotoquelle: Miss Mafalda AdobeStock

Besonders in der aktuellen Corona-Pandemie ist es klug, lückenlos geimpft zu sein. Doch viele Menschen in Deutschland sind nicht vollständig geimpft oder versäumen das Auffrischen. Das führt dazu, dass sich vermeidbare Erkrankungen ausbreiten können. Lesen Sie, welche die wichtigsten Impfungen sind.

Ein lückenloser Standard-Impfschutz ist aktuell wegen der COVID-19-Pandemie eine besonders empfehlenswerte Gesundheitsvorsorge. Manche Lebendimpfstoffe bieten einen vollständigen lebenslangen Schutz etwa gegen Masern, Mumps, Rötel und Windpocken. Andere Impfungen müssen regelmäßig im Erwachsenenalter durch den Hausarzt aufgefrischt werden. "Durch die Standardimpfungen, die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen werden, sind nicht nur die Geimpften geschützt, sondern auch die, die aufgrund ihres jungen Alters oder wegen bestimmter Grunderkrankungen nicht geimpft werden können", erklärt Prof. Dr. med. Tomas Jelinek, wissenschaftlicher Leiter des CRM Centrum für Reisemedizin in Düsseldorf. Für Menschen ab einem Alter von 60 Jahren rät die STIKO zusätzlich noch zu zwei weiteren Standardimpfungen gegen Grippe und Pneumokokken. Impfungen im Überblick.

Mumps/Masern/Röteln/Windpocken (MMRV)

Masern, Mumps, Röteln und Windpocken – wegen fehlenden Impfschutzes erkranken immer öfter auch Erwachsene an diesen "Kinderkrankheiten". Das ist nicht unproblematisch. Denn je älter die Betroffenen sind, desto höher ist das Risiko für einen komplizierten Verlauf. Impflücken können im Erwachsenenalter im Fall eines Mumpsausbruchs Entzündungen des Hodens (Orchitis), der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis) und der Gehirnhaut (Meningitis) verursachen. Gleiches gilt für Masern und Röteln. Eine Maserninfektion kann unter anderem eine Lungen- und Gehirnhautentzündung zur Folge haben. Die Masern-Viren werden von Mensch zu Mensch durch die sogenannte Tröpfcheninfektion übertragen, das heißt zum Beispiel beim Niesen oder Sprechen. In der Regel erkranken alle Personen, die Kontakt zu einem Träger des Erregers hatten. "Immun sind nur vollständig Geimpfte oder Menschen, die die Krankheit bereits durchgemacht haben", warnt Jelinek. "Das Tückische bei Masern ist, dass Betroffene bereits mehrere Tage vor Auftreten der ersten Krankheitszeichen ansteckend sind."

Nicht vollständig oder nicht aufgefrischt, schützt nicht

Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken gehören in Deutschland zwar zur Standardvorsorge bei Kleinkindern, doch immer noch sind die Erkrankungen nicht vollständig ausgerottet. "Weil viele Menschen nicht vollständig geimpft sind oder Impfungen nicht aufgefrischt werden, können sich Erkrankungen, die durch Impfungen vermeidbar wären, wieder zunehmend ausbreiten", warnt Jelinek. Ein Beispiel dafür ist Mumps (Parotitis epidemica). Mumpsausbrüche fanden vor allem in Ausbildungseinrichtungen wie Fachhochschulen, Universitäten oder Sportvereinen statt. Viele junge Erwachsene wissen gar nicht, ob sie im Kindesalter die notwendigen zwei Impfungen gegen Mumps erhalten haben. Im Zweifel ist es deshalb sinnvoll, die Dreifachimpfung gegen Mumps, Masern und Röteln aufzufrischen. Eine Überimpfung ist nicht möglich. "Ich empfehle, den Status der für Deutschland empfohlenen Standardimpfungen beim Hausarzt zu prüfen und sich beraten zu lassen, welche der Impfungen nachgeholt oder aufgefrischt werden sollten", rät Jelinek.

Masern: Ungeimpfte Erwachsene sind Gefahr für Säuglinge

Eine einmalige Impfung gegen Masern mit einem Kombinationsimpfstoff, der gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) wirkt, ist für alle nach 1970 geborenen Personen ab 18 Jahren geboten. Und zwar dann, wenn sie einen unklaren Impfstatus, bisher keine Impfung oder nur eine Impfung in der Kindheit hatten. Masern können bei kleinen Kindern zu schweren Komplikationen und sogar zum Tod führen. "Sehr problematisch ist, dass von erkrankten Erwachsenen eine Gefahr für noch nicht geimpfte Säuglinge ausgeht, wenn sich diese bei ihnen anstecken", mahnt der Mediziner.

Röteln: Schwere Komplikationen für Ungeborene

Für Frauen im gebärfähigen Alter ein vollständiger Röteln-Impfschutz wichtig, um bei einer Rötelinfektion in der Schwangerschaft das ungeborene Kind zu schützen. Erkrankt eine Schwangere an Röteln, kann das schwere Komplikation für das Ungeborene nach sich ziehen. Die Ungeborenen erleiden Organschäden, 15 bis 20 Prozent dieser Kinder sterben durch eine Rötelinfektion der Mutter. Frauen, die Nachwuchs planen, müssen daher unbedingt auf einen ausreichenden Impfschutz achten. Idealerweise erfolgt fünf bis sechs Monate vor einer Schwangerschaft eine umfassende Überprüfung des Impfschutzes. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt eine zweimalige Rötelnimpfung für alle Frauen, die schwanger werden könnten. Dabei muss wenigstens einmal mit dem Kombinationsimpfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft werden. Die Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Die Überprüfung und, wenn nötig, Vervollständigung des Impfstatus ist in jedem Lebensalter sinnvoll. Fehlende Impfungen sollten entsprechend den STIKO-Empfehlungen sofort für das jeweilige Lebensalter nachgeholt werden.

Polyomyelitis (Kinderlähmung)

Ein mutiertes Polio-Virus, Auslöser der "Kinderlähmung", kann für Erwachsene gefährlich werden, die ihre Impfung nicht alle zehn Jahre auffrischt haben. Es ist offenbar in der Lage, den "alten" Impfschutz zu durchbrechen, das fanden Bonner Forscher heraus. Liegt die letzte Polio-Impfung länger als zehn Jahre zurück, ist deshalb unbedingt eine einmalige Auffrischimpfung empfohlen. Sie wird einzeln oder als Kombinationsimpfung gegen Polio, Diphtherie, Tetanus und Pertussis (Keuchhusten) geimpft. "Das macht deutlich, welche Bedeutung einer möglichst hohen Durchimpfungsrate gegen Kinderlähmung zukommt", so das CRM Centrum für Reisemedizin in Düsseldorf. Das Institut empfiehlt, die Impfung alle zehn Jahre aufzufrischen solange das Virus weltweit noch nicht ausgerottet ist. Eine routinemäßige Auffrischimpfung alle 10 Jahre ist bei Polio nur nicht notwendig, wenn mit der Grundimmunisierung und einer Auffrischimpfung insgesamt vier Impfungen gegen Poliomyelitis dokumentiert sind. Für Ungeimpfte oder Personen mit fehlendem Impfnachweis sind Nachholimpfungen empfohlen. Wegen einem zunehmenden Risiko der Einschleppung von Polioviren durch Migration aus Krisengebieten der Welt, empfiehlt das Robert Koch-Institut (RKI) besonders auf einen sicheren Polioschutz zu achten. Bei Reisen in Risikogebiete werden die Kosten für die Polio-Impfung von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

Grippe (Influenza)

Die Grippe-Impfung muss jährlich mit einem Impfstoff mit aktueller, von der WHO empfohlener Antigenkombination, aufgefrischt werden. Allen Schwangeren wird ein Grippe-Impfschutz ab dem 2. Schwangerschaftsdrittel empfohlen, bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge einer Grunderkrankung bereits ab Feststellung der Schwangerschaft. Die Impfung ist wie alle in der Schwangerschaft erforderlichen Impfungen für das Ungeborene wie die Schwangere völlig ungefährlich. Eine Grippe-Impfung ist außerdem für alle Personen ab 60 Jahren und für Personen mit erhöhter beruflicher Gefährdung wie etwa medizinisches Personal sowie für Bewohner und Pflegepersonal von Alters- und Pflegeheimen empfohlen. Denn das Sterberisiko von Pflegeheimbewohnern kann deutlich gesenkt werden, wenn sich auch die Pflegekräfte gegen Grippe impfen lassen. Wie eine US‐Metaanalyse belegt, ist die Sterbehäufigkeit während der Grippesaison in Heimen mit gut geimpftem Personal um 29 Prozent geringer als in Heimen mit unzureichend geimpftem Personal. "Eine bessere Durchimpfung des Pflegepersonals in Heimen erhöht die Patientensicherheit der Heimbewohner", bestätigt Dr. Peter Walger, Leitender Arzt für Intensivmedizin und Infektiologie am Johanniter‐Krankenhaus Bonn und Infektionsexperte des Berufsverbands Deutscher Internisten (BDI). Der Grund: Ältere Menschen sind besonders infektionsgefährdet. Denn mit zunehmendem Alter schwinden die Abwehrkräfte, daher erleiden sie auch häufiger schwerere Krankheitsverläufe als jüngere Menschen. Aus demselben Grund wird auch die Schutzwirkung einer Grippeimpfung in hohem Alter nicht mehr optimal ausgebildet. "Deshalb ist es extrem wichtig, dass sich in Alten‐ und Pflegeheimen auch das Personal gegen Influenza impfen lässt. Schließlich können ungeimpfte Pflegekräfte – auch wenn die Erkrankung gar nicht ausbrechen oder mild verlaufen sollte – als Überträger der Influenza‐Viren agieren und dabei eben auch ältere, schutzlosere Menschen anstecken, für die das dann möglicherweise lebensgefährlich wird", warnt Walger.

Pneumokokken

Pneumokokken-Infektionen können zu schweren Lungenentzündungen und Sepsis führen. Die STIKO empfiehlt – unabhängig von der COVID-19-Pandemie - für alle Personen, die ein erhöhtes Risiko für Pneumokokken-Erkrankungen haben, eine entsprechende Impfung. Zudem verhindert sie eine bakterielle Superinfektion durch Pneumokokken bei Patienten mit COVID-19. Auch bei Grippe-Erkrankungen sind bakterielle Superinfektionen durch Pneumokokken eine bekannte Komplikation. Die Impfung erfolgt einmalig ab einem Alter von 60 Jahren mit einem Impfstoff, der vor 23 verschiedenen Pneumokokken schützt, die sonst lebensbedrohende Lungenentzündungen auslösen können.

Diphtherie/Tetanus/Keuchhusten (Pertussis)

Eine kombinierte Auffrischimpfung ist für den Schutz vor Tetanus und Diphtherie ist alle zehn Jahre empfohlen. Dabei soll der Arzt bei der nächsten anstehenden Diphtherie-Tetanus-Impfung einmalig die Kombination mit Keuchhusten vornehmen. Für gebärfähige Frauen gilt diese Empfehlung alle zehn Jahre. Ist zudem kein vollständiger Schutz vor Kinderlähmung gegeben, soll die Impfung zusätzlich mit einem Impfstoff gegen Polio kombiniert werden. Für Ungeimpfte oder Personen mit fehlendem Impfnachweis ist eine Grundimmunisierung mit jeweils drei Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie und Poliomyelitis sowie einmalig gegen Keuchhusten erforderlich.

Herpes zoster (Gürtelrose)

Die Impfung gegen Herpes zoster (Gürtelrose) mit dem Totimpfstoff wird ab 60 Jahre von der STIKO empfohlen. Mit dem Alter nimmt das Risiko für schwere Krankheitsverläufe der Virusinfektion Herpes zoster und das Auftreten von Nervenschmerzen (postherpetischen Neuralgie) zu. Sie ist keine Neuinfektion, sondern geht auf das Wiederaufflammen einer Windpockeninfektion zurück, die oft schon Jahrzehnte zurückliegt. Die Viren überdauern diese lange Zeit in den sogenannten Spinalganglien in der Nähe des Rückenmarks. Wenn die Immunüberwachung im Alter nachlässt, können die Viren wieder aktiv werden und äußerst schmerzhafte Ausschläge und Nervenreizungen hervorrufen. Eine Gürtelrose dauert in der Regel zwei bis drei Wochen, macht Aktivitäten außer Haus unmöglich und sollte ärztlich behandelt werden. Seit kurzem steht ein effektiver und sicherer Impfstoff zur Verfügung, der bereits ab dem 50. Lebensjahr zugelassen ist. Er wird für alle über 60-Jährigen und für über 50-Jährige mit schweren Grunderkrankungen empfohlen.

Impfausweis verloren – was tun?

Ist der Impfausweis nicht auffindbar oder verloren gegangen, sollte man versuchen, die Informationen zu bereits bestehenden Impfungen bei den Ärzten zu erfragen und dokumentieren zu lassen, bei denen man in den letzten Jahren geimpft wurde. Praxen sind verpflichtet, Unterlagen zehn Jahre lang aufzubewahren. Für manche Impfungen, etwa Masern, lässt sich auch per Blutuntersuchung feststellen, ob eine Immunisierung besteht. Im Zweifel gilt man als ungeimpft. Empfohlene Impfungen sollten dann nachgeholt und ein neuer Impfpass ausgestellt werden.

Oft aber ist die Tatsache, dass manche Standardimpfungen im Erwachsenenalter aufgefrischt werden sollten, gar nicht bekannt. Eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach kam zu dem Ergebnis, das 47 Prozent der Befragten nicht genau wissen, ob und wogegen sie zurzeit geimpft sind. 53 Prozent der Befragten achten gar nicht darauf, Impfungen regelmäßig auffrischen zu lassen.

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