"Aus Haut und Knochen"

Emotionales Drama über Magersucht

von Christopher Schmitt

Die 16-jährige Lara (Lisa-Marie Koroll) leidet an Magersucht. Für sie und ihre Familie beginnt ein harter Kampf gegen einen tückischen Gegner. 

SAT.1
Aus Haut und Knochen
Drama • 01.12.2020 • 20:15 Uhr

Um sich die Zeit zu vertreiben, blättert Mutter Susanne (Anja Kling) im Wartezimmer in einer Modezeitschrift und begutachtet die neuesten Bikini-Trends, wie üblich präsentiert von schlanken Models, die von nachbearbeiteten Aufnahmen lächeln. Nur ein Zimmer weiter entdeckt ein Arzt sogenanntes "Wollhaar" auf dem Arm ihrer 16-jährigen Tochter Lara (Lisa-Marie Koroll): ein Schutzmechanismus des Körpers gegen Kälte. Im Falle von Lara bilden sich die Haare aufgrund ihrer bis dato nicht diagnostizierten Magersucht, für die möglicherweise das Schönheitsideal im Modekatalog der Mutter mitverantwortlich ist.

Mit der Suche nach den Gründen der psychischen Krankheit hält sich das emotionale Drama mit dem bildhaften Titel "Aus Haut und Knochen" von Regisseurin Christina Schiewe allerdings nicht lange auf. Lediglich eine unerfüllte Liebe zum vermeintlich coolsten Typen der Schule wird thematisiert. Fast alles dreht sich um den anschließenden Kampf der jungen Protagonistin, den sie gemeinsam mit ihrer Familie gegen einen unsichtbaren Gegner führt. Dicke Klamotten, ausufernde Laufeinheiten, versteckte Essensreste: Ihre Tochter ist offenbar lange an "Anorexia nervosa" erkrankt, bevor ihre Mutter überhaupt mitbekommt, wie abgemagert sie doch ist. Erst nach einem dummen Streich des Nachbarsjungen und der Arztdiagnose wird die ganze Problematik offensichtlich.

Da sich die Teenagerin unter Tränen weigert, in Therapie zu gehen, setzen Mama Susanne und Papa Peter (Oliver Mommsen) alles daran, dass ihre Tochter ein paar Gramm zunimmt. Nur 43 Kilo bringt das Mädchen noch auf die Waage. Doch erst mit der Zeit dämmert ihnen: Spendierte Eisbecher und Geschenke für Gewichtszunahme sind nicht die Lösung. Denn das Mädchen steckt sich Schraubenmuttern in den BH, um schwerer zu wirken, geht heimlich joggen und zählt im Supermarkt fleißig Kalorien.

Bei Susanne macht sich zunehmend Hilflosigkeit breit, der wiederum in Kontrollwahn mündet. Anja Kling überzeugt in der Rolle der verzweifelten Mutter, die sich ob der ständigen Lügen ihrer Tochter zunehmend erschüttert zeigt, gleichzeitig mit ihrem Herumschnüffeln jedoch einen Vertrauensbruch nach dem anderen begeht. Ihr Mann erkennt den Ernst der Lage hingegen deutlich später und wirkt oft, als würde er hoffen, dass sich alles von alleine erledigt. Die Beziehung der beiden wird ebenso belastet, wie die zu ihrer Tochter – die innerfamiliären Konflikte sind förmlich zu greifen.

Daran hat auch die dritte und jüngste Hauptdarstellerin maßgeblichen Anteil: Lisa-Marie Koroll liefert eine starke Performance ab und stellt die Tücken dieser psychischen Krankheit glaubwürdig heraus. Visuell wird der Unterschied zwischen Eigen- und Fremdbild beim Blick in den Spiegel verdeutlicht. Da steht ein spindeldürres Mädchen vor dem Spiegel, im Spiegel sieht Lara jedoch ein korpulentes Bild von sich selbst. Zustimmung für ihre lebensgefährliche Mangelernährung holt sie sich auf Social Media.

Angesichts der emotional aufwühlenden Geschichte und ihrer glaubwürdigen Darsteller kann der Zuschauer auch darüber hinwegsehen, dass hier und da zu fest auf die Tränendrüse gedrückt wird. Auf den ein oder anderen Nebenkriegsschauplatz hätte das Drehbuch von Burkhardt Wunderlich ebenfalls verzichten können. Nichtsdestotrotz hinterlässt das Familiendrama einen beklemmenden Eindruck. Der Film liefert fraglos neue Einblicke in eine Krankheit, die im schlimmsten Fall dafür sorgt, dass junge Menschen sich zu Tode hungern.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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