Von Disziplin bis Fantasie: Promis fordern neue Bildungsideale






Eine schöne Idee: Prominente aus Bildung, Kultur und Politik blicken zurück auf ihre Schulzeit. Jack Lang, der einstige Kulturminister unter François Mitterrand, treibt es mit seiner Schulkritik am tollsten in der zweiteiligen Dokumentation "Schulgeschichten" (Regie: Petra Dormann) von 2022, die ARTE zur besten Sendezeit als Wiederholung zeigt.
Das Bildungssystem im Wandel: Promis erinnern an Streiche und Co.
Nicht nur, dass er sich an Schulstreiche erinnert, etwa an den Wecker, den er unter dem Pult des Lehrers versteckte und der dann jäh den Unterricht unterbrach. Lang plädiert auch noch immer unermüdlich für eine "Schule des Glücks", für eine Schule der Fantasie ohne Noten, wie zu Zeiten der Kulturrevolution. Und Noten konnte er auch selbst nicht vergeben, als er mal Lehrer war.
Um die Fähigkeit zur Gemeinschaft gehe es, Kunst und Kultur müssten gefördert werden. Das Bildungssystem müsse sich unbedingt ändern, so fordert er mit gerunzelter Stirn. Neben französischen kommen vor allem auch deutsche Prominente zu Wort: Ulrich Wickert, Gregor Gysi, Margot Käßmann oder auch die Schauspielerinnen Jella Haase und Susanne Bormann sowie Ex-Fußballprofi Steffi Jones sind dabei.
Strenge, Ordnung, Disziplin werden in Frankreich an den Grandes Ecoles zur Elitebildung verlangt. Ein zweigeteiltes Abitur in hoch und niedrig grenzt viele aus, ähnlich dem Vorgang, der sich hierzulande im Kleinen bereits nach der vierten Schulklasse vollzieht.
Nach solch immer wieder eingestreuten Lehrstunden wirken die temperamentvollen Schimpftiraden, mit denen Jella Haase ("KLEO") und die französische Sängerin Barbara Pravi ins gleiche Kerbholz schlagen. Haase deckt sich demonstrativ auf der alten Schulbank mit Kapuze und Sonnenbrille ein, sie hält die dröge Schulpflicht inmitten der Pubertät für die monströseste Absurdität der Welt. Pravi hat die Schule fünfmal gewechselt, es gab Lehrerdemos im Schulhof wegen ihr, die Klassenzimmer blieben leer.
Schulsysteme im Vergleich: Deutschland vs. Frankreich sowie Ost vs. West
Ulrich Wickert, Autor, ehemaliger Moderator der "Tagesthemen" und Frankreichkenner, drückte sowohl in Frankreich als auch Deutschland die Schulbank. Er mochte die gepflegte Strenge im Klassenzimmer mit der Begrüßung des Lehrers: "Man wusste, jetzt fängt der Ernst des Lebens für eine Stunde an." Ja, es sei eine harte Zeit nach dem Krieg gewesen, mit gestrengen Lehrern und zerstörten Schulgebäuden. Die zweigeteilte Doku doziert da immer ein wenig viel.
Archivfilme ergänzen die Statements von Ulrich Wickert (West) und dem Verleger und Satiriker Klaus Staeck (vormals Ost). Neben dem Blick auf französische und deutsche Sitten wird nämlich auch gleich noch der Ost-West-Unterschied unter die Lupe genommen. Staeck wollte schon immer flüchten, Margot Honeckers Zweigleisigkeit von Schule und Handwerk gab ihm den Rest. Jurist und Politiker Gregor Gysi wollte Nebenbei-Kfz-Mechaniker werden, was leider nicht ging. Aber auch die Kochstellen waren schon vergeben. Da landete der Ostberliner, weil er Tiere liebte (eigentlich Katzen und Hunde), bei der Rinderzucht.
Alles in allem werden recht viel Archivmaterial und Statements in den zweiteiligen Film hineingepackt. Wenn die Zeugen ihre Schulnamen nennen oder ihre Schuljahre brav auf eine Schiefertafel schreiben, läuft einem ein leichter Schauer den Rücken hinunter. Man kennt das, obwohl man nicht so berühmt wie die Theologin Margot Käßmann oder die französische Astronautin Claudie Haigneré ist, die in ihrer schulischen Wissensbegierde über die Maßen glücklich war.
Ziemlich viel scheint im Übrigen gleich geblieben zu sein, trotz der so oft beschworenen 68er-Zäsur: das Oben und Unten von Lehrern und Schülern, die Humorlosigkeit, das stoische Leistungsprinzip. Es darf also weitergeträumt werden von der Traumschule, von der Schule als ein Geschenk, auf das man sich freut. Diese Utopie wenigstens hält der Film am Leben.
Schulgeschichten – Do. 21.08. – ARTE: 20.15 Uhr
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Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH