Schauspieler im Interview

Brandt: "Von Meuffels macht jetzt was anderes"

von Maximilian Haase

Matthias Brandt spricht über seinen letzten Münchner "Polizeiruf 110" als Hanns von Meuffels, über die Eigenarten seines scheidenden Ermittlers und die deutsche Krimiflut.

Sein "Polizeiruf 110" war ein Experimentierfeld, wie es im deutschen Krimi selten zustandekommt. Matthias Brandt, dieser vielfach ausgezeichnete Gentleman des hiesigen Schauspiels, verkörperte den Münchner Ermittler Hanns von Meuffels mit begnadeter Hingabe jenseits der grassierenden Genrelangeweile.

Spitzfindig und vielschichtig gespielt, schuf der gebürtige Berliner in den letzten sieben Jahren bisweilen wahre Charakterdramen, in denen sich Starregisseure wie Dominik Graf und Leander Haußmann künstlerisch austobten. Unter Regie von Christian Petzold, der damit zugleich seine "Polizeiruf"-Trilogie vollendet, verabschiedet sich Brandt nun im 15. und letzten Fall mit dem vielsagenden Titel "Tatorte" (Sonntag, 16.12., 20.15 Uhr, ARD) von seinem liebgewonnenen Charakter. Warum er die Figur ziehen lässt, was er an von Meuffels besonders mochte und wie er die Krimiflut hierzulande bewertet, erklärt der 57-Jährige im Gespräch.

prisma: Ihre Figur von Meuffels bekommt ihren letzten Auftritt. War es wichtig, den letzten "Polizeiruf 110" wieder von Christian Petzold inszenieren zu lassen?

Matthias Brandt: Da wir mit Christians Petzolds Filmen eine Reihe in der Reihe kreiert haben, musste die nun auch zu Ende erzählt werden. Und weil ich mit ihm eine sehr beglückende Zusammenarbeit hatte, fand ich es schön, dass der Abschluss der Trilogie zugleich mein letzter "Polizeiruf" geworden ist.

prisma: Die Filme wurden von einer ganzen Riege großer deutscher Regisseure inszeniert. War Ihr Münchner "Polizeiruf" immer mehr Kunst als Sonntagabendkrimi?

Brandt: Ich wusste nicht, dass sich das ausschließt. Es ist aber eine Frage, die man stellen kann: Sind das künstlerische oder industrielle Arbeiten? Für mich ist es nicht anders vorstellbar, als dass es künstlerische sind, weil ich sonst keinen Sinn darin gesehen hätte, sie zu machen. Es wurden interessante Leute geholt, Autoren und Regisseure, um zu schauen, was denen dazu einfällt. Die Perspektiven reichten dann vom klassischen Polizeifilm bis zu Filmen, in denen das eine untergeordnete Rolle spielte. In letzteren ist von Meuffels dann eher zufällig auch Polizist. Wir sind manchmal an die Grenzen dieses Formats gegangen, das ist wohl so.

prisma: Erinnern Sie sich noch daran, wie Sie sich damals für die Rolle eines außergewöhnlichen Ermittlers entschlossen?

Brandt: Mein wesentliches Interesse daran war jedenfalls nicht, endlich mal einen Polizisten zu spielen. Im Grunde bin ich relativ naiv rangegangen. Ich hatte die Arbeiten von Edgar Selge und Jörg Hube gesehen, die das vor mir gespielt hatten. Daher wusste ich, dass mit Cornelia Ackers, der Redakteurin, viel möglich ist und eine Freude am Experiment besteht. Diese ganzen vermutlich vorhandenen Parameter für einen Fernsehkrimi fand ich nicht interessant, kannte sie auch gar nicht, kenne sie übrigens bis heute nicht. Offenbar geistern da Vorgaben herum, mit denen ich aber nie konfrontiert wurde.

prisma: Wirkt sich eine Figur in einer Reihe auf einen Darsteller anders aus als andere Rollen?

Brandt: Für einen Schauspieler ist es schon ein Ding, fünfzehn Mal die selbe Rolle zu spielen. Damit muss man umgehen; sich beobachten, inwiefern einen das beeinflusst und verändert. Ich glaube es wäre Quatsch zu sagen, das tut es nicht.

prisma: Warum entschieden Sie sich, aufzuhören?

Brandt: Anfangs hatte ich mir überlegt, wie lang so etwas denn maximal gehen könnte. Und jetzt war halt dieses Maximum erreicht. Es hätte mich auch nicht gewundert, wenn es nur fünf oder zehn Filme geworden wären. Das war eine ganz organische Entwicklung, es zu diesem Ende zu führen und mich wieder anderen Sachen zu widmen.

prisma: Hatten Sie das Gefühl, von Meuffels wäre "auserzählt", wie man so schön sagt?

Brandt: Ich kann mit diesem Begriff nichts anfangen; weiß gar nicht, was das heißen soll. Das ist doch Sendersprache, wenn die ein Format einstellen wollen. Das sagen die, wenn sie jemandem elegant erklären wollen, dass er rausfliegt (lacht).

prisma: Was nehmen Sie aus dem "Polizeiruf" und von Ihrem Hanns von Meuffels mit?

Brandt: Für mich war es in vielerlei Hinsicht gewinnbringend. Wenn man so viel Zeit mit einer fiktiven Figur verbringt, wird die ein Stück weit real. Ich fand es spannend, diesen sperrigen Kerl kennenzulernen, zu beobachten. In vielen Situationen reagierte er ja ganz anders, als ich das als Privatmensch gemacht hätte. Die interessantesten Momente waren immer die, in denen er Dinge tat, die ich nicht vorausgesehen hatte. So eine Rolle muss den Schauspieler ja auch überraschen können. Von Meuffels musste viel aushalten, belastbar sein. Damit er sich in seiner Seltsamkeit entfalten konnte.

prisma: Was mochten Sie an ihm am meisten?

Brandt: Dass er offen in Situationen ging, ohne sie gleich zu werten. Das Interessante am Vehikel Krimi ist ja, dass man sich sofort in alle möglichen Situationen und Milieus hineinmanövrieren kann, ohne das erklären zu müssen, wie man da hinkommt. Dafür gibt es in diesen Filmen das Verbrechen. Ich mochte auch sein Abgrenzungsproblem; dass ihm Menschen und Dinge oft zu nahe kamen.

prisma: Oft fand er den professionellen Abstand nicht.

Brandt: Und das ging dann eben bis hin zum Punkt, wo er aufhören musste. Weil er die psychische Konstitution dafür nicht besaß, weiterzumachen. Das war mir sympathisch. Ich mochte an ihm, dass seine professionellen Schutzvorrichtungen so schwach ausgeprägt waren. Obwohl er ein eher unnahbarer, hermetischer Mann war, hat er sich doch von dem anfassen lassen, was ihm begegnete.

prisma: Wäre er eigentlich für den Job nicht geeignet gewesen?

Brandt: Er war ein guter Polizist. Ich weiß nicht, wie man sein muss, um dafür charakterlich geeignet zu sein. Ich nehme Figuren ja so wahr: Die laufen irgendwo herum – und dann treten die plötzlich vor die Kamera, die sie eine Weile begleitet und dann wieder verliert. Der von Meuffels macht jetzt was anderes – wir wissen nur nicht mehr, was. Weil ihn dabei keiner mehr filmt (lacht).

prisma: Werden Sie ihn vermissen?

Brandt: Ja, aber das Bedauern ist nicht so groß, dass ich das Ende bereue. Ich musste damit jetzt aufhören.

prisma: Können Sie sich eine neue Ermittlerrolle vorstellen?

Brandt: Das kommt auf den Kontext an, deshalb kann ich das so nicht beantworten. Aber das ist für mich jetzt wirklich nicht das Naheliegende. Die Erfahrung mit Kriminal- und Polizeifilmen fand ich interessant, hätte aber ein Problem damit, wenn das Zentrum meines professionellen Lebens nur noch aus der Frage bestehen würde, auf welche originelle Weise man Leute zu Tode bringen kann (lacht).

prisma: Kritisieren Sie damit auch die Krimiflut im deutschen Fernsehen?

Brandt: Wie ich das finde, ist eigentlich egal, ich habe da nichts zu sagen. Offenbar gibt es eine starke Nachfrage. Manchmal habe ich aber das Gefühl, dass unsere Fernseharbeiten ziemlich monothematisch darauf ausgerichtet sind. Darauf oder auf Kitsch. Sagen wir mal so: Ich glaube, es gibt auch noch andere interessante Themen und Genres.

prisma: Mit politisch-historischen Stoffen wie "Unterwerfung" von Titus Selge oder Christian Petzolds "Transit" bewegen Sie sich in der letzten Zeit denkbar weit weg vom Krimi. Ist das Zufall?

Brandt: Das ergibt sich oft aus bestimmten Konstellationen – etwa, weil ich mit Edgar Selge schon länger was machen wollte. Als Schauspieler ist es wie in der Tanzschule: Man sitzt da und wartet, wer einen auffordert. Hat Meryl Streep mal gesagt (lacht).

prisma: Immerhin können Sie auch ablehnen. Wie wählen Sie denn die Stoffe aus?

Brandt: Ich schaue jedenfalls nicht nach dem Maßgeschneiderten. Wenn mir etwas begegnet, und ich habe das Gefühl, überhaupt nicht zu wissen, wie das gehen, wie ich das spielen soll – dann ist das ein guter Start.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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