Ausbildung statt Kriminalität, neue Rollenbilder statt Macho-Ehrenkodex: Sozialarbeiterin Songül C. kämpft im Berliner Stadtteil Neukölln für bessere Zukunftsperspektiven von Jugendlichen. Eine mühsame Arbeit voller Entbehrungen, wie eine Reportage zeigt.
Drogen, Kriminalität, Waffen: Mit der packenden Milieu-Studie "4 Blocks" feiert TNT Serie seit 2017 große Erfolge und wurde unter anderem beim Grimme-Preis und dem Deutschen Fernsehpreis prämiert. Die Serie erzählt von Toni Hamady, einem libanesischen Einwanderer, der einen Familienclan in Berlin-Neukölln anführt. Lob erhielt die Produktion vor allem wegen ihres authentischen Abbildes der Realität in Neukölln. Wirklich authentische Einblicke in das tägliche Leben in dem Berliner Viertel liefert nun Filmemacherin Güner Yasemin Balci, die in einem neuen Beitrag der ZDF-Reportage-Reihe "37°" die Sozialarbeiterin Songül C. begleitete.
Mit 300.000 Einwohnern aus 160 Nationen steht Neukölln wie kein zweites Viertel für das multikulturelle Leben der deutschen Hauptstadt. Aber gerade dort, wo sehr unterschiedliche Kulturen aufeinanderprallen, grassieren auch dauerhafte Konflikte. "50 Prozent der Menschen in Neukölln sind Hyänen. Die lächeln dir ins Gesicht, aber haben in der anderen Hand ein Messer", beschreibt Hamudi. Der 20-Jährige ist einer der Schützlinge von Songül C., die in ihrer Arbeit besonders mit dem Nachwuchs arabischer Großfamilien zu tun hat. Die Jungs würden oft als "Soldaten der Familie" benutzt, wie die Sozialarbeiterin in der Reportage ausführt. Woher das Geld stammt, das sie nach Hause bringen, spiele in den Familien oft keine Rolle.
Im Jugendclub "Yo!22", mit Tanztherapie und vielen persönlichen Gesprächen hat Songül C. das Vertrauen vieler Jugendlichen gewonnen. Die 44-Jährige will ihnen Perspektiven abseits von Kriminalität und Drogen aufzeigen und so den Weg aus dem Sog der Straße bahnen – wie Hamudi. Vor einigen Jahren noch selbst im Visier der Polizei, arbeitet er heute an seiner alten Grundschule. Dennoch kann sich selbst der 20-Jährige dem Ehrenkodex der Straße nicht entziehen und hat noch regelmäßig Kontakt zu Freunden, die im Gefängnis sitzen.
Die Szenen, die Güner Yasemin Balci in ihrem halbstündigen Film einfängt, schwanken zwischen Hoffnung und Resignation. Balci gelingt es, die Tür zur Parallelwelt Neukölln aufzustoßen. Die Jugendlichen, die aus dem sozialen Abseits vor die Kamera geholt werden, dürfen ihre Geschichte erzählen, ohne stigmatisiert zu werden. Gleichzeitig zeigt die Reportage, wie wichtig die Arbeit von Sozialarbeitern wie Songül C. ist. Unterstützung erhält sie in Berlin von Jugendstadtrat Falko Liecke, der es mit einem starken Kurs gegen organisierte Kriminalität und Familienclans "maximal unattraktiv" machen will, kriminell zu sein.
"Wenn man einen rettet, dann rettet man ganz viele damit", ist sich Songül C. sicher. Dennoch macht sich auch bei der 44-Jährigen der Frust breit. Viele Jugendliche hat sie kurz vor dem Ziel verloren. Deshalb will sie an eine Grundschule wechseln, um die Kinder noch früher unter ihre Fittiche zu nehmen. Vielleicht gelingt es der Sozialarbeiterin dort nachhaltiger, sie vor den Hyänen zu schützen.
Quelle: teleschau – der Mediendienst