Clemens Schick: "Mainstream ist für mich völlig in Ordnung"
Mit Clemens Schick holt sich der eher massenkompatibel gedachte Donnerstags-Krimi aus Katalonien einen eher sperrigen Hauptdarsteller ins Boot.
Der charismatische Clemens Schick gilt schon lange als Geheimtipp seiner Schauspieler-Generation. Doch trotz einer Rolle im Bond-Film "Casino Royale" (2006) blieb der mittlerweile 45-Jährige mit dem besonderen Blick dem Mainstream-Publikum weitgehend verborgen. Das lag auch daran, dass Schick – ein eher sperriger, ernster Typ – viel im Ausland arbeitete und sich in puncto deutsche Produktionen eher bei kleinen, ambitionierten Filmen aufhielt. Seine neuste Rolle, der "Barcelona-Krimi" (Donnerstag, 2. und 9. November 2017, 20.15 Uhr, ARD) hievt den Bekanntheitsgrad des Schauspielers, der sich 2014 als homosexuell "outete", nun auf ein neues Level. Schick, der in Stuttgart aufwuchs, über die mittlerweile auch politisch schillernde Traummetropole Barcelona und sein Leben zwischen Ambition und Freiheitswillen.
prisma: Es gibt Langweiligeres, als eine Krimireihe in Barcelona drehen zur müssen. Wie gut kannten Sie die Stadt vorher?
Clemens Schick: Relativ gut. Ich habe Familie in Barcelona, daher bin ich auch abseits der Dreharbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder dort. Als Stefan Raiser, der Produzent, mich auf das Projekt ansprach, hatte ich sofort große Lust.
prisma: Sie sind eher für Arthaus-Filme bekannt. Wollen Sie nun "mainstreamiger" arbeiten?
Schick: Mainstream ist für mich völlig in Ordnung, so lange ich ihn nicht ausschließlich bediene. Ich komme vom Theater. Bis 2007 habe ich zehn Jahre fast nur Theater gespielt. Danach fing ich an, Kino und Fernsehen zu machen: Arthaus-Filme, sehr regelmäßig Debütfilme. Ich drehte viel im Ausland. Andererseits war ich auch mal bei einem Softporno dabei und spielte in Blockbustern. Das Angebot für Barcelona kam genau richtig, weil ich Lust hatte, in Deutschland mehr Fernsehen zu machen.
prisma: Sie verkörpern einen Katalanen. Wie ist der so?
Schick: Meine Rolle heißt Xavi Bonet. Ein Mann, der gerne schweigt und noch lieber für sich ist. Ein Einzelgänger, der beobachtet. Sein Motor ist ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn. Er scheint nach außen eher konservativ, taucht aber beruflich wie privat immer wieder in der Stadt ab. Er kennt jeden und ist komplett mit der Stadt verwoben. Bonets Vater ist der Bürgermeister Barcelonas. Es wird spannend, wenn Bonets Ermittlungsarbeit mit der Tätigkeit des Vaters kollidiert. Dann, wenn Ermittlung, Korruption und Familie sich treffen.
prisma: Wie sehen Sie die Stadt Barcelona – als Insider?
Schick: Die Stadt ist wunderschön, aber sie ist spannungsgeladen. Neben den gegenwärtigen politischen Auseinandersetzungen hat sie ein ökologisches Problem. Barcelona kommt kaum noch mit dem Tourismus klar, den es durch seine Schönheit hervorgerufen hat.
prisma: Kommen wir zunächst zur Politik. Was ist da gerade los in Barcelona?
Schick: Es geht um Nationalismus. Katalonien betreibt die Abspaltung von Spanien, was für mich als leidenschaftlicher Europäer der totale Wahnsinn ist. Ich glaube, dass Nationalismus für keines der Probleme, mit denen wir heute zu tun haben, eine Lösung darstellt.
prisma: Woher kommt der gegenwärtige Trend zum Separatismus?
Schick: Wir finden das ja gerade überall auf der Welt. Die Welt ist globaler und viel komplexer als früher. Da scheint es für einige der richtige Weg zu sein, einfache Antworten vorzutäuschen. Abschottung und Nationalismus haben jedoch nie funktioniert. Seit Geschichte aufgeschrieben wird, ist mir kein Fall bekannt, in dem daraus etwas Positives entstanden wäre. Was funktionieren kann, ist, wenn Länder miteinander kooperieren – wie in Europa.
prisma: Wird sich Katalonien tatsächlich abspalten? Was, glauben Sie, wird passieren?
Schick: Ich bin fassungslos, wie dumm und verantwortungslos sich gerade die entscheidenden Politiker verhalten. Wie kann man in einer solchen Situation nicht miteinander kommunizieren? Von beiden Seiten aus, in Barcelona und Madrid. Ich hoffe und glaube, dass es am Ende nicht zur Abspaltung kommen wird. Alleine, weil es wirtschaftlich keinen Sinn ergibt. Wir müssen aber vor allem wieder anfangen, über Werte zu reden. In ganz Europa, aber eben auch in einem Konflikt wie dem in Katalonien.
prisma: Kommen wir zur Ökologie. Woran merken Sie, dass Barcelona auch hier ein Problem hat?
Schick: Am auffälligsten ist die Menge der Touristen. Sie verwandeln die Stadt mittlerweile in etwas Kulissenhaftes. Es gibt Bezirke wie den Altstadtkern Gótico, da leben kaum noch Einheimische. Es ist ein Problem, das in allen hochattraktiven Städten der Welt existiert. Private Wohnungen werden fast nur noch an Touristen vermietet. Es ist schwer, Regeln aufzustellen, die einerseits das Recht des Einzelnen schützen, aber andererseits dazu führen, dass eine Stadt im Gleichgewicht bleibt.
prisma: Ist es trotzdem angenehm, in Barcelona zu arbeiten?
Schick: Sehr angenehm. Das Arbeiten in internationalen Teams empfinde ich als eines der großen Geschenke, die einem der Schauspielberuf macht. Dass ich zum Beispiel in Amerika, Frankreich, Brasilien, Griechenland oder eben jetzt in Spanien drehe. Man lernt ein Land auf eine sehr spezielle Art und Weise kennen und kommt an Orte, an die man als Tourist nie kommen würde. Unser Team beim jetzigen Dreh war etwa zur Hälfte spanisch und deutsch. Man lernt die Stadt und das Land auch durch diese Begegnungen kennen.
prisma: Welche Stimmung versuchen Sie mit dem Barcelona-Krimi zu erzeugen?
Schick: Wir wollten den besonderen Rhythmus der Stadt einfangen. Das wunderbare Licht Barcelonas. Wir drehten im Frühjahr, da ist das Licht besonders klar. Wir suchen aber genauso die rauen, dunklen und brutalen Seiten der Stadt. Wenn man den schönen Kern verlässt, wird Barcelona sehr schnell anders. Stadt und Region sind durchaus sehr industriell geprägt. Zum Teil hat mich das an Los Angeles erinnert – diese Mixtur von Industriekomplexen mit Wohngebieten. Die Rauheit ist aber auch im Stadtkern zu finden. Die spanische Geschichte ist so düster, die Inquisition oder das seit Jahrhunderten verkrustete spanische Königshaus, das alles sieht man auch an den Gebäuden. Alte spanische Architektur ist vor allem eine Machtdemonstration, auch dieser Geist spiegelt sich Barcelona wider. Ich sehe zwar immer die Schönheit einer Kathedrale. Aber auch, in welcher Unfreiheit sie errichtet wurde, und wie viele Menschen ihr Leben dafür lassen mussten.
prisma: Was will Ihr Krimi mit seinen Geschichten erzählen?
Schick: Wir wollen bei den beiden Hauptfiguren bleiben und immer mehr über sie erfahren. Nebenbei finde ich es wichtig, politisch oder gesellschaftspolitisch zu erzählen. Gerade in solchen Krimi-Formaten. Ich bin ein sehr freiheitsliebender Mensch. Wir haben hier einen Charakter erschaffen, der diese Leidenschaft mit mir teilt.
prisma: Sie sind vor zwei Jahren in die SPD eingetreten. Kann oder soll man als Schauspieler seine politischen Überzeugungen in Filme für ein großes Publikum hineintragen?
Schick: Warum nicht? Je mehr Haltung die Charaktere haben, desto besser. Haltung und Positionierung ist sexy. Ich habe zum Beispiel während des Entstehungsprozesses meiner Figur vorgeschlagen, dass Xavi Bonet bisexuell ist. Das wurde sofort aufgenommen. Nun haben wir einen Kommissar, der sich privat sowohl für Männer als auch Frauen interessiert. Das entspricht meiner Form von Freiheitsliebe sehr.
Quelle: teleschau – der Mediendienst